Radsport: Die „Nacht von Hannover“: Strampeln für neue Glaubwürdigkeit

Hannover reanimiert ein Radrennen, das wegen Doping eingestellt wurde. Mitorganisator Grischa Niermann gestand einst, selbst illegale Mittel genommen zu haben

Helden wie Jan Ullrich machten die „Nacht von Hannover“ groß – und ihren Ruf schlecht wegen Doping Foto: dpa

HANNOVER taz | Seiner Rückkehr ins Rampenlicht sieht er entspannt entgegen. Grischa Niermann hat sich daran gewöhnt, dass es dieses böse Thema gibt, das sich nicht so leicht abschütteln lässt. „Es verfolgt mich, aber auch diese Wunden heilen“, sagt der frühere Radsportprofi. Dreieinhalb Jahre nachdem er tränenreich gestand, mit dem verbotenen Dopingmittel EPO seine Leistung gesteigert zu haben, ist Niermann wieder am Start.

Diesmal als Sportlicher Leiter bei der neuen „Nacht von Hannover“, einem Radrennen, das nach fünfjähriger Pause reanimiert wurde.

Männer wie Niermann, die mehrfach bei der Tour de France antraten und deshalb als Helden der Pedalen gelten, bleiben gefragt. Sie sind aber auch Kronzeugen für eine düstere Doping-Zeit. „Es sind viele Fehler gemacht worden. Das Image des Radsports hat extrem gelitten – vor allem in Deutschland“, gesteht Niermann.

Er selbst war zwischen 2000 und 2003 ein rasender Betrüger. Mittlerweile ist er 40 Jahre alt, lebt als Familienvater in Gehrden bei Hannover und weiterhin vom Radsport. Er arbeitet als Nachwuchstrainer in den Niederlanden und gilt als gefragter Experte. Dass er, der gefallene Held, beim Aufräumen und Saubermachen im Radsport hilft, mag einen faden Beigeschmack haben. Aber es ist auch ein Beitrag dazu, einer im Grunde gesunden Sportart auf die Beine zu helfen.

Der harte Kern der Radsportszene würde wohl selbst dann noch an der Strecke eines Rennens jubeln, wenn wirklich alle Fahrer gedopt wären. Insgesamt aber hat das Doping dem Sprot und damit auch das Rennen in Hannover unglaubwürdig gemacht. Den Machern der neuen „Nacht“ geht es gemeinsam mit Niermann darum, die Sportart zurück in die Glaubwürdigkeit zu navigieren.

Bei der früheren „Nacht von Hannover“, die zu Glanzzeiten dank des einstigen Radsportidols Jan Ullrich mehr als 60.000 Zuschauer anlocken konnte, stand Niermann 2007 ganz oben auf dem Siegertreppchen. Seine potenziellen Nachfolger heißen Marcel Kittel und André Greipel. Beide gehören zur internationalen Elite und waren eben noch bei der Tour de France am Start. Sie gelten als Vertreter einer neuen Radfahrergeneration, strampeln sich dafür ab, dass Zuschauer und Sponsoren ihnen wieder Vertrauen schenken und sind – hoffentlich – wirklich sauber.

Und doch werden solch prominente Starter nicht ausreichen, um Massen nach Hannover anzulocken. „Wir wollen in erster Linie wieder eine seriöse und vernünftige Veranstaltung auf die Beine bekommen“, sagt Michael Kramer, Pressesprecher der „Nacht“.

Den Machern der „Nacht“ geht es darum, eine von vielen Skandalen erschütterte Sportart zurück in die Glaubwürdigkeit zu navigieren

Der Etat des Rennens ist von rund 200.000 auf 120.000 Euro gesunken. Der Rundkurs, in diesem Jahr 850 Meter lang, führt nicht mehr um die Markthalle herum, sondern am Neuen Rathaus vorbei. Es geht nicht darum, gleich wieder das ganz Große zu vollbringen, sondern sich kleinlaut zurückzumelden. „Viele traditionsreiche Rennen in Deutschland gibt es leider nicht mehr. Aber wenn es welche gibt, sind immer jede Menge Zuschauer da“, sagt Niermann. und hofft auf den Erfolg.

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