Recherche über Atomwaffenprogramm: Streit um Akten in Privatarchiven

Eine Journalistin will Dokumente über die deutsche Unterstützung der israelischen Atompolitik einsehen. Das Verfassungsgericht macht ihr Hoffnung.

Zwei Menschen stehen vor einer Rakete

Israels militärische Abwehrstrategie erhielt deutsche Unterstützung (Archivbild 2010) Foto: reuters

FREIBURG taz | Das Bundeskanzleramt könnte verpflichtet sein, von der Konrad-Adenauer-Stiftung die Herausgabe „privatisierter“ Akten zu verlangen. Darauf wies jetzt das Bundesverfassungsgericht in einem Grundsatzverfahren hin. Es erklärte eine entsprechende Klage aber für noch nicht entscheidungsreif.

Klägerin ist die Journalistin Gaby Weber, die schon seit Jahren über die „Aktion Geschäftsfreund“ recherchiert. Dahinter verbirgt sich ein geheimer 630-Millionen-DM-Kredit, mit dem die Bundesrepublik in den 1960er Jahren das israelische Atomwaffenprogramm in der Wüste Negev finanzierte. Drahtzieher auf deutscher Seite waren Hans Globke, Staatssekretär im Kanzleramt, und Hermann Josef Abs, Chef der Deutschen Bank. Beide waren auch für die „Wiedergutmachungs“-Verhandlungen mit Israel zuständig.

Webers Problem: Viele Akten der damaligen Zeit stehen nicht im Bundesarchiv, wo sie eigentlich hingehören. Vielmehr haben Globke und Abs sie nach ihrer Amtszeit „privatisiert“. Und nach dem Tod beider landeten die Unterlagen bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (Globke) und beim Historischen Institut der Deutschen Bank (Abs). Dort erhielt Weber aber nur teilweise oder gar keinen Einblick.

Die Journalistin berief sich nun auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) und klagte gegen die Bundesrepublik: Das Bundesarchiv solle sich die Unterlagen besorgen. Die Verwaltungsgerichte lehnten das aber durch alle Instanzen ab. Das Bundesarchiv sei gesetzlich nicht verpflichtet, archivwürdige Unterlagen zu beschaffen.

Die Verwaltungsgerichte müssen entscheiden

Gegen diese Bescheide erhob Weber Verfassungsbeschwerde; ihr Grundrecht auf Informa­tionsfreiheit sei verletzt. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts lehnte die Klage nun aber als „unzulässig“ ab. Weber habe es versäumt, einen Antrag beim Bundeskanzleramt zu stellen. Während das Bundesarchiv die Akten noch nie besaß, könnte es eine „Wiederbeschaffungspflicht“ des Kanzleramts für seine Akten geben. Dies müssten nun aber zunächst die Verwaltungsgerichte entscheiden, so Karlsruhe.

Das Verfahren hat Bedeutung auch im Streit um Kohls Nachlass

Dabei machen die Richter der Journalistin mit einigen Hinweisen durchaus Hoffnung. So betonen sie, dass staatliche Akten auch dann staatliche Akten sind, wenn sie bei einer privaten Stiftung liegen. Als Eigentümer könnte die Bundesrepublik Herausgabe verlangen. Eine Wiederbeschaffungspflicht bestehe auch, wenn jemand Akten einsehen will, die die Behörde verliehen hat. Zu berücksichtigen sei auch die Pflicht zur Gleichbehandlung. Nur wenn Akten beim Staat liegen, könne die Öffentlichkeit diskriminierungsfrei zugreifen, während Stiftungen selbst entscheiden dürfen, wem sie Zugang gewähren.

Das Verfahren hat grundsätzliche Bedeutung, auch wenn es wohl noch Jahre bis zu einer endgültigen Klärung dauern wird. Seine Relevanz zeigt sich aktuell auch im Streit um den politischen Nachlass von Altkanzler Helmut Kohl, der derzeit noch von Kohls Witwe Maike Kohl-Richter verwaltet wird. Ansprüche erheben sowohl das Bundesarchiv als auch die Konrad-Adenauer-Stiftung; der Bund erwägt die Gründung einer eigenen Stiftung wie für andere Exkanzler, und auch Kohls Witwe hat die Gründung einer Stiftung angekündigt. (Az.: 1 BvR 1978/13)

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