Radverkehr: Auf der Zielgeraden

Gemeinsames Gesetz oder doch Volksentscheid? Beim Spitzentreffen der Rad-Aktivisten mit Verkehrssenatorin Günther dürfte sich zeigen, wohin die Reise geht.

Ist mehr als ein paar Logos auf die Straße zu pinseln: Radverkehrspolitik in Berlin Foto: dpa

Der Titel klingt eher nüchtern. „Dialog Radgesetz beginnt“, schreibt die Pressestelle der parteilosen, von den Grünen ins Amt geholten Senatorin Regina Günther über das, was am Mittwochmorgen in der Senatsverwaltung für Umwelt und Verkehr ansteht. Dabei ist das auf zweieinhalb Stunden angesetzte Gespräch mit der Initiative Fahrrad-Volksentscheid und den Koalitionsfraktionen weit mehr als ein bloßer Auftakttermin. Denn man muss erst wieder Vertrauen aufbauen: „Wir sind enttäuscht von den Grünen“, sagte Mitinitiator Heinrich Strößenreuther der taz.

Die Initiative hat ihre Forderungen neben das gelegt, was sich dazu im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag findet, und hat nur 20 Prozent Übereinstimmung gefunden. Das passt für Strößenreuther nicht damit zusammen, dass die Grünen im Sommer – vor der Parlamentswahl – die in einem Gesetzentwurf gesammelten Forderungen fast komplett übernahmen und ins Parlament einbrachten. „Die 80 Prozent Differenz müssen die Grünen erklären“, sagt Strößenreuther, „wir sind alles andere als zufrieden.“

Die Grünen-Fraktion, die nach einer Klausurtagung am Wochenende Mobilität und Radverkehr als einen ihrer Schwerpunkte bezeichneten, wies das von sich: Man habe eigentlich alle Forderungen der Initiative übernommen, hieß es.

Vor diesem Hintergrund ist durchaus nicht klar, ob es nicht doch (auch unter einer rot-rot-grünen Koalition) einen Volksentscheid über die Radforderungen gibt – vor allem Radwege und Stellplätze. Die Initiative drängt darauf, das der Senat endlich seine Prüfung abschließt, ob die Forderungen nun rechtskonform sind – was ja egal wäre, wenn man nicht daran dächte, weiter zu machen.

20.000 gültige Unterstützerunterschriften sind in der ersten Stufe der dreistufigen Volksgesetzgebung nötig – über 90.000 brachte im Frühsommer 2016 die Initiative für mehr Radwege und sonstige Verbesserungen für Radler zusammen. Das war weit mehr als jedes andere Volksbegehren. Und das in kaum vier Wochen statt zulässiger sechs Monate. Alle Parteien gerieten damit vor der Abgeordneten­hauswahl stark unter Druck, Radverkehr zu fördern. Darauf setzte auch die Initiative. Reicht ihr das nicht, müsste sie in einer zweiten Stufe rund 174.000 Unterschriften zusammenbekommen, um einen Volksentscheid zu erzwingen. (sta)

Ein noch unter der rot-schwarzen Regierung und dem jetzigen Innensenator Andreas Geisel (SPD) als Verkehrssenator in Auftrag gegebenes und im Januar bekannt gewordenes Gutachten hatte den Gesetzentwurf als nicht rechtskonform betrachtet. Die letztliche Entscheidung liegt aber bei der Senatsverwaltung für Inneres, also personell weiter bei Geisel. Seine Verwaltung konnte am Dienstag noch keinen Termin dafür nennen. „In Kürze“ soll es soweit sein, sagte sein Sprecher der taz.

Für Strößenreuther sollte das alles längst erledigt sein müssen: „Das ist der blanke Hohn, wie sich Rot-Rot-Grün hier zum Thema Partizipation verhält.“ Man habe die beanstandeten Passagen nachgebessert. Ein Sprecher von Senatorin Günther sagte der taz zur Erwartungshaltung für Mittwoch: „Wir hoffen, dass wir auf einen gemeinsamen Nenner kommen.“

Etwas unübersichtlich ist die Diskussion, weil beide Seiten von einem Radgesetz reden, aber bislang nicht dasselbe meinen: Es gibt einerseits den entsprechenden Gesetzentwurf der Initiative, andererseits das von der Koalition und Senatorin Günther angekündigte Rad-Gesetz. Das soll als Dach zudem ein Mobilitätsgesetz bekommen. Eigene Gesetze für die anderen Verkehrsarten Bus und Bahn, Fußgänger und Auto sind allerdings nicht geplant.

Mit-Initiator Strößenreuther

„Für eine Schmalspurvariante sind wir nicht angetreten“

Dem Mittwochtermin sollen drei weitere folgen, dann soll der Gesetzentwurf stehen. Ursprünglich hatte Günther angekündigt, dass das Parlament ihn bereits im März beschließen könnte. Die Initiative will laut Strößenreuther nach diesen Treffen klären, ob ihr das dabei Erreichte genügt: „Für eine Schmalspurvariante sind wir nicht angetreten.“ Das Volksbegehren weiter zu führen, wird sich die Initiative wohl so lange offen halten, bis ihre Forderungen mit einem Gesetz beschlossen sind, er spricht von „der Rückfallebene Volksentscheid“.

Den nötigenfalls parallel zur Bundestagswahl im September abzuhalten ist allerdings schon vom Zeitplan her nicht mehr möglich: Allein fürs Sammeln der für einen Volksentscheid nötigen 174.000 Unterschriften ist gesetzlich ein Zeitraum von vier Monaten festgeschrieben – selbst wenn diese Menge schon in vier Wochen zusammenkäme. Hinzu kommen Auszählung, Prüfung, Stellungsnahme von Senat und Abgeordnetenhaus. Ein Volksentscheid ist zwar nicht an eine Wahl gebunden, hat aber erfahrungsgemäß mehr Zulauf und dadurch größere Erfolgschancen. Die erste Stufe des Verfahrens im vergangenen Frühjahr zeigte allerdings, dass das Thema Rad derart bewegt, dass ein Volksentscheid nicht an unzureichender Beteiligung scheitern dürfte.

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