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Rechte KampagnenAngriff auf NGOs

Rechte und Konservative schießen sich neuerdings auf Organisationen der Zivilgesellschaft ein. NGOs werden dabei als parteiisch diffamiert.

FPÖ-Chef Herbert Kickl wird im Januar zum Wahlkampfauftakt der AfD eingeblendet Foto: Hendrik Schmidt/dpa

R echte bilden heute eine seltsame Internationale: eine Internationale der Nationalisten. Diese manifestiert sich nicht zuletzt im Zirkulieren ihrer Themen.

So ist etwa auch in Deutschland und in Österreich das angekommen, was Autokraten weltweit tun: Sie nehmen NGOs ins Visier.

In Österreich hat nun die FPÖ mit einer Flut von mehr als 2.000 Fragen zu rund 700 NGOs etliche Ministerien überschwemmt. Unter dem Motto: „Wie viele Steuermillionen verschlingt das NGO-Business in Österreich?“

Und wenn der österreichische Bundeskanzler daraufhin eine Prüfung verspricht. Wenn er die Parole ausgibt: „Keine Förderungen ohne echten Nutzen“, was auch immer ein solcher ist. Dann fügt er sich nicht nur in den Generalverdacht gegen den gemeinnützigen Sektor ein. Dann spinnt er das weiter, was Friedrich Merz schon vor einem halben Jahr vorgab: Damals noch in der Opposition, stellte die Union 551 Fragen zu Förderungen für NGOs mit dem Tenor: Sind diese gemeinnützig? Und meinte: Sind diese links?

Warum aber schießen sich Rechte und Konservative auf Organisationen der Zivilgesellschaft ein? Warum diffamieren sie diese als „Parallelregierung“ und unterstellen ihnen „Meinungsmache“?

Moralische Zielsetzungen

NGOs, also nicht staatliche, zivilgesellschaftliche Verbände, sind private Organisationen ohne öffentliches Mandat. Sie haben moralische Zielsetzungen: Leid lindern, die Interessen von Armen, von Schwachen vertreten, Umweltschutz, soziale Dienste. Es sind also private Organisationen für das Gute, für Gerechtigkeit. Private politische Akteure.

NGOs waren einmal die avancierteste Form der politischen Organisation. Eine befreiende Artikulation von politischem Engagement. Keine schwerfälligen, hierarchischen Disziplinarinstitutionen wie Parteien, die als Teil des korrupten Machtsystems galten.

Genau dagegen wurden NGOs in den 1980er Jahren in Stellung gebracht: als neues Medium, das unmittelbare Beteiligung, direkte Partizipation, Wissensakkumulation, effizientes, sinnvolles Tun versprach. Ein Ort, wo sich autonome Subjekte, vernünftige Bürger selbstbestimmt verwirklichen sollten. So das Ideal. Weder profitorientiert noch korrupt waren sie der Traum vom sauberen politischen Handeln. NGOs bedeuteten Glaubwürdigkeit und moralische Kraft.

Professionalisierung statt freiwilligen Engagements

Aber das große Versprechen der NGOs greift längst nicht mehr in dieser Form. Ihr Auftrag des Gemeinnutzens, ihr moralisches Mandat der Solidarität entspricht nicht mehr der Sehnsucht der Zeit. Ebenso wenig wie ihre Form des freiwilligen Engagements mündiger Bürger. Dies ist einer Professionalisierung gewichen.

Was aber ist es, dass sie ausgerechnet heute, nach ihrer Hochblüte, zur Zielscheibe der Rechten macht?

Antwort darauf gibt ein Video von Nius-Gründer Julian Reichelt – das ihn als Stichwortgeber der FPÖ erweist.

Laut Reichelt ist die Bezeichnung NGO nichts als ein Etikettenschwindel. Denn diese handelten eigentlich „im Auftrag der Regierung“. Man solle nicht merken, dass man es mit der Regierung zu tun habe. Letztere würde NGOs die Schmutzarbeit überantworten – befreit von Regeln und Gesetzen. Von daher rührt die erstaunliche Diffamierung von NGOs als „Schattenregierung“.

