Rechtsextreme im Fußball: Gezielt unterwandert

Die NPD hat versucht, Fans von Rot-Weiß Erfurt und Carl Zeiss Jena zu ködern. Während man in Jena clever reagiert, gibt man sich in Erfurt politisch naiv.

Aufruhr am Marathon-Tor: Erfurter Fans steigen aufs Dach. Bild: dpa

Neulich hat Wilfried Mohren Post von der NPD bekommen. Die Partei wünscht in dem Schreiben allen Lesern „Sport frei!“ und fordert „die Politik“ dazu auf, sich aus dem Fußballstadion herauszuhalten.

Angesprochen wurden vor allem die Fans der Vereine Carl Zeiss Jena und FC Rot-Weiß Erfurt, aber auch Vereinsfunktionäre und Mitarbeiter der Fanprojekte bekamen das Papier, das auf dem Landesparteitag der NPD in Kirchheim ausbaldowert wurde; im thüringischen Ilmkreis, in der sogenannten „Erlebnisscheune“, tagt die NPD regelmäßig, 2011 im Rahmen des Papstbesuchs kamen im „Romantischen Fachwerkhof“ aber auch Beamte des Bundeskriminalamtes unter.

Mohren trat bis zu einer Korruptionsaffäre im öffentlich-rechtlichen Fernsehen auf, heute ist er unter anderem Pressesprecher von Rot-Weiß Erfurt. „Das Schreiben war ja so, dass wir Schwierigkeiten hatten, es in Bausch und Bogen zu verdammen“, sagt er der taz. Die NPD Thüringen fordert ein Ende der „V-Mann-Aktivitäten“ im Stadion, sie spricht sich gegen Videoüberwachung von Fans aus und macht sich für Stehplätze stark, ferner dürfe der Sport nicht kriminalisiert werden.

Jungsturm KEF und Inferno Windisch

„Das ist leicht verdaulich geschrieben“, findet Wilfried Mohren, doch er hat sich nach Rücksprache mit dem Erfurter Präsidium dann doch dazu entschlossen, eine „Stellungnahme“ zu veröffentlichen, man weiß ja nie. „Wir appellieren an unsere Anhänger, sich nicht von dem Papier ’abholen‘ zu lassen“, hat Mohren geschrieben und das Papier der NPD „populistisch“ genannt.

Der Appell kommt nicht von ungefähr, denn der Verein hat durchaus ein Problem mit rechten Fans. Es sind vor allem die Gruppierungen Kategorie Erfurt (KEF) und Jungsturm KEF, die immer wieder auffällig werden, aber auch die EF-Parolis, Inferno Windisch, Red White Fight, Aule Erfurt, Ostkurve 1982 Erfurt und die RWE Kneipenterroristen sind nicht ohne. Sie sind es, die den Fans von Rot-Weiß Erfurt den Ruf eingebracht haben, eher rechts als links zu stehen.

Gegen Mitglieder der KEF wurden seit 2010 vier Ermittlungsverfahren wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet. Im Jahre 2011 organisierte die KEF den „Gewalttäter Sport Cup“ und lud Gesinnungsgenossen aus Leipzig („Blue Caps“ und „Szenario Lok“) ein. 2012 gründete sich in Erfurt eine Gruppierung namens „Hoonara“ (Kurzform für Hooligans, Nazis und Rassisten); eine gleichnamige Truppe aus Chemnitz wird wie die beiden Leipziger Fangruppen vom sächsischen Verfassungsschutz wegen ihrer rechtsextremen Orientierung beobachtet.

"Da zerbröselt die Zuständigkeit"

Mohren hat einzelne Vertreter der KEF „mal hier und da“ auf einem Fantreffen gesehen, intensive Kontakte des Vereins zu seinen Problemfans scheint es aber nicht zu geben. Mohren spricht über eine „gewisse Hilflosigkeit des Vereins“. Und weiter: „Wenn man jetzt einen Aktionismus startet, dann gerät man auch leicht in den Bereich der Lächerlichkeit.“ Die KEF-Leute hätten sich nie militant geäußert. Man könne halt nie „in die Köpfe hineingucken, irgendwo zerbröselt die Front der Zuständigkeit“.

Alles andere als politisch naiv hat die Faninitiative ProFans auf das NPD-Papier reagiert: „Inhaltlich versucht die Partei der Rechtsextremisten damit auf den Zug der Fanproteste aufzuspringen“, analysiert ProFans und weist auf ein Versäumnis der Politik hin: Die demokratischen Parteien hätten sich nie ernsthaft mit den Fanszenen beschäftigt, meint ProFans-Sprecher Philipp Markhardt. „Dass sich die NPD an unseren Themen und Forderungen bedient, ist für uns absolut nicht hinnehmbar. Eine lebendige und vielfältige Fankultur hat keinen Platz für Nazis und Rassisten“, ergänzt Markhardts Kollege Jakob Falk.

Unmöglich findet auch Matthias Stein den NPD-Vorstoß. Er ist Mitarbeiter des Jenaer Fanprojekts. Die NPD versuche, die Fußballszene zu unterwandern, nicht zum ersten Mal. „Die sollen mal schön die Klappe halten“, rät er den rechten Parteistrategen. Stein und seine Kollegen vom Fanprojekt haben lange überlegt, ob sie auf das Schreiben überhaupt reagieren sollen, denn so etwas erzeuge eine mediale Aufmerksamkeit, „und genau darum geht es denen doch“.

Wilfried Mohren, Erfurts Pressesprecher, glaubt, die NPD habe mit der Aktion den Landtagswahlkampf eröffnet. Im nächsten Jahr wird gewählt. 2009 hat die NPD 4,3 Prozent der Stimmen eingeheimst. Jetzt will sie über die Fünfprozenthürde.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.