Regierungsbildung in Libyen: Politischer Neustart in Tripolis

In Libyen gab es wütende Proteste gegen die neue Regierung. Jetzt werden fünf der nominierten Minister nochmals auf ihre Beziehung zu Gaddafi überprüft.

Der neue libysche Ministerpräsident Ali Seidan. Bild: dpa

TRIPOLIS dapd/dpa | Nach langem Ringen hat Libyen eine neue Regierung. Das Parlament in Tripolis stimmte am Mittwoch dem von Ministerpräsident Ali Seidan zusammengestellten Kabinett mit deutlicher Mehrheit zu. Die Abstimmung musste am Vortag verschoben werden, weil Demonstranten das Parlamentsgebäude gestürmt hatten.

Parlamentssprecher Omar Humidan teilte mit, die Vergabe von fünf der insgesamt 27 Ministerposten solle nochmals überprüft werden. Gegen sie waren Vorbehalte vorgebracht worden, weil sie Verbindungen zum gestürzten Regime des ehemaligen Machthabers Muammar al Gaddafi hatten. Die fraglichen Minister müssen sich einer Überprüfung durch eine „Redlichkeitskommission“ unterziehen.

In der neuen Regierung sitzen Vertreter der beiden größten politischen Blöcke des Landes, der liberalen Nationalen Allianz des ehemaligen Regierungschefs Mahmud Dschibril und der Partei Gerechtigkeit und Aufbau, die den Muslimbrüdern nahesteht, sowie Unabhängige. Ministerpräsident Seidan sagte, er habe sich darum bemüht, dass Vertreter aus allen drei Hauptregionen des Landes in seiner Regierungsmannschaft vertreten seien.

Unter Gaddafi waren einige Landes- und Bevölkerungsteile benachteiligt und unterdrückt worden. Im Kabinett sitzen auch zwei Ministerinnen. Sie sind zuständig für Soziales und Tourismus.

Erneute Demonstrationen

Am Mittwoch abend kam es indes erneut zu Protesten. Demonstranten versuchten, sich Zugang zum Parlament zu verschaffen. Wachpersonal, das Gewehrsalven in die Luft abgab, konnte dies jedoch verhindern. Bereits am Dienstag hatten etwa 100 Menschen das Gebäude des Nationalkongresses in der Hauptstadt Tripolis gestürmt, woraufhin die Abstimmung auf Mittwoch vertagt worden war.

Den Demonstranten reichten Seidans Zugeständnisse nicht. „Die Früchte der Revolution sind von den Hinterbliebenen des alten Regimes geerntet worden“, sagte einer von ihnen. „Wir wollen, dass alle Mitglieder des alten Machtapparats ausgeschlossen werden.“ Die Gruppe besetzte eine wichtige Zufahrtsstraße zum Parlament und kündigte an, die Blockade fortzusetzen, bis keine Vertreter der Gaddafi-Regierung mehr im Kabinett seien.

Die Regierung muss sich nun der Aufgabe widmen, das Gewaltmonopol des Staates gegenüber Milizen durchzusetzen, die sich während des achtmonatigen Bürgerkrieges gegen Gaddafi gebildet hatten. Zudem muss die Regierung Behörden und Staatsorgane aufbauen, wie Polizei, Justiz und Streitkräfte.

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