Reaktionen auf Wulffs Rücktritt: Linke wollen auch mitreden

Die Opposition begrüßt den Rücktritt von Wulff und Merkels Angebot, zusammen einen Nachfolger zu finden. Doch es wird auch Kritik an der Kanzlerin laut.

Hier stimmt doch was nicht. Suchen Sie die Fehler im Bild. Bild: ipon/ Stefan Boness

BERLIN taz/dapd | Nach der Erklärung von Christian Wulff hat der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer dem zurückgetretenen Bundespräsidenten "ungeteilten Respekt" gezollt: "Mit diesem Schritt rückt Christian Wulff die Würde und die Bedeutung des höchsten Staatsamtes an die erste Stelle", erklärte Seehofer. "Niemand hat sich diesen bedauerlichen Gang der Dinge gewünscht. Aber alle sind jetzt dazu aufgerufen, dieser Situation gerecht zu werden und mit Achtung vor dem Amt des Bundespräsidenten zu handeln."

Der FDP-Bundesvorsitzende Philipp Rösler hat den Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff mit "größtem Respekt" zur Kenntnis genommen. Wulff ziehe damit die notwendigen Konsequenzen aus dieser "schwierigen Situation", sagte Rösler am Freitag in Stuttgart. Es gelinge damit, weiteren Schaden vom höchsten Staatsamt fernzuhalten. "Wir danken Christian Wulff für seine Arbeit als Bundespräsident", sagte der Wirtschaftsminister. Rösler kündigte an, die Koalitionsparteien würden sich "umgehend zusammensetzen", um einen geeigneten Kandidaten für die Nachfolge Wulffs zu finden. "Danach werden wir auf die anderen Parteien zugehen", sagte der FDP-Chef.

Außenminister Guido Westerwelle zollt dem Rücktritt von Christian Wulff Respekt. "Ich respektiere die Entscheidung des Herrn Bundespräsidenten", sagte der FDP-Politiker am Freitag bei einem Besuch in der peruanischen Hauptstadt Lima. Wulffs großes Thema sei die Integration von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religionen in Deutschland gewesen. Damit habe er sich nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland große Verdienste erworben. "Wir wollen diese Arbeit fortsetzen", sagte Westerwelle. Das sei auch für das Ansehen Deutschlands in der Welt von großer Bedeutung.

Auf die Frage nach dem Einfluss der Wulff-Affäre auf das Deutschland-Bild im Ausland sagte Westerwelle: "Deutschland genießt eine sehr hohes Ansehen in der Welt, auch und gerade, weil wir wissen, wie man mit schwierigen Situationen umgeht." Die demokratischen Institutionen in Deutschland seien zuverlässig. "Das weiß man in der Welt." Die Fortsetzung der Arbeit am Thema der gesellschaftlichen Integration werde weiteres Ansehen bringen. Der deutsche Chefdiplomat ist derzeit auf einer längeren Lateinamerika-Reise unterwegs. Westerwelle hatte seinen Besuch am Montag in Brasilien gestartet und war von dort aus nach Peru weitergeflogen. Es folgen Stationen in Panama und Mexiko. Der Minister wird am Dienstag zurück in Berlin erwartet.

Reaktionen SPD

Der schleswig-holsteinische SPD-Landesvorsitzende Ralf Stegner sprach sich für einen gemeinsamen Kandidaten von Union und Opposition aus: "Kanzlerin Merkel hat die letzten zwei Kandidaten ausgesucht und ist damit gescheitert", sagte Stegner der taz. "Jetzt muss der Vorschlag ein gemeinsamer sein".

SPD-Chef Sigmar Gabriel bot Merkel "offene und faire Gespräche ohne parteitaktische Vorfestlegungen" an. "Wir brauchen eine Persönlichkeit, die die Reputation des Amtes wiederherstellt", sagte Gabriel der Goslarschen Zeitung und fügte hinzu: "Wir tragen alle mit, die das können."

Die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles begrüßte "das Angebot von Bundeskanzlerin Angela Merkel, einen gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten zu finden". SPD und Grüne hatten Merkel zuvor aufgefordert, sich diesmal für einen überparteilichen Kandidaten zu entscheiden.