NGOs werden umcodiert

In diesem Narrativ werden NGOs in ihr exaktes Gegenteil verkehrt: Diese seien nicht unabhängig, sondern parteiisch. Das Wort vom „NGO-Komplex“ unterstellt unterschiedlichste Organisationen (vom Roten Kreuz bis zu Omas gegen rechts) als zentral gesteuert.

Jede Bildungsarbeit, jede Aufklärung wird als Umerziehung, Einschüchterung, Überwachung verleumdet. Kurzum – nach freier Presse, kritischer Wissenschaft, unabhängigen Gerichten werden nun NGOs umcodiert: aus einem politischen Gegengewicht in Söldner, Auftragsarbeiter der Regierung – von Menschenrechtsgruppen bis zu Umweltverbänden.

All dieser Aufwand, um NGOs zu delegitimieren, diffamieren, finanziell auszutrocknen, lässt eine Vermutung zu: Die Attacken machen deutlich, dass NGOs offenbar noch Reste ihres moralischen Nimbus haben. Dieser Restnimbus von politischen Akteuren mit sauberen Händen wirkt scheint’s immer noch.

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18 Kommentare

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  • So sehr ich die Beschreibung des Umettiketierungsprozesses auch nachvollziehen kann, so bleibt doch die Frage nach dem "warum" weiter im Raum. Reichelt und Co. glauben doch nicht wirklich, dass die "Omas gegen rechts" ein verkapptes Sprachrohr der politischen Eliten sind. Soviel Realitätswahrnehmung würde ich da einfach mal unterstellen. Wir können in den USA das Playbook nachvollziehen, nachdem es ablaufen soll. Alle nicht-konformen Institutionen (Fed/NGO's/Medien/Unis/Behörden/Gerichte/Kanzleien) werden dort systematisch angegriffen. Schon bevor eine AfD zusammen mit einem rechten Flügel der CDU politische Macht hat werden etwaige Widerstände abgeräumt. Ein Teilerfolg hat sich bereits eingestellt, wenn die eigene Anhängerschaft gegen Wortmeldungen dieser Organisationen "geimpft" ist oder Organisationen im Kampf gegen Rechtsextremismus sich nicht mehr trauen konkreten politischen Maßnahmen zu kritisieren, aus Angst vor dem Vorwurf der "Parteilichkeit" und damit verbundenen Mittelkürzungen.

  • Die Zeit hat Sehnsüchte? Das wäre mir neu! Menschen haben Sehnsüchte. Und zwar sehr unterschiedliche.

    Manche Menschen reden nicht gern über ihre Sehnsüchte. Weil sie wissen, dass das kontraproduktiv wäre. Wer etwa eine NGO kapert, weil sie grade als erfolgreich gilt und also als Vehikel missbrauch werden kann, wird einen Teufel tun zu sagen, dass seine Sehnsucht weniger auf den Gemeinnutzen zielt, als vielmehr auf einen ganz privaten Profit, sei der nun finanzieller oder sozio-kultureller Art.

    Wer erwartet von „mündigen Bürgern“, dass sie sich unentgeltlich engagieren zum Nutzen einzelner Egoisten, wenn mit einem Engagement auch noch das glatte Gegenteil dessen erreicht wird, was ursprünglich gewollt war? Ich jedenfalls nicht. Und viele andere Leute offenbar genau so wenig.

    Die Frage: „Was willst du?“ hat die Zeit nie beantwortet. Die Frage „Wem nutzt es?“ hingegen schon. Sie unterscheidet dabei zwischen kurz-und langfristigem Nutzen. Zu einer „Professionalisierung“ etwa, die vor allem eine Privatisierung ist, hat sie schon sehr viel gesagt. Die Leute mit der Entscheidungsgewalt hören nur leider nie zu. Man nennt das die Arroganz der Macht, hab’ ich mir sagen lassen.

  • Wie wäre es anzuerkennen, dass auch bei besten Absichten aller genau diese Gefahr besteht:



    Der Staat verteilt Geld an Organisationen für Aktivitäten, die die Regierung nicht betreiben darf?



    Es gibt gute Gründe, Parteienfinanzierung gut zu überwachen.



