Reisebericht Athen April 2017 : Überraschend anders

Gisela Buddée war im April 2017 mit der taz in Athen. Sie war überrascht von dem, was sie dort erlebt und gesehen hat. Ihre Eindrücke hat sie in Text und Bildern für uns skizziert.

Straßenszene in Athen Bild: G. Buddée

Schön war es in Athen. Gleichermaßen liebenswürdig und doch ganz unterschiedlich haben unsere „Reiseleiter“ Rodothea Seralidou und Alexander Theodoridis uns durch die Stadt, durch Geschichte und Gegenwart und – mindestens genauso wichtig – durch die hervorragenden Küchen geführt. Ihr hattet uns zuvor mit enormen Papierstapeln gefüttert.

Wir hätten auf alles, was wir sahen und hörten, gefasst sein können und waren es doch nicht. Wir hatten die Schlagzeilen der vergangenen Jahre von Pleiten und Krediten und Schulden (und den faulen Griechen auch) im Kopf, von Misstrauen und Feindschaft und bösen Schlagzeilen und hässlichen Bildern in griechischen Zeitungen. Wir lernten freundliche Menschen, hilfsbereite Gruppen, fantasievolle Initiativen kennen und eine Stadt, die keinen Tag wirklich fremd war.

Im besetzten Hotel Plaza Bild: G. Buddée

Wir besuchten ein besetztes Hotel, in dem Menschen aus verschiedenen Ländern mit Flüchtigen aus verschiedenen Ländern sinnvolle Alltage organisierten und wo ein französischer Fotograf ihnen in den Räumen Gesichter gab. Wir probierten den Eintopf, zu dem eine fröhliche Gruppe zum Essen für alle Armen auf der Straße einlud. Wir brachten Medikamente und Windeln in ein Krankenhaus, das Menschen ohne Krankenversicherung offen steht.

Wir staunten über eine genossenschaftlich organisierte Zeitung (und deren Terrasse mit traumhaftem Akropolisblick) wie über die Spuren der Nazibesatzung, von der die meisten von uns so wenig wussten. Und glücklicherweise war immer noch Zeit für einen Besuch im hervorragenden Akropolismuseum, einen Sprint auf die Berge für einen Überblick, lange Nächte in Kneipen, den einen oder anderen Blick auf die Documenta, die in der Stadt so wenig gegenwärtig ist. Für all das Dankeschön allen, die das möglich gemacht haben.

Fünf vor zwölf bei der Griechischen Nationalbank Bild: Th. Flach

Wir haben auch gelernt, dass „die Griechen anders“ sind, ein bisschen lässiger, dass sie mit ihrer Regierung und „Wolfgang“ (Schäuble) hadern, der so streng mit ihnen ist, und dass es, wie überall auf der Welt, schwer ist, die wirklich Reichen und Mächtigen dazu zu bringen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, von den Reedern z. B. Steuern einzutreiben, wenn sie doch diejenigen sind, denen Zeitungen gehören, Häuser, bedeutende Firmen und damit Arbeitsplätze…

Und dann waren wir zu Hause und haben gelesen, wie großzügig unsere Regierung die Dieselprobleme „reguliert“. Wie stolz unsere Regierung die elende Durchlöcherung eines neuen Gesetzes zur Leiharbeit feiert und damit die prekären Arbeitsverhältnisse für Millionen festschreibt. Wie wir unsere Daten für die Wirtschaft nutzbar machen sollen…

Vielleicht ist Griechenland überall.