Rechte in Italien: Salvini im Auftrieb

Regierungschef Conte hat mit seiner Corona-Politik an Beliebtheit gewonnen. Doch das rechte Bündnis trumpft.

Italiens Rechtspolitiker Tajani, Meloni und Salvini klatschen und winken ihren Anhängern im Verlauf einer Kundgebung in Rom zu

Ihres Sieges so gut wie sicher: Italiens rechte Politiker bei der Kundgebung am Samstag Foto: Remo Caslill/reuters

„Heute steht auf diesem Platz die Mannschaft, die Italien in den kommenden Jahren regieren wird.“ Matteo Salvini gab sich am Samstag bei der Kundgebung der italienischen Rechten in Rom sicher. Die Tage der Regierung unter Ministerpräsident Giuseppe Conte sind gezählt, lange vor dem regulären Ende der Legislaturperiode im Jahr 2023.

Und dann werden die Rechtsparteien unter der Führung von Salvinis stramm rechtspopulistischer und ausländerfeindlicher Lega das Ruder übernehmen. Ganz genauso sieht das seine Verbündete und Rivalin im Rechtslager, Giorgia Meloni, die Anführerin der postfaschistischen Fratelli d’Italia (FdI) – „Brüder Italiens“. „Wir sind das Volk!“, rief sie aus, als gelte es, Italien von einer Honecker- oder Maduro-Diktatur zu befreien.

Schaut man bloß auf die Popularitätswerte des Regierungschefs Conte, dann scheint die Hoffnung der Salvini-Meloni-Rechten, sie werde bald das Ruder in Rom übernehmen, einigermaßen aberwitzig. Eine Mehrheit der italienischen Bürger*innen billigt ihrem Ministerpräsidenten zu, in der Covid-Krise einen guten Job gemacht zu haben, in einer Krise, die Italien früher und härter als andere europäische Länder erwischt hatte.

Und doch ist der Optimismus der Rechten nicht auf Sand gebaut, denn sie hat einen wichtigen, wenn auch unfreiwilligen Alliierten: die Regierungsparteien. Erst im August 2019 hatten das Movimento 5 Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung) und die gemäßigt linke Partito Democratico (PD) zu einer Koalition gefunden, nachdem der damalige Innenminister Salvini die Koalition M5S-Lega hatte platzen lassen, um schnelle Neuwahlen zu erreichen und nach der ganzen Macht zu greifen.

M5S und PD sollten strategisch kooperieren

Salvini war damals so sicher, dass nur Neuwahlen die Lösung sein könnten, weil Fünf Sterne und PD einander in tiefem Hass verbunden waren. Doch angesichts der Aussicht, die Lega könne die Geschicke Italiens lenken, vergaßen M5S und PD ihren Hass und hoben ihre Koalition unter Conte aus der Taufe. Dass die allerdings ein reines Negativbündnis war, war ihrem Wirken immer wieder anzusehen: Jede Entscheidung wurde zum endlosen, oft ergebnislosen Gezerre unter den Partnern.

Dann kam Covid – und fast über Nacht veränderte sich das Klima in der Koalition. Ob der Lockdown, ob die schnell verabschiedeten Notstandshilfen für Arbeitnehmer*innen, für Selbstständige, für Unternehmen: PD und M5S zogen ohne große Reibungsverluste an einem Strang. Dieses neue Klima gefiel im Land. Nicht nur Conte, auch die gesamte Regierung war populärer denn je und konnte sich in ihrem Krisenmanagement auf breiten Konsens in der Bevölkerung stützen.

Schon damals allerdings fiel auf, dass dieser Zuspruch wenig an den parteipolitischen Präferenzen der Italiener*innen änderte: Die Rechte blieb in allen Umfragen unverändert stark. Zwar gibt Salvinis Lega Monat für Monat Punkte ab, liegt nur noch bei 25% statt der bei den Europawahlen 2019 erreichten 34%. Doch dieser Abstieg kam nicht dem Regierungslager zugute, sondern Salvinis Bündnispartnerin Meloni, deren Postfaschisten auf nunmehr 15% aufgestiegen sind.

Würde heute gewählt, so würde die Rechte siegen. Die regierende Koalition hat dagegen bloß zwei Gegenmittel: gute Arbeit liefern und zugleich ein strategisches Bündnis zwischen M5S und PD zu zimmern. Doch von beidem ist sie weit entfernt. Da ist zum einen die Tatsache, dass viele der Krisenhilfen immer noch nicht bei den Bürger*innen angekommen sind. Schwerer wiegt, dass sich die Regierung schwertut, konkrete Linien für ihr Wiederaufbauprogramm zu definieren.

All dies ist Wasser auf die Mühlen Salvinis und Melonis. Schon im September haben sie beste Chancen, der Regierungskoalition einen schweren Schlag zu versetzen. Dann wählen sieben der 20 Regionen Italiens, und die Regierungsparteien haben schon deshalb keine guten Karten, weil sie fast überall nicht, wie die Rechte in einer Allianz, sondern als Rivalen antreten werden. In Rom dagegen sind sie zu ihrer Routine aus Vor-Covid-Zeiten, zur wechselseitigen Blockade, zum tiefen gegenseitigen Misstrauen zurückgekehrt. Salvini hat allen Grund, optimistisch zu sein.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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