    Bei Fördermitteln ist das noch wichtiger: Denn es geht nicht nur um die Verbindung von Politik mit Geld, sondern mit dem Geld des Staates, also unser aller.



    Es fällt mir auf, dass der (Ehren-?)Titel NGO hier recht eingeschränkt vergeben wird. Viele Vereine haben gesellschaftliche Zwecke, tauchen weder in den Positiv- noch in den Negativlisten auf, z.B. der VDK, das Rote Kreuz, der ADAC, die Träger der Städtepartnerschaften und viele mehr. "NGO" und "Zivilgesellschaft" trifft da genau so zu.



    Natürlich begnügen sich viele Vereine mit ihren eigenen Einnahmen und erhalten nur im Ausnahmefall streng zweckgebundene Fördermittel, die dann auch wieder weg sind. Die Erfahrung in In- und Ausland lehrt, dass es der beste Weg für eine demokratische Gesellschaft ist, möglichst wenig Abhängigkeit von Staatsgeld aufkommen zu lassen?



    So nämlich schaffen sich korrupte Herrscher Freunde. Besser, solche Strukturen gar nicht aufkommen zu lassen.

  • Als Steuerzahler verlange ich sogar dass geprüft wird wofür mein Steuergeld ausgegeben wird und was genau der Empfänger damit macht. Alles andere ist grob fahrlässig.

  • Was ist mit dem Bund der Steuerzahler? Ist das eine NGO?

    • @Peter Schütt:

      Nicht nur das, er ist sogar gemeinnützig. Sie können also Ihre Spende von der Steuer absetzen. Das trifft sich gut, da dessen Mitglieder besonders ungerne Steuern zahlen.

    • @Peter Schütt:

      Der "Bund der Steuerzahler" ist ein Lobbyverein. Ähnlich der INSM. Arbeitet eng koordiniert mit anderen Lobbyvereinen zusammen.

      lobbypedia.de/wiki...d_der_Steuerzahler

    • @Peter Schütt:

      Glaube ja, oder ist diese FDP noch irgendwo vertreten?

  • Das Problem ist doch, dass sich NGO's nicht mehr an das Korsett der Gemeinnützigkeit gebunden gefühlt, sondern darüber hinaus (Partei-)Politik gemacht haben. Zuletzt haben sie Parteien direkt offen kritisiert. Daher ist es richtig und wichtig, die staatliche Finanzierung (durch Begünstigung von Spenden) in Frage zu stellen. Attac und Compact sind nicht mehr begünstigt und wenn Greenpeace jetzt Rechtsgutachten zur Wehrpflicht in Auftrag gibt, dann sollte auch da mal genauer hingesehen werden.

    Wer allgemeine Politik machen möchte, kann eine Partei gründen oder muss halt auf die staatliche Unterstützung verzichten.

    • @DiMa:

      Gemeinnützigkeit kann man auch so verstehen, dass man sich als Organisation gegen die Zusammenarbeit mit Rechtsextremen stark macht. Wären diese Stimmen in der deutschen Geschichte immer so stark gewesen, wären uns vermutlich einige Peinlichkeiten* erspart geblieben. Und wenn die CDU (wie damals) ganz offen mit der AfD zusammen abstimmen möchte, dann ist es relativ sinnlos Kritik daran einfach nur gegen eine Mauer zu brüllen. Die Zusammenarbeit mit Rechtesextremen ist ein Novum und man hat in dieser Situation sicherlich eine "Überparteilichkeit" vernachlässigt, weil es mit den zentralen Zielen der Organisation (und denen der Gesellschaft in den vergangenen 80 Jahren) nicht vereinbar war. Daraus aber "die NGO's sind Parteiorgane der Links/Grünen" zu machen ist eine aberwitzige Verzerrung, die auch nicht wahrer wird, umso öfter sie wiederholt wird.

      Man stellt nicht den ADAC oder den Bund der Steuerzahler in Frage, sonder die Institutionen, die der regierenden Partei offen widersprechen... mir fällt leider gerade das Wort dafür nicht mehr ein

      *ironisch gemeinte Untertreibung

    • @DiMa:

      Attac und Compact sind nicht mehr gemeinnützig, aber diverse rechtsradikale oder Desinformation betreibende Vereine schon. Z.B.



