Religionskunde statt religiöser Unterweisung: Muslime gegen Islamunterricht

Entgegen anders lautenden Medienberichten wollen Hamburgs Muslim-Verbände den vertraglich vereinbarten gemischtkonfessionellen Religionsunterricht.

Islamkunde - wie auf dem Bild in NRW - oder nicht, das ist die Frage. Bild: dpa

Keinen eigenen Islamunterricht wollen die muslimischen Verbände in Hamburg. Dies stellte am Donnerstag Mustafa Yoldas, Vorsitzender der Schura Hamburg klar. „Wir halten daran fest, dass es einen gemeinsamen Unterricht für Angehörige aller Religionen gibt – so wie es jetzt im Vertrag mit dem Hamburger Senat steht.“ Diesen hatte die Schura – die 43 Mitgliedsvereine vertritt – mit zwei weiteren Dachverbänden mit dem Land Hamburg ausgehandelt. Am Dienstag stelten ihn Verbandsvertreter und Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) vor.

Unter Artikel 6 ist dort geregelt, dass der gemischtkonfessionelle Religionsunterricht bestehen bleiben soll. Ändern soll sich, dass die muslimischen Verbände künftig an der Ausgestaltung des Unterrichts mitwirken sollen. Bisher war dies Privileg der evangelischen Kirche.

Dennoch meldeten am Mittwoch sowohl die Frankfurter Allgemeine Zeitung als auch Zeit Online ohne Quellenangabe, „den Muslimen“, beziehungsweise „den muslimischen Verbänden“ reiche dies nicht. Sie wollten ein eigenes Fach, das nur von Muslimen unterrichtet würde.

„Das Hamburger Modell des gemeinsamen Unterrichts hat sich bewährt“, sagt hingegen der Schura-Vorsitzende Yoldas der taz. Der Religionsunterricht biete die Chance, „von klein auf Respekt vor anderen zu lernen“.

Ein getrennter Unterricht dagegen berge die Gefahr, dass man „Klischees und Vorurteile konserviere“, anstatt sich mit den Lebensrealitäten von Andersgläubigen und Atheisten auseinanderzusetzen.

Das Argument, das auch die Kirchen – etwa die evangelische in Bremen – immer wieder anführen, SchülerInnen müssten authentisch in ihrem Glauben unterrichtet werden, um darin gefestigt zu werden, lässt Yoldas nicht gelten: „Es gibt doch nicht nur die Schule, sondern auch Familie und Gemeinde.“

Wichtig sei jetzt, das Fach, wie im Vertrag festgehalten, weiter zu entwickeln. Er könne sich etwa vorstellen, die