Unmittelbar nach dem Rücktritt hat der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD im Bundestag, Thomas Oppermann, das Gesprächsangebot der Bundeskanzlerin über einen Nachfolger begrüßt. "Wir sind zu Gesprächen bereit", sagte er am Freitag in Berlin. "Das setzt aber voraus, dass es in der Koalition keine Vorfestlegung auf einen Kandidaten gibt." Die Gespräche müssten offen geführt werden, sagte er. "Es darf keinen parteipolitischen Alleingang geben."

Reaktionen Grüne

Die Grünen dringen auf eine schnelle Beratung über die Nachfolge für den zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff. Seine Partei begrüße es, dass Bundeskanzlerin Merkel bereit zu überparteilichen Gesprächen sei, sagte Parteichef Cem Özdemir am Freitag in Berlin. Einen entsprechenden Vorschlag hätten die Grünen der Kanzlerin nach der Rücktrittserklärung Wulffs per Brief zukommen lassen.

"Wir wollen, dass diese Gespräche so schnell wie möglich stattfinden", sagte er. Ziel müsse jetzt sein, einen Bundespräsidenten zu finden, der breit getragen wird "von den im Bundestag vertretenen Parteien und Fraktionen, aber auch breit in der Gesellschaft Verankerung finden." Mit Namen sollte man sich jedoch zunächst noch zurückhalten. Wulffs Entscheidung zum Amtsverzicht hält der Grünen-Politiker indes für folgerichtig: "Der Rücktritt des Bundespräsidenten war der einzig noch mögliche Schritt", sagte Özdemir.

"Wir begrüßen, dass Angela Merkel sich unserem Vorschlag angeschlossen hat, in dieser Situation einen breit getragenen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten zu suchen", erklärten auch die Grünen-Fraktionschefs Renate Künast und Jürgen Trittin. "Nachdem nun innerhalb von zwei Jahren zwei Bundespräsidenten ihre Amtszeit durch vorzeitigen Rücktritt beendeten, liegt es im Interesse aller demokratischen Parteien, dem besorgniserregenden Ansehensverlust des höchsten Amts im Staat entgegen zu wirken", hieß es in der Erklärung weiter.

Auch Baden-Württembergs grüner Regierungschef Winfried Kretschmann hat den Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff begrüßt. "Der Schritt war unausweichlich. Nur so konnte weiterer Schaden vom Amt des Bundespräsidenten abgewendet werden", sagte Kretschmann am Freitag in Stuttgart laut Mitteilung. "Ich bin erleichtert über den Rücktritt von Bundespräsident Wulff."

Linkspartei fühlt sich übergangen

Der thüringische Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag Bodo Ramelow kritisierte Merkels Ankündigung einer gemeinsamen Kandidaten-Suche mit SPD und Grünen. "Ich habe zur Kenntnis genommen, dass sich die Kanzlerin mit allen Parteien außer der Linken über einen neuen Kandidaten zu verständigen sucht", sagte Ramelow der taz. "Damit erklärt diejenige, die in ihrer Amtszeit für zwei Bundespräsidenten-Rücktritte die Verantwortung trägt, das Amt zur politischen Beute. Diese Art des Postenschacherns beschädigt das Amt endgültig."

Auch Linke-Chef Klaus Ernst forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, einen überparteilichen Kandidaten für das Bundespräsidentenamt vorzuschlagen. "Wir bräuchten einen Kandidaten, der von allen akzeptiert werden kann. Das wäre jetzt Aufgabe der Kanzlerin, so einen Vorschlag zu machen", sagte Ernst beim zweiten Parlamentariertag der Linken in Kiel. Die Linken seien gesprächsbereit.

Die Piratenpartei verlangt nach dem Rücktritt von Christian Wulff eine schonungslose Aufklärung aller Vorwürfe gegen das Staatsoberhaupt. "Der Verdacht der Vorteilsnahme im Amt wiegt schwer", sagte der stellvertretende Parteivorsitzende, Bernd Schlömer am Freitag in Berlin. Er fügte hinzu: "Unabhängig vom Rücktritt muss es zu einer gründlichen Aufklärung der Vorwürfe kommen."

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