Rechte Kampagnen: Angriff auf NGOs
Rechte und Konservative schießen sich neuerdings auf Organisationen der Zivilgesellschaft ein. NGOs werden dabei als parteiisch diffamiert.

R echte bilden heute eine seltsame Internationale: eine Internationale der Nationalisten. Diese manifestiert sich nicht zuletzt im Zirkulieren ihrer Themen.
So ist etwa auch in Deutschland und in Österreich das angekommen, was Autokraten weltweit tun: Sie nehmen NGOs ins Visier.
In Österreich hat nun die FPÖ mit einer Flut von mehr als 2.000 Fragen zu rund 700 NGOs etliche Ministerien überschwemmt. Unter dem Motto: „Wie viele Steuermillionen verschlingt das NGO-Business in Österreich?“
Und wenn der österreichische Bundeskanzler daraufhin eine Prüfung verspricht. Wenn er die Parole ausgibt: „Keine Förderungen ohne echten Nutzen“, was auch immer ein solcher ist. Dann fügt er sich nicht nur in den Generalverdacht gegen den gemeinnützigen Sektor ein. Dann spinnt er das weiter, was Friedrich Merz schon vor einem halben Jahr vorgab: Damals noch in der Opposition, stellte die Union 551 Fragen zu Förderungen für NGOs mit dem Tenor: Sind diese gemeinnützig? Und meinte: Sind diese links?
Warum aber schießen sich Rechte und Konservative auf Organisationen der Zivilgesellschaft ein? Warum diffamieren sie diese als „Parallelregierung“ und unterstellen ihnen „Meinungsmache“?
Moralische Zielsetzungen
NGOs, also nicht staatliche, zivilgesellschaftliche Verbände, sind private Organisationen ohne öffentliches Mandat. Sie haben moralische Zielsetzungen: Leid lindern, die Interessen von Armen, von Schwachen vertreten, Umweltschutz, soziale Dienste. Es sind also private Organisationen für das Gute, für Gerechtigkeit. Private politische Akteure.
NGOs waren einmal die avancierteste Form der politischen Organisation. Eine befreiende Artikulation von politischem Engagement. Keine schwerfälligen, hierarchischen Disziplinarinstitutionen wie Parteien, die als Teil des korrupten Machtsystems galten.
Genau dagegen wurden NGOs in den 1980er Jahren in Stellung gebracht: als neues Medium, das unmittelbare Beteiligung, direkte Partizipation, Wissensakkumulation, effizientes, sinnvolles Tun versprach. Ein Ort, wo sich autonome Subjekte, vernünftige Bürger selbstbestimmt verwirklichen sollten. So das Ideal. Weder profitorientiert noch korrupt waren sie der Traum vom sauberen politischen Handeln. NGOs bedeuteten Glaubwürdigkeit und moralische Kraft.
Professionalisierung statt freiwilligen Engagements
Aber das große Versprechen der NGOs greift längst nicht mehr in dieser Form. Ihr Auftrag des Gemeinnutzens, ihr moralisches Mandat der Solidarität entspricht nicht mehr der Sehnsucht der Zeit. Ebenso wenig wie ihre Form des freiwilligen Engagements mündiger Bürger. Dies ist einer Professionalisierung gewichen.
Was aber ist es, dass sie ausgerechnet heute, nach ihrer Hochblüte, zur Zielscheibe der Rechten macht?
Antwort darauf gibt ein Video von Nius-Gründer Julian Reichelt – das ihn als Stichwortgeber der FPÖ erweist.
Laut Reichelt ist die Bezeichnung NGO nichts als ein Etikettenschwindel. Denn diese handelten eigentlich „im Auftrag der Regierung“. Man solle nicht merken, dass man es mit der Regierung zu tun habe. Letztere würde NGOs die Schmutzarbeit überantworten – befreit von Regeln und Gesetzen. Von daher rührt die erstaunliche Diffamierung von NGOs als „Schattenregierung“.
NGOs werden umcodiert
In diesem Narrativ werden NGOs in ihr exaktes Gegenteil verkehrt: Diese seien nicht unabhängig, sondern parteiisch. Das Wort vom „NGO-Komplex“ unterstellt unterschiedlichste Organisationen (vom Roten Kreuz bis zu Omas gegen rechts) als zentral gesteuert.
Jede Bildungsarbeit, jede Aufklärung wird als Umerziehung, Einschüchterung, Überwachung verleumdet. Kurzum – nach freier Presse, kritischer Wissenschaft, unabhängigen Gerichten werden nun NGOs umcodiert: aus einem politischen Gegengewicht in Söldner, Auftragsarbeiter der Regierung – von Menschenrechtsgruppen bis zu Umweltverbänden.
All dieser Aufwand, um NGOs zu delegitimieren, diffamieren, finanziell auszutrocknen, lässt eine Vermutung zu: Die Attacken machen deutlich, dass NGOs offenbar noch Reste ihres moralischen Nimbus haben. Dieser Restnimbus von politischen Akteuren mit sauberen Händen wirkt scheint’s immer noch.
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