      - Verein Gedächtnisstätte



      de.wikipedia.org/w...4chtnisst%C3%A4tte



      - EIKE



      de.wikipedia.org/w..._Klima_und_Energie

      Aber das ist natürlich unzweifelhaft Zufall.

      "Wer allgemeine Politik machen möchte, kann eine Partei gründen oder muss halt auf die staatliche Unterstützung verzichten."

      Aber nur, wenn eine Organisation politisch eher links ausgerichtet ist. Ist sie rechts, rechtsextremistisch oder wissenschaftsfeindlich (s.o.), gibt der Satz nicht, gell?

    • @DiMa:

      Klaro, daher ist auch die "Stiftung Familienunternehmen" gemeinnützig, die u.a. damit wirbt "... Und genau hinzuschauen ist wichtig. Mit einem wachen Blick. Klar und differenziert. ...".



      Bei dem einseitigen Mist den die aus purem Eigennutz verbreiten und den Einfluss den sie auf die Politik ausüben hätte denen die Gemeinnützigkeit schon lange entzogen werden müssen.



      Stattdessen geschieht dies bei Attac und Campact und weil dies durch die Regierung erfolgt ist wiederlegt das ja gerade die These letztgenannte NGOs wären regierungsnah.



      Da steht die INSM als GmbH von Gesamtmetall ja schon fast ehrlich da, da weiß man gleich, das die was gegen Arbeitnehmer haben.

      • @Axel Schäfer:

        Mir wäre neu, das die genannte Stiftung Fördermittel für Ihre Kampagnen vom Staat für Projekte erhält?

        • @Dromedar:In:

          Die bekommen doch alle keine direkten Fördermittel vom Staat, da ist die Gemeinnützigkeit, also steuerliche Absetzbarkeit der Spenden die Förderung.

    • @DiMa:

      "... dass sich NGO's nicht mehr an das Korsett der Gemeinnützigkeit gebunden gefühlt, sondern ..."

      ***Mann, Sieber (ZDF): Gemeinnützigkeit*** www.youtube.com/watch?v=XjDARjpFBYw

    • @DiMa:

      Ist das Problem aber, dass die NGOs dies gemacht haben, oder, dass das Korsett überhaupt existiert?

      Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Thema, was wichtig und allgemein genug ist, um als gemeinnützig anerkennt zu werden, nicht von wenigstens einer Partei schon zum politisches Thema gemacht wurde?

      Wenn eine NGO für Tierwohl einsetzt, ist sie dadurch gegen industrielle Viehzucht, was heutzutage halt konventionelle Fleischproduktion ist, und gegen der Unionsparteipolitik.

      Wenn eine sich für Demokratie einsetzt, positioniert sie sich dadurch gegen faschistische Parteien.

      Wenn eine gegen Mühl auf der Straße ist und es leid ist das selber die ganze Zeit zu sammeln, ist es logisch zu lobbyen für Gesetze. 100 % dass die FDP aber lieber mehr Müll hat als mehr Regel für Unternehmen.

    • @DiMa:

      Damit ist eigentlich alles gesagt. Dankeschön

  • NGOs sind für die Rechten zu einem Symbol der Flüchtlingspolitik geworden. So manche hat selber ein Rettungsboot betrieben und dafür viel Missgunst von der Seite erhalten.



    Und auch die die nicht direkt selber gerettet haben, sind im rechten Nimbus meist eher als Links angesehen, und wenn man schon nicht direkt deren Tätigkeitsfeld kritisieren kann, geht es immer noch darum "den Linken" den Zugang zu den Futtertrögen zu verwehren. Gegen NGOs vorzugehen ist im rechten Glaubensspektrum also eigentlich fast immer als positiv gesehen.



    Und dann können die sich auch noch schlecht wehren, sind also einfache und fast immer lohnende Gegner. Es ist daher damit zu rechnen das weiter gegen sie vorgegangen wird, möglicherweise auch noch intensiver.

    Man will den Leuten gar nicht mehr auf politischer Ebene begegnen und dort bekämpfen, Linke sollen insofern weg, als das sie keine Möglichkeiten mehr haben. Sie sollen also kein Geld mehr haben und keines verdienen.