Rechtsextremismus im Fußball: Die Angstmacher

Der FC Ostelbien Dornburg in der Kreisliga A ist von Rechtsextremen durchsetzt. Der Fußballverband Sachsen-Anhalt weiß von nichts. Ein Ortsbesuch.

Rechts ist noch Platz Bild: kuechlerich / photocase

NIEGRIPP taz | Fitim Cimili muss schnell vom Platz. Der kleine, dunkelhaarige Spieler ist an einem Samstag zum Freiwild auf dem Platz des SG Blau-Weiß Niegripp geworden. Insbesondere Dennis Wesemann vom FC Ostelbien Dornburg lässt dem Kosovo-Albaner keine Ruhe mehr. Erst spuckt er ihm ins Gesicht, und nachdem der protestierende Cimili vom schreienden Schiedsrichter zum Schweigen verdonnert wird, rückt ihm Wesemann auf den Leib, schubst und drangsaliert ihn, lässt ihm fast keinen Bewegungsspielraum mehr.

Der Trainer wechselt Cimili umgehend aus. Ein Betreuer schickt ihn mit dem Rat in die Kabine, sich nicht mehr blicken zu lassen, bis die Gäste das Gelände verlassen haben. „Wenn die Dornburger in Rückstand geraten, drehen die frei“, wird nach der Partie ein Niegripper Spieler sagen.

Dass sie dabei Cimili ins Visier nehmen, ist kein Zufall. Er ist der einzige Ausländer im Team von Niegripp und zudem im nahegelegenen Burg auch noch für die Jusos und gegen Ausländerfeindlichkeit aktiv. Der FC Dornburg ist ein von Rechtsextremen durchsetzter Verein und nimmt bereits seit knapp vier Jahren am Spielbetrieb des Fußballverbands Sachsen-Anhalt (FSA) teil. Eine bislang einmalige Konstellation in Deutschland.

Wie das Innenministerium des Bundeslandes mitteilt, werden mehr als 10 Personen der rechtsextremistischen Szene zugeordnet. Ebenso viele aus dem Umfeld des FC Dornburg rechnet man wiederum der rechtsextremen Magdeburger Hooliganvereinigung „Blue White Street Elite“ (BWSE) zu. Dennis Wesemann gehört zu den Gründungsmitgliedern der BWSE und gibt auch beim FC Dornburg den Ton an. Im Ortschaftsrat vom nahegelegenen Stresow sitzt er ebenfalls – parteilos und gewählt mit den meisten Stimmen. Bürgermeisterkandidat war er bereits. Und als Unternehmer vertreibt er Kleidung mit gewaltverherrlichenden Motiven. Jahresumsatz: 280.000 Euro. Wesemann versteht es, auf verschiedenen Klaviaturen zu spielen.

Atmosphäre der Angst

Die meisten im Jerichower Land wollen in dieser Geschichte lieber nicht mit ihrem Namen auftauchen. Ein Statement zum FC Dornburg? „Nur anonym! Ich will doch keinen Hausbesuch von Herrn Wesemann und seinen Kameraden.“ So oder so ähnlich äußert man sich auch am Rand vom Spielfeld an diesem Nachmittag. Von hier aus kann man das Dorfidyll von Niegripp besonders gut in Augenschein nehmen. Auf der einen Seite ruht der Altkanal, auf der anderen Seite ragt die kleine schmucke Barockkirche hervor. Mit der Ankunft der Dornburger hat sich jedoch an diesem Ort, etwa 25 Kilometer nordöstlich von Magdeburg gelegen, eine Atmosphäre der Angst breit gemacht.

Noch drei Tage nach der Partie in Niegripp ist Cimili fassungslos, dass die Dornburger so ungestraft zutreten konnten. Der Schiedsrichter zog in der Partie nicht eine Rote Karte. „Keiner in meiner Heimat würde mir glauben, dass so etwas in Deutschland möglich ist. Die Stollenschuhabdrücke der Dornburger kann ich heute noch auf meinem Oberschenkel ganz genau sehen.“ Mit dem einzigen Tor an diesem Tag für Niegripp ist dieses Spiel aus den Fugen geraten.

„Ihr Schweineficker“, brüllt der Torwart des FC Dornburg den Zuschauern hinter seinem Tor zu. Ein Mitspieler von ihm schleudert beim Einwurf dem Gegner den Ball an den Kopf. Und Wesemann, der die Nr. 18 auf dem Rücken trägt – unter Rechtsextremen ein beliebter Code, weil er auf den ersten und achten Buchstaben des Alphabets hinweist und damit auf die Initialen von Adolf Hitler –, springt einem Gegner mit offener Sohle in Kung-Fu-Manier in den Rücken.

Narrenfreiheit für Dennis Wesemann?

