Reaktion auf Terroranschlag in Kaschmir: Indien bombt in Pakistan

Indien berichtet, es habe Terroristen im pakistanischen Teil Kaschmirs bombardiert. Pakistan spielt den Angriff herunter, droht aber mit Vergeltung.

Viele Menschen tragen pakistanische Flaggen und Plakate gegen Indien

„Hört auf, Unschuldige zu töten“ fordern anti-indische Demonstrant*innen in Pakistan Foto: ap

DELHI taz | Um 5 Uhr morgens Ortszeit hat der Sprecher des pakistanischen Militärs, Generalmajor Asif Ghafoor, einen indischen Angriff auf pakistanisches Gebiet vermeldet. Die indischen Streitkräfte hätten Bomben über dem pakistanischen Teil Kaschmirs abgeworfen. Es sei aber niemand zu Schaden gekommen.

In Indien twitterte der Landwirtschaftsminister Gajendra Singh Shekhawat: „Die Luftwaffe hat heute Morgen bei Balakot einen Luftangriff durchgeführt und ein Terrorcamp vollständig zerstört.“ Dabei sollen zahlreiche Terroristen getötet und zivile Opfer vermieden worden sein.

Angriffsziel soll ein Camp der Terrorgruppe Jaish-e Mohammad bei Balakot wesen sein. Die Gruppe hatte die Verantwortung für einen Selbstmordanschlag im indischen Teil Kaschmirs übernommen, bei dem am 14. Februar 41 Angehörige der paramilitärischen Polizeitruppe CRPF getötet wurden. Indien beschuldigt Pakistans Militärgeheimdienst ISI, hinter dem Angriff der Terrorgruppe zu stehen. Der jetzige Angriff sei ein Präventivschlag gewesen, um einen weiteren Anschlag zu verhindern.

Nach Angaben der indische Nachrichtenagentur ANI, die sich auf Quellen des Militärs beruft, sollen 12 Kampfflugzeuge Bomben abgeworfen haben. Es war die erste militärische Vergeltungsmaßnahme Indiens seit dem Vorfall am 14. Februar. Indiens Ministerpräsident Narendra Modi hatte direkt nach dem Anschlag dem Militär dafür freie Hand gegeben.

Wahlen in Indien im Mai

Laut des pakistanischen Militärsprechers Ghafoor gab es in Pakistan aber weder Verluste noch ernsthafte Schäden. Ghafoor zufolge hätten pakistanische Jets die indischen Flugzeuge abgefangen, die dann hektisch ihre Bomben bei Balakot abgeworfen hätten, ohne dabei Schäden anzurichten.

Balakot liegt außerhalb des pakistanischen Teils von Kaschmir in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, die indischen Bomber müssten also bereits tiefer in den pakistanischen Luftraum eingedrungen sein.

In Indien finden spätesten im Mai landesweiten Wahlen an. Deshalb befindet sich die hindunationalistische Regierung unter Handlungsdruck. Nach dem Anschlag kündigte sie zunächst an, Pakistan diplomatisch zu isolieren. Seitdem spitzt sich der Konflikt zwischen den beiden Atommächten aber weiter zu.

Premierminister Modi drohte bereits vergangene Woche, dass die Attentäter ihrer Bestrafung nicht entgehen könnten. Stimmen unter Hindunationalisten wurden lauter, die eine Vergeltung forderten. Es kam in verschiedenen indischen Städten zu Anti-Pakistan-Protesten. Bürger aus der Grenzregion Kaschmir, die beide Staaten seit Gründung Pakistans 1947 für sich beanspruchten, wurden zum Teil attackiert.

Islamabad droht mit „wirksamer Antwort“

Auf pakistanischer Seite warnte Premierminister Imran Khan vor „Vergeltungsmaßnahmen, ohne nachzudenken“. Jetzt kündigte der Militärsprecher eine „baldige und wirksame Antwort“ der pakistanischen Luftwaffe an.

Das Verhalten beider Seiten ist zweifellos ein Spiel mit dem Feuer. Doch dient es in erster Linie der Gesichtswahrung. Indiens Regierung steht unter Druck, auf den Anschlag reagieren zu müssen. Gleichwohl soll daraus kein Krieg zwischen den Atommächten entstehen.

Pakistans Militär kann sich von Indien nicht vorführen lassen, will gleichzeitig aber auch nicht wegen ein paar Bomben, die nicht das Militär getroffen haben, einen Krieg vom Zaun brechen.

So entsprechen die jetzigen Reaktionen – unabhängig von den umstrittenen wirklichen Ereignissen – zunächst den Interessen beider Seiten: Indien kann behaupten, sich erfolgreich gewehrt zu haben, während Pakistan sich als wachsam darstellt und seinerseits argumentiert, es sei ja eigentlich nichts passiert, was eine Eskalation rechtfertige. Nach einem ähnlichen Muster hatten beide Länder bereits 2016 nach einem Terroranschlag reagiert.

Offen ist, ob beide Seiten auch weiterhin einen halbwegs kühlen Kopf behalten oder sich zu schärferen Maßnahmen provozieren lassen.

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