Regierung in Schweden: Mann der kleinen Stellschrauben

Der Sozialdemokrat Stefan Löfven ist wieder Ministerpräsident. Ob er den Niedergang seiner Partei aufhalten kann, ist unklar.

Stefan Löfven beim EU-Gipfel in Brüssel im vergangenen Dezember

Ein weiterer Anlauf als schwedischer Regierungschef: Stefan Löfven beim EU-Gipfel in Brüssel im vergangenen Dezember Foto: reuters

BERLIN taz | Er hat es doch geschafft. Seit Freitag ist Stefan Löfven, 61 Jahre alt, wieder offiziell schwedischer Ministerpräsident. Fast vier Monate lang war er nur geschäftsführend im Amt und lange sah es so aus, als ob Löfvens Zeit ablaufen sei. Seine Sozialdemokratische Partei, die Grünen und die Linkspartei haben im Parlament seit den Wahlen im September keine Mehrheit mehr.

Es ist nicht ohne Ironie, dass die Sozialdemokraten in der Phase ihres schleichenden Niedergangs – im September fuhren sie das schlechteste Ergebnis in über 100 Jahren ein – mit ihrem Vorsitzenden Stefan Löfven noch einmal ihre alten Ideale zeigen: Egalität und Chancengleichheit.

Löfven musste im Alter von zehn Monaten seine Mutter verlassen und kam nach einer Zeit im Heim zu Adoptiveltern. „Als meine Mutter sich nicht um mich kümmern konnte, sprang die Gesellschaft ein“, sagt er einmal tapfer in schönstem sozialdemokratischen Sprech.

Ob die Mutter das freiwillig tat oder nicht, ist bis heute unklar. Dass die mächtigen Sozialämter in Schweden bis in die achtziger Jahre recht schnell dabei waren, vermeintlich „asozialen“ Familien das Sorgerecht zu entziehen, ist im Land immer noch ein Tabu.

Von Selbstzweifeln geplagt

Löfven arbeitete bis in die neunziger Jahre als Schweißer in einem Rüstungsbetrieb. Als junger Mann plagten ihn Selbstzweifel, im Bildungsapparat kam er nicht zurecht. Die Ausbildung zum Schweißer schloss er wegen zu hoher Fehlzeiten nicht ab, wie schwedische Medien undementiert schreiben.

Ein Studium an einer Sozialhochschule schmiss er nach drei Semestern hin. Seinen Aufstieg schaffte er über die mächtigen Gewerkschaften, die lange Zeit in Schweden in der Sozialpolitik eine Art Nebenregierung bildeten.

Manchmal schimmern bei Löfven noch alte Kränkungen durch, so wie vor zwei Jahren, als er im Parlament dem Vorsitzenden der stockbürgerlichen Moderaten Partei zurief: Ich bin ein einfacher Schweißer, aber ich kann lesen.

Schweden ist, anders als es von außen den Anschein hat, eine Klassengesellschaft, und das zeigt sich im unterschiedlichen Bild, das sich die Schweden von ihrem Premier machen: Wenn der Mann mit dem Boxergesicht bei Donald Trump souverän und in flüssigem Englisch eine Pressekonferenz gibt, freuen sich diejenigen Landsleute, die ähnlich wie er von unten kommen. Von anderen wird seine Herkunft im Internet bis heute hämisch kommentiert.

Fluch und Segen

Seine Jahre in der Gewerkschaft sind für ihn Fluch und Segen zugleich. Einerseits ist er ein begnadeter Verhandler. So hat er bei der Regierungsbildung per Tolerierungsabkommen zwei kleine liberale Parteien auf seine Seite gezogen und ein Mitte-Rechts-Bündnis mit den rechtspopulistischen Schwedendemokraten verhindert.

Andererseits geht ihm jedes Charisma ab. Er ist ein Mann der kleinen Stellschrauben, nicht der großen Vision. Um das Bündnis zu schmieden, musste er einen hohen Preis zahlen: Im Abkommen finden sich etwa im Arbeits- und Mietrecht einige Zumutungen für Linke. Ob Stefan Löfven mit seinem Bündnis den Niedergang der Sozialdemokraten eher beschleunigen als aufhalten wird, wird sich noch zeigen.

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