„So macht Fußball keinen Spaß mehr. Der Verein gehört verboten“, schimpft Cimili direkt nach seiner Herausnahme. Er ist der Einzige an diesem Ort, der nicht anonym bleiben will. Auch Tage später erklärt er: „Es können doch nicht alle schweigen oder sich hinter ihrer Anonymität verbergen, sonst geht das immer so weiter.“

Der Präsident des sachsen-anhaltischen Fußballverbands Erwin Bugar erklärt: „Bei Spielen mit Beteiligung des FC Dornburg sind uns bisher keine Vorkommnisse mit rassistischem oder rechtsextremistischem Hintergrund bekannt geworden.“ Stets hat man beim FSA in den letzten Jahren betont, Wesemann und der FC Dornburg hätten sich bislang nichts zuschulden kommen lassen. Die Ereignisse von Niegripp deuten aber darauf hin, dass man für diese Sichtweise so manches ignorieren muss.

Dass Dennis Wesemann, der fast im Alleingang den Sportplatz von Niegripp zur ausländerfreien Zone machte, überhaupt an dieser Partie mitwirkte, ist eine besondere Pointe dieses ungewöhnlichen Fußballspiels. Denn vor der Begegnung teilte der Verband der taz mit, „dass Dennis Wesemann bis zum Abschluss des Sportgerichtsverfahrens für jeglichen Spielbetrieb gesperrt ist“. Ermittelt wird gegen ihn, weil er am 3. Januar bei einem Hallenturnier in Gommern den Schiedsrichter mit der Faust bedrohte. Nach seinem Platzverweis hat Wesemann aber nach Zeugenaussage auch einem gegnerischen Fan ins Gesicht geschlagen. Weitere Spieler des FC Dornburg beteiligten sich offenbar an dem Handgemenge.

Zudem soll Wesemann am selben Tag in einer Magdeburger Diskothek, die eher von Linksgesinnten besucht wird, mit Mitgliedern der Hooligangruppe „Blue White Street Elite“ auf Besucher eingeschlagen haben. Die Polizei Magdeburg erklärt: „In der Tat werden Zusammenhänge zwischen Personen der Schlägerei in Gommern und dem Vorfall in der Diskothek in Magdeburg gezogen und überprüft.“

Beim Fußballverband in Sachsen-Anhalt scheint eine eigene Lex Wesemann zu gelten. Präsident Erwin Bugar sagt zur Aussetzung der Spielsperre: „Das ist bedauerlich. Der Kreisfußballfachverband (KFV) Jerichower Land hat da offenbar etwas missverstanden. Sie dachten wohl, Wesemann sei nur für die Halle gesperrt.“ Erstaunlich bei der angeblichen Ansage „Sperrung für jeglichen Spielbetrieb“. Und seltsam an der Theorie ist obendrein, dass Wesemann eine Woche zuvor beim Rückrundenauftakt der Freiluftsaison noch aussetzte. Angesichts der Ereignisse von Niegripp stellt sich die Frage: Wer spielt hier eigentlich nach wessen Regeln?

Bugar ist überrascht über die Schilderungen aus Niegripp. Er werde der Sache nachgehen, verspricht er. Aber von Angst der Spieler oder der Schiedsrichter vor den Dornburgern habe er noch nie etwas gehört. „Das darf natürlich nicht sein.“ Er sei selbst schon bei Spielen des FC Dornburg gewesen und habe nichts dergleichen festgestellt. Zu den gehäuften Fehlentscheidungen sagt er: „Wir reden hier über die Kreisliga, die unterste Spielklasse. Da können Sie die Schiedsrichter nicht mit der Bundesliga vergleichen.“

Großzügige Ermessensspielräume

Ein Mann aus dem organisierten Sport, der ebenfalls einige Spiele der Dornburger gesehen hat und anonym bleiben möchte, erklärt, entweder seien die Schiedsrichter mit Wesemann befreundet oder hätten schlichtweg Angst. Er hätte schon mancherlei Merkwürdigkeiten festgestellt. Oft seien es Kleinigkeiten, die man mit gutem Willen als Ermessensspielraum des Schiedsrichters auslegen kann.

Bei einer knappen Führung des FC Dornburg etwa werde auch mal das Spiel fünf Minuten vor dem Ende abgepfiffen. Klaus Ludewig, der Mitglied des Schiedsrichterausschusses des KFV Jerichower Land ist, bestätigt die große Furcht unter seinen Kollegen. „Manchen ist verständlicherweise auf dem Feld das Hemd näher als der Rock. Und es gibt einige Unparteiische, die sich weigern, Spiele vom FC Dornburg zu pfeifen. Das sind nicht nur ein oder zwei.“

Das Heimspiel der Dornburger vergangenen Oktober gegen den SV Stegelitz wird beim Fußballverband auch als eines ohne besondere Vorkommnisse verbucht. Dort wurden die beiden schwarzen Stegelitzer durch den Referee vom Feld verwiesen. Ein Beobachter, der gleichfalls seinen Namen nicht preisgeben will, berichtet: Der erste Platzverweis sei ein Witz, die zweite Rote Karte gegen Fadkipe hingegen wegen dessen überharten Einsteigens berechtigt gewesen. Dennis Wesemann hätte daraufhin aber ebenfalls Rot erhalten, weil er Selbstjustiz übte und Fadkipe zu Boden schubste. Fadkipe wurde vom Sportgericht für vier Spiele gesperrt, Wiederholungstäter Wesemann dagegen musste nur einmal aussetzen.

Selbst der SV Stegelitz traut sich in seinem Spielbericht auf Facebook nicht, die Geschehnisse klar zu benennen. Wesemann, heißt es, machte Fadkipe „auf sein hartes Einsteigen aufmerksam“. Kein Wort auch davon, dass die Dornburger den beiden ausländischen Steglitzer Spielern die Nutzung ihrer sanitären Anlagen verweigerten. Der Spielbeobachter erzählt: „Denen haben sie gesagt, ihr dürft hier nicht duschen.“

Die allgemeine Angst ist mit Händen zu greifen. Wesemann nutzt sie wie einen Schutzmantel, um nach Gutdünken seine Fäden zu ziehen. Etliche Strafverfahren wurden bislang gegen ihn schon in Gang gesetzt. Vorgeworfen wurde ihm gefährliche Körperverletzung, Landfriedensbruch, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Bestraft wurde er nie. David Begrich, Mitarbeiter der Arbeitsstelle Rechtsextremismus bei Miteinander e. V., sagt: „Es gelingt ihm offenbar immer wieder, alle einzuschüchtern. So scheint niemand bereit, vor Gericht gegen ihn auszusagen.“ Er sei in der Lage, mal eben so 50 Kameraden zu mobilisieren.

„Kulturelle Subversion“

Wesemann und seine Kameraden würden einen Prozess der psychischen Zersetzung in Gang setzen. Weil er auf lose Personennetzwerke und nicht auf feste Strukturen baut, macht er sich auch juristisch unangreifbarer. Das einstweilige Verbot der Hooligangruppierung „Blue White Street Elite“ musste das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt wieder aufheben.

Es geht ihnen vor allem auch um die Besetzung von vorpolitischen Räumen. Der Fußball ist nur eine von mehreren Plattformen. Begrich spricht von einer kulturellen Subversion. Es ist ein Vorgang, der sich aus vielen Details zusammensetzt.

Beim Fußballverband Sachsen-Anhalt fehlt es aber am Willen, sich mit Kleinteiligem auseinanderzusetzen. „Wir pflegen gegen Rechtsextreme eine Null-Toleranz-Politik. Aber wir brauchen konkrete Anhaltspunkte, um gegen den Verein vorgehen zu können“, versichert Präsident Erwin Bugar. Begrich wiederum beklagt das mangelnde Feingefühl des Verbandes: „Dort müsste man sich endlich auch einmal dafür interessieren, was die Dornburger jenseits des Fußballplatzes tun.“ Das eine lässt sich vom anderen nur schwerlich trennen. Die Mechanismen der Einschüchterung wirken hier wie dort recht ähnlich. „Mehr als nur Fußball“. Das haben sie beim FC Ostelbien Dornburg in die Infoleiste ihrer Facebookseite eingetragen.

Kein Gespür für die kleine Bühne

Im Jahre 2011 hat der Landessportbund Sachsen-Anhalt versucht, den 1. FC Dornburg zu verbieten. Man scheiterte vor Gericht. „Wir sind nach Rücksprache mit dem Deutschen Olympischen Sportbund nicht in Revision gegangen, um denen nicht weiter eine Bühne zu bieten“, erzählt Bugar. Dass es den Dornburgern vielleicht gar nicht um die große Bühne geht, zieht er nicht in Betracht. Im Jerichower Land haben sie sich in der Kreisliga etabliert und auf mehr oder minder subtile Weise das Regiment übernommen.

Zuweilen präsentieren sich die Dornburger auch als Saubermänner und faire Sportsmänner. In Niegripp etwa korrigiert Dennis Wesemann in der ersten Häfte noch eine Schiedsrichterentscheidung zugunsten des Gegners. Vor zwei Jahren stellte sich das Team zum Gruppenbild auf. Alle trugen ein Trikot mit dem Schriftzug von Peta. Die Tierschutzrechtsorganisation erklärt, man habe dem Engagement des Fußballteams zugestimmt, weil man zuerst nicht um den politischen Hintergrund des Vereins wusste, die Nutzung des Logos dann aber sofort verboten.

Der Dank an die Dornburger für diese Aktion war aber noch bis vor Kurzem auf der Peta-Facebook-Seite einzusehen. Man habe den Post, erklärt Peta der taz, „aus Versehen bisher noch nicht gelöscht. Wir haben inzwischen die Löschung vorgenommen.“ Die von Wesemann verkörperte Dornburger Doppelgesichtigkeit hat System. Begrich sagt: „Wesemann kann als lieber Junge von nebenan erscheinen, der die Bratwürste für das Kitafest spendiert. Wenig später tritt er wiederum als neonazistischer Hooligan auf. Das hat es so noch nicht gegeben.“

Fitim Cimili hat sich nicht mehr blicken lassen. Seine Mitspieler haben ihm aber von den Drohungen der Dornburger erzählt. „Den 7er, den kriegen wir noch.“ Das Prinzip Angst haben sie im Jerichower Land längst etabliert.

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