Rechte Partei in der Krise: Schwund bei der Jungen Alternativen

Nach der Wahl von Lars Steinke zum Niedersächsischen Vorsitzenden der AfD-Jugend trat ein Dutzend Mitglieder aus. Auch Landeschef Hampel distanziert sich.

Der Haussegen hängt schief bei der AfD Niedersachsen Foto: Juliane Stratenschulte/dpa

HAMBURG taz | Es sieht so aus als katapultiere sich die Junge Alternative (JA) Niedersachsen mit einer Personal­entscheidung selbst ins politische Aus. Seit die Jugendorganisation der Alternativen für Deutschland den Göttinger Lars Steinke vor einer Woche mit knapper Mehrheit zum Landesvorsitzenden bestimmte, häufen sich die Austritte.

Rechts müsse ja nicht gleich rechtsextrem bedeuten, erklärt der zurückgetretene JA-Bezirksvorsitzende in Lüneburg, Mario Olssen. Aber: Mit der Personalentscheidung sei eine Richtungsentscheidung getroffen worden. Er wendet sich an seine Expartei: „Liebe Mitglieder und Funktions- oder Mandatsträger in der AfD, ich rate euch zwingend aus der Jungen Alternative auszutreten oder die Zusammenarbeit einzustellen.“ Wenn sich alle daran halten, würden noch 40 Personen die JA verlassen, kalkuliert Olssen.

Beim fünften Landeskongress des Jugendverbandes setzte sich Steinke, JA-Bezirksvorsitzender in Braunschweig, mit 32 Stimmen mit zwei Stimmen Vorsprung gegen einen Mitstreiter durch. Ein Ergebnis, dass nicht bloß Parteikollege Olssen erschütterte. Zwölf JA-Mitglieder sollen gleich am nächsten Tag ausgetreten sein. Läuft doch gegen Steinke, der die Göttinger JA-Hochschulgruppe gegründet hat, ein Parteiausschlussverfahren.

Steinke hat den rechtsextremen Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen mitgegründet. Dieser organisiert in der Region Göttingen seit 2015 Mahnwachen gegen „Überfremdung“ und „Asylpolitik“. Mit dabei: Anhänger der NPD, der Partei Die Rechte und der Kameradschaft AG Rhumetal. Im Februar dieses Jahres ging die Polizei gegen den Freundeskreis vor, wegen des Verdachts der Bildung einer bewaffneten Gruppe. Bei einer Razzia stellten sie Schusswaffen sicher sowie Schlag- und Stichwerkzeuge.

Im Juni 2016 hat der Bundesvorstand der Jungen Alternativen (JA) einen Unvereinbarkeitsbeschluss zur extrem rechten Identitären Bewegung (IB) gefasst.

JA-Mitglieder sollen etwa nicht als Redner, Ordner oder in einer sonstigen exponierten Funktion bei der IB auftreten.

JA-Funktionsträger dürfen nichts tun, was die Junge Alternative in Zusammenhang mit vom Verfassungsschutz beobachteten Organisationen bringen könnte.

Diesen Kontakt hält Olssen nicht bloß Steinke vor. „Steinke und insbesondere der Bezirk Braunschweig“ seien gemeinsam mit dem rechtsextremen Freundeskreis aufgetreten, schreibt er in seiner Rücktrittserklärung, die der taz vorliegt. Ein Mitglied des BV Braunschweig hätte zudem vor öffentlichen Kameras den Hitlergruß gezeigt. Im vergangenen Jahr hätte die JA 20 Ordnungsmaßnahmen gegen Mitglieder des Bezirkes eingeleitet worden. Olssen erklärt, dass diese Maßnahmen nötig waren, da in der JA-Whatsapp-Gruppe Braunschweig Aussagen gepostet wurden wie: „Wir sollten Tierversuche stoppen und Flüchtlinge dafür nehmen“ oder „Wir sollten endlich über eine Endlösung für die Musels in Deutschland nachdenken“. Wer „NPD-Slogans recycelt“ würde der AfD einen „braunen Stallgeruch“ verpassen, resümiert Olssen. Der ebenso zurückgetretene Vorsitzende des Bezirksverbandes Hannover, Sven Larres, hält Steinke auch die Nähe zur rechtsextremen Identitären Bewegung (IB) vor.

Die Nähe zum Freundeskreis sei „vollkommen erdacht“, behauptet Steinke, und seine Kontakte zur IB hätten vor dem Unvereinbarkeitsbeschluss bestanden. Auf der Facebook-Seite der Braunschweiger JA wird jedoch prominent das Buch eines IB-Kaders beworben.

Schon auf dem Landeskongress erklärte Armin-Paul Hampel, Vorsitzender der AfD-Niedersachsen, wegen der Wahl Steinkes, „die Zusammenarbeit mit der Landes-JA in Zukunft verweigern zu wollen“. Die Wahl Steinkes sei nicht im Sinne des Landesvorstandes, bestätigte AfD-Landessprecher Daniel Biermann dem Göttinger Tageblatt. Formal besteht für die Partei aber nicht viel Spielraum. Unter dem Paragrafen 18 der Satzung der JA Niedersachsen heißt es: „Die JA Niedersachsen und AfD Niedersachsen (…) sind zur gemeinsamen Zusammenarbeit verpflichtet.“

Die Abgrenzungsbemühungen Hampels verwundern nicht. Die Partei sorgt sich, vom Verfassungsschutz beobachtet werden zu können. Im Januar 2017 sagte Thorsten Weiß, JA-Vorsitzender in Berlin, dass „es immer wieder Personen gibt, die Veranstaltungen gegenseitig besuchen“. Bei der versuchten Erstürmung des Bundesjustizministeriums Mitte Mai durch IB-Anhänger war der ehemalige Schatzmeister der JA-Berlin, Jannik Brämer, beteiligt. Per Haftbefehl wurde er gesucht, da er bei der Aktion fast einen Zivilpolizisten überfahren hätte. Brämer legte sein Amt nieder.

Der neue JA-Landesvorstand gibt sich gegenüber der Landes-AfD offen: Er stehe „für konstruktive Lösungen“ und hoffe, dass die Mutterpartei einen „Kurs der Entspannung“ einschlägt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.