Rechte Krawalle in Köln: Alles super gelaufen vor dem Dom

Die Einsatzleitung in Köln lobt sich. Die parlamentarische Opposition jedoch wirft der Polizei vor, unter Realitätsverlust zu leiden.

Klaus Rüschenschmidt, Einsatzleiter der Polizei, auf der Pressekonferenz in Köln. Bild: dpa

BERLIN taz | Am Tag danach ist alles nicht mehr ganz so schlimm. Das ist das Fazit, das Polizei und NRW-Innenministerium nach den Krawallen Tausender gewalttätiger Hooligans und Neonazis in Köln gezogen haben. „Wir waren angemessen und gut aufgestellt“, sagte Einsatzleiter Klaus Rüschenschmidt auf einer Pressekonferenz im Kölner Polizeipräsidium. Seine Beamten hätten „durch gute Vorbereitung und taktisch kluges Vorgehen Schlimmeres verhindert“, lobte Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers.

Laut Polizeiangaben zogen am Sonntag rund 4.800 Hooligans und Neonazis durch die Domstadt. Ihnen gegenüber standen 1.300 Polizisten. Auf einen Beamten kamen also mehr als drei rechte Schläger – ein, vorsichtig formuliert, ungewöhnliches Verhältnis. Doch den Vorwurf, den Aufmarsch der „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) im Vorfeld zahlenmäßig unterschätzt zu haben und deshalb mit zu wenigen Kräften vor Ort gewesen zu sein, wiesen Albers und Rüschenschmidt entschieden zurück. Man habe sich schon bei den Planungen auf rund 4.000 Hooligans eingestellt, verkündeten beide mantramäßig – im Gegensatz zur Einschätzung von Beamten vor Ort.

Die Verletzungen von 49 Beamten seien „nicht zu verhindern“ gewesen und zudem „relativ glimpflich abgegangen“, sagte Rüschenschmidt. Bereits zuvor hatte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) im ZDF-„Morgenmagazin“ kundgetan: „Das Polizeikonzept hat funktioniert.“ CDU-Oppositionsführer Armin Laschet warf Jäger „unerträgliche Schönrederei“ vor. „Die Darstellung des Innenministers passt wieder einmal nicht zur Realität“, sagte Laschet. Bei den erschreckenden Bildern aus Köln könne man „doch nicht sagen, es sei alles richtig gelaufen“.

Kritik kommt auch von der innenpolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke. „Trotz aller Warnungen haben die Sicherheitsbehörden das Gewaltpotenzial und die rechtsextreme Orientierung der Hooligans vollkommen unterschätzt“, sagte Jelpke. Jäger habe sich „in die Irre führen lassen“. Der Polizeieinsatz müsse „kritisch nachbearbeitet“ werden, forderte der Chef der NRW-Grünen, Sven Lehmann. Es stelle sich „die Frage, ob die Stadt Köln und die Polizei die Gefahren richtig eingeschätzt haben“.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) kündigte ein konsequentes Vorgehen gegen die Gewalttäter an. „Wer Gewalt in Deutschlands Städte trägt, muss mit allen Mitteln des Rechtsstaats verfolgt und bestraft werden“, sagte Maas in Berlin. Nächste Gelegenheit könnte der 9. November in Berlin sein: In Hooligan-Kreisen wird bereits zu einer Demonstration mehrerer rechtsextremer Gruppen vor dem Reichstag mobilisiert.

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