Prozess nach Angriff von Amberg: „Gruppendynamisches Geschehen“

Im Prozess zu den Prügelattacken von Amberg legen die Angeklagten Geständnisse ab. Die Strafen dürften deshalb milde ausfallen.

Menschen sitzen an einem langen Tisch, auf dem Akten liegen

Angeklagte und Verteidiger: Prozessbeginn vor der Jugendstrafkammer des Amtsgerichts Amberg Foto: dpa

MÜNCHEN taz | Als am Abend des 29. Dezember 2018 vier junge Asylbewerber prügelnd durch die Altstadt von Amberg gezogen waren und unbeteiligte Passanten verletzten, sorgte dies für riesige mediale Aufmerksamkeit. Bundesweit wurde über die ansonsten so ruhige Stadt in der Oberpfalz berichtet, Kamerateams reisten an. Die Rede war von einem „Riesen-Hype“, einer „Hetzjagd“, Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sprach von „Gewalt-Exzessen“.

An diesem Dienstag begann der Prozess gegen die vier Männer vor der Jugendstrafkammer des Amtsgerichts Amberg. Nicht das höher stehende Landgericht ist für das Geschehen zuständig, was schon zeigt, dass die eigentlichen Taten als nicht so außerordentlich schwerwiegend angesehen werden. „Bild“ allerdings macht weiter mit der martialischen Sprache und schreibt: „Dem Prügel-Mob wird der Prozess gemacht!“

Das eigentliche Verfahren wird nun allerdings deutlich schneller und weniger aufwändig von statten gehen als angesetzt: Geplant waren bis zu 25 Verhandlungstage mit mehr als 100 Zeugen. Doch gleich nach Verlesung der Anklageschrift kam es zu einem erfolgreichen so genannten Rechtsgespräch zwischen den Beteiligten. Eine solche Verständigung wird auch als „Deal“ bezeichnet.

Ergebnis: Bei Geständnissen erhalten drei der vier Angeklagten Bewährungsstrafen von sechs Monaten bis eineinhalb Jahren. Ein Mann wird als Haupttäter angesehen, ihn erwarten 26 bis 30 Monate Jugendhaft. Das Verfahren wird damit deutlich verkürzt, nur die mutmaßlichen Opfer müssen aussagen, die ganzen Zeugen aber nicht. Drei der Flüchtlinge stammen aus Afghanistan, einer aus dem Iran. Zur Tatzeit waren zwei von ihnen 17 Jahre alt und je einer 18 und 19. Nach der Verständigung legten die Männer Geständnisse ab.

„Das waren keine Vorgänge von Schwerkriminalität“, sagt der Gerichtsdirektor Ludwig Stich gegenüber der taz. Kompliziert sei das Geschehen dennoch. Innerhalb des Tatzeitraums von zweieinhalb Stunden werden den Angeklagten 25 einzelne Straftaten an fünf Orten in der Altstadt vorgeworfen, am Bahnhof hatten sie angefangen. Dazu zählen gefährliche Körperverletzung, Beleidigung und Sachbeschädigung. 15 Menschen erlitten meist kleinere Verletzungen, einige leiden aber offenbar bis jetzt an Schlafstörungen.

„Junge, männliche, alkoholisierte Täter“

Die Asylbewerber waren alkoholisiert, drei von ihnen hatten weitere Drogen konsumiert. Ihre Opfer wählten sie zufällig aus. Alle vier hatten abgelehnte Asylbescheide, einer ist mittlerweile zur Ausreise verpflichtet, wird aber wegen des Prozesses nicht abgeschoben. Der Bayerische Rundfunk zitiert den Amberger Staatsanwalt Oliver Wagner, dass solche Aggressionen der Erfahrung nach nicht mit der Ethnie oder dem kulturellen Hintergrund zusammenhingen, sondern „dass hier junge, männliche, alkoholisierte Täter in einem gruppendynamischen Geschehen zusammen kommen“.

Dass die Täter Flüchtlinge waren, hatte allerdings enorme Folgen: Am Neujahrstag zogen NPD-Mitglieder als „Bürgerwehr“ durch Amberg und stellten Fotos auf Facebook. Die CSU widmete sich bei ihrer Klausurtagung in Seeon dem Thema mit dem Schlagwort: „Vom 
Gefängnistor direkt zum Abfluggate.“ Seehofer legte weitere Asylverschärfungen vor, die aber bisher nicht umgesetzt wurden. Im Amberger Gerichtsumfeld gibt es eine Erklärung dafür, warum das Thema so hochgekocht ist: „Die erste Stufe waren die Medien.“ Und Thomas Graml, Pressesprecher der Stadt, sagt: „In den letzten Wochen ist das bei den Bürgern überhaupt kein Thema mehr gewesen, hier hat sich nichts verändert.“

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