Regisseurin Borchu über Spielfilmdebüt: „Die Frau ist extrem spannend!“

Die Regisseurin Uisenma Borchu spricht über Grenzen der Weiblichkeit bei der Filmförderung und ihren Spielfilm „Schau mich nicht so an“.

Zwei nackte Frauen im Bett

„Sobald eine nackte Frau auftaucht, ist es Porno“: Uisenma Borchu und Catrina Stemmer Foto: Zorro

Uisenma Borchu hat es geschafft: Ihr erster Spielfilm, „Schau mich nicht so an“, der zugleich ihr Diplomfilm an der HFF München ist, läuft ab heute in den Kinos. Borchu, die im Film selbst eine der Hauptrollen spielt, wird an der Seite von Catrina Stemmer und Josef Bierbichler zur Superfrau Hedi, die das Leben der alleinerziehenden Mutter Iva (Stemmer) ziemlich aufzumischen versteht. „Schau mich nicht so an“ – das ist das Protokoll eines unerwarteten Zusammentreffens, das in einem Münchner Hinterhof beginnt und rasch Fahrt aufnimmt. Im Gespräch mit Uisenma Borchu, die seit Kurzem auch „Mongolian Woman of the Year“ ist, wird eines schnell klar: In Sachen Direktheit und Offenheit stehen sich Regisseurin und Film in nichts nach.

taz: Frau Borchu, in Ihrem Film fällt immer wieder ein Gemälde auf, quasi von der Titelsequenz an . . .

Uisenma Borchu: Das Bild ist von meinem Vater Borchu Bawaa, ich habe es aus seinem Atelier geklaut. Dieser Reiter, der über das Blaue hinwegfegt – das hat etwas von einem Einzelkampf. Und die blaue Farbe ist für mich ein Symbol der Freiheit. Er hat auch ein Bild von Tupac Shakur für meine Filmwohnung gemalt und natürlich das Filmplakat.

Was sind das für Wohnungen, in denen gedreht wurde?

Dort leben Freundinnen und Freunde von mir. Denen habe ich gesagt, dass wir was Kleines drehen wollen, meinen Abschlussfilm, für den ich ja keine Förderung bekommen habe.

Wieso hat es keine Förderung gegeben?

Ich denke, die Förderung war nicht mit dem Thema einverstanden. Schon allein, dass es „weiblich“ ist und sexuell sehr radikal.

geb. 1984 in Ulan-Bator, ist eine mongolischdeutsche Regisseurin und Schauspielerin. Borchu studierte Regie an der Hochschule für Fernsehen und Film München. Ihr erster Dokumentarfilm, „Donne-moi plus“ (2007), lief auf dem Festival de Cannes. Für den Dokumentarfilm „Himmel voller Geigen“ (2011) erhielt Borchu auf dem DokFest München 2012 den Megaherz Film School Award. „Schau mich nicht so an“ (2015) ist ihr Spielfilmdebüt.

Und ich dachte immer, insgeheim würde auf solche Stoffe gelauert.

Na ja, es muss einem Klischee entsprechen. Und wenn du nicht zu diesem Stereotyp gehörst, bist du raus. Wenn du dann noch ein Schlitzauge bist und eine junge Filmemacherin, dann hast du da eigentlich so gut wie keine Chance. Ich wusste schon, dass mein Film „anders“ ist, aber ich dachte, beim Abschlusstopf – das ist ja noch nicht einmal der allgemeine Filmförderungstopf – sind sie vielleicht ein bisschen offener.

Ich stelle mir das sehr desillusionierend vor: Bevor es überhaupt an das Drehen geht, ist man eigentlich schon „durch“.

Als ich die Absage bekam, war ich wirklich enttäuscht. Sepp (Anm. d. Red.: Josef Bierbichler) und Catrina (Stemmer) hatten bereits zugesagt, alle waren am Start. Und dann vertrauen dir die Leute nicht, obwohl du jahrelang an der Filmhochschule warst. Aber wir mussten und wollten drehen. Dennoch war es für mich ein Schock, so sehr an mein Geschlecht erinnert zu werden.

„Schau mich nicht so an“. Regie: Uisenma Borchu. Mit ­Uisenma Borchu, Catrina ­Stemmer u. a. Deutschland/Mongolei 2015, 88 Min.

Die Absage wurde tatsächlich derart explizit begründet?

Ja, sie sagten, das Drehbuch sei „zu weiblich“. Aber das ist nichts, was ich nur bei der Auswahljury erlebt habe. Ähnliches ist mir auch bei Gesprächen mit dem DAAD (Anm. d. Red.: Deutscher Akademischer Austauschdienst) passiert. Denen habe ich das Projekt damals nämlich ebenfalls vorgestellt. Eine einzige Frau war bei den Auswahlgesprächen in Bonn dabei. Und die sagte zu mir: „Neunzig Minuten lang Frauen, sind Sie sich sicher?“ Da dachte ich mir: Wie kann man einer anderen Frau nur so in den Rücken treten?

War die Geschichte von Hedi und Iva schon lange in Ihrem Kopf?

In meinen Filmen habe ich eigentlich immer mit Frauen rumhantiert, gerade auch in meinen Dokumentarfilmen „Donne-moi plus“ und „Himmel voller Geigen“. Gelesen habe ich auch immer viel und noch mehr, als ich durch mein Kind auf einmal tiefer und auch anders in dieser Frauenwelt war. Vor allem Autorinnen aus den 30er und 40er Jahren. Da habe ich gemerkt, dass die Ängste und Befürchtungen immer noch dieselben sind. Mein Gefühl, das zuvor ohnehin schon existierte, wurde bestärkt.

Welches Gefühl?

Das Gefühl, dass die Frau extrem spannend ist! Weil sie seit Jahrhunderten unterdrückt ist. Und ich glaube, so eine Frau hat extrem viel zu erzählen. Die Figur „Frau“ eigentlich. Denn wir werden ja, wie man so berühmt sagt, dazu gemacht. Dahinter kommt man auch, wenn man die ganzen Rollenmuster der Gesellschaft am eigenen Leib spürt. Dann merkst du auch: Okay, das ist etwas, was richtig in mir bohrt. Und vor allem, wie Frauen untereinander mit sich umgehen, unter dem Druck, der herrscht. Auch das wollte ich mit den Charakteren Iva und Hedi ein bisschen fühlbarer machen.

Sie übernehmen in Ihrem Film selbst die Rolle der Hedi. Sie hat auf mich großen Eindruck gemacht, mich aber auch irritiert. Ich kann sie schwer einschätzen.

Hedi ist eine sehr starke Frau, die aber unter einem enormen Druck steht, irgendwo reinzupassen. Sie geht Schritte vorwärts, das muss man ihr anrechnen. Und man muss auch sehen, dass sie einfach nicht mehr reinpassen möchte, aufbegehrt. Ansonsten ist sie aber trotz allem jemand, der Angst hat und extrem unsicher ist. Genauso wie Iva. In der Folge gibt es fast keinen Moment, wo beide Frauen ehrlich zueinander sind. Es besteht eine Unehrlichkeit zwischen ihnen.

Aber was zieht sie dann zueinander? Dort muss doch etwas Ehrliches zu finden sein.

Es ist ein Reiz, den beide fühlen, weil sie sich doch ähneln. Sie empfinden diese Sympathie füreinander. Aber in dem Moment, in dem sie ehrlich sein könnten, sollten, sind Unsicherheit und Druck einfach zu heftig, um Schwäche zu zeigen. Das gilt doch auch für unsere Gesellschaft: Immer soll man wissen, was man möchte. Diese ganzen Pseudoanforderungen! Die eine kann das nicht erfüllen und die andere, Hedi, erfüllt das dann eben zu 150 Prozent.

Hedi raucht ununterbrochen, treibt Sport, macht Karrie­re, sieht toll aus, nimmt sich Männer mit nach Hause und wirft sie wieder raus, wenn sie ihr doch nicht passen. Die ist schon sehr cool. Und es macht Spaß, ihr dabei zuzusehen!

Ich habe letztens wieder eine BR-Redakteurin getroffen – denen hatte ich das Drehbuch auch vorgestellt – und die sagten damals „Was hat das mit unserer Realität zu tun?“ Jedenfalls meinte diese Redakteurin: „Ja, bald kommt Ihr Film ja ins Kino. Ihr Softporno.“ Das labern die da. „Und, hast du schon den Softporno gesehen, mit der Asiatin?“ Die sind sich ihrer gesellschaftlichen Verpflichtung überhaupt nicht bewusst. Sobald eine nackte Frau auftaucht, ist es sofort Porno.

Und dann reisen Hedi und Ivas kleine Tochter Sofia in die Mongolei. Sie begegnen Hedis Großmutter, Traditionen. Die Episode wirkt wie eine Traumsequenz.

Für manche sind diese Ebenen nervig, für andere sind sie gerade interessant. Wo man nicht sagen kann, was eigentlich läuft. Was ist die Wahrheit? Ja, wenn man das im Leben immer wüsste. Unser Gehirn macht einige krasse Sachen mit uns. Aber ich will den Film auch gar nicht erklären. Wenn ich mir einen Film ansehe, möchte ich auch am liebsten mit meinen eigenen Gedanken verbleiben.

Wollten Sie eigentlich schon immer Filme drehen?

Nein, erst mit zweiundzwanzig bin ich auf den Gedanken gekommen, dass ich vielleicht eine Filmemacherin sein könnte. Davor habe ich Französisch und Geschichte studiert, wollte Journalistin werden, ich dachte, das sei ein Traumjob. Aber als Journalistin muss man objektiv sein, deine eigene Meinung interessiert da niemanden. Ich dachte: Wenn du so expressiv bist, dann musst du etwas anderes versuchen.

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