Rechte instrumentalisieren Gewalt: Ein Mord reicht ihnen nicht mehr

Ein 15-Jähriger ersticht eine 14-Jährige. AfD und „Bild“ hofften auf einen Täter mit Migrationshintergrund – die Berliner Polizei rügt sie dafür.

Blumen und ein Teddy vor dem Haus in Alt-Hohenschönhausen, in dem die 14-Jährige erstochen aufgefunden wurde Foto: dpa

BERLIN taz | Wenige Tage nach der Tötung an einer 14-Jährigen, die in ihrer elterlichen Wohnung in Alt-Hohenschönhausen erstochen wurde, scheint der Fall aufgeklärt. Ein 15-jähriger Teenager, den die Polizei am Sonntag festgenommen hatte, habe die Tat gestanden, wie Polizeisprecher Winfrid Wenzel der taz bestätigte. Nun laufen die Ermittlungen der Mordkommission, um das „Beziehungsgeflecht“ zwischen Täter und Opfer aufzuklären.

Nach Angaben der Polizei handelt es sich bei dem geständigen Schüler um einen Deutschen aus dem Bekanntenkreis des Mädchens. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, sagte der taz, die beiden kannten sich aus der Schule und seien am Tag der Tat verabredet gewesen. Es sei Haftbefehl wegen Totschlags beantragt worden.

Der schnelle Ermittlungserfolg der Polizei wird derweil von einem lauten rechten Shitstorm überschattet. Schon unmittelbar nach der Tat am Mittwoch hatten Rassisten aller Couleur Vermutungen darüber angestellt, dass der Täter ein Flüchtling sei oder zumindest einen Migrationshintergrund habe – ohne jedwedes Indiz. Was sie antrieb, war der Wunsch nach einem ausländischen Täter.

Zunutze machten sie sich Parallelen zu dem Fall im rheinland-pfälzischen Kandel, wo ein 15-jähriges Mädchen Ende Dezember erstochen worden war. Der Täter damals: ein afghanischer Flüchtling; zugleich – und nur das ist relevant – ihr Exfreund. Im aktuellen Fall nennt es Polizeisprecher Wenzel „erschütternd, dass ein grauenhafter Mord von einem jungen Menschen an einem anderen politisch aufgeheizt wird“.

Nach dem gewaltsamen Tod einer 14-Jährigen aus Berlin wird die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl wegen Totschlags beantragen. Das sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, am Montag. Der 15 Jahre alte Verdächtige sollte noch am Montag einem Richter vorgeführt werden, der Untersuchungshaft anordnen kann. Der Jugendliche habe im Kern gestanden, seine Bekannte erstochen zu haben. Die Hintergründe seien aber weiter unklar.

Aus dem Vorwurf des Totschlags könnte im Laufe der Ermittlungen ein noch schwerer wiegender Mordvorwurf werden, hieß es. Dafür müsste das Motiv klarer werden.

Die Schülerin trainierte beim TSC Eisschnelllauf und war zuletzt im Januar in ihrer Altersklasse Berliner Meisterin über 1.500 Meter geworden. (dpa)

Die Information, dass der Berliner Täter ein gebürtiger Deutscher ist, hätte – folgt man den Gesetzen der Logik – die Debatte beenden können. Hat sie aber nicht. Denn die Pöbler haben ihre Hoffnung auf einen irgendwie ausländischen Täter noch nicht aufgegeben. Der Berliner AfD-Abgeordnete Gunnar Lindemann kritisierte am Sonntag auf seinem Facebook-Profil die „Desinformationspolitik“ der Polizei. Was ihm und vielen anderen Pöblern im Netz fehlt, ist der Name des Jungen, mindestens ein Vorname. So heißt es in den Kommentaren unter dem Post etwa: „Kann man den Krechznamen dieses passdeutschen Straftäters überhaupt aussprechen?“

Auf Twitter verwies die Berliner Polizei Lindemann auf den Pressekodex. Dort heißt es über die Nennung der Zugehörigkeit eines Verdächtigen oder Täters zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten, diese „soll in der Regel nicht erwähnt werden“. Bild-Chefredakteur Julian Reichelt giftete zurück: „Liebe Polizei Berlin, Ihre Auskunftspflicht tritt ganz sicher nicht hinter dem Pressekodex zurück, der Sie eh nicht berührt. Wir hätten gern die üblichen Angaben zum Täter. Danke.“

Der taz sagte Wenzel dazu, Namen würden von der Polizei „nie genannt“, eine Ausnahme seien öffentliche Fahndungen. „Im Jahr 2018 hat der Vorname keinerlei Bewandtnis und lässt keinerlei Rückschlüsse zu. Es sagt nichts aus, ob einer Murat oder Peter heißt“, betonte Wenzel. Den Tweet Reichelts nehme er zur Kenntnis, er ändere jedoch nichts am Selbstverständnis der Polizei, „neutral und professionell zu agieren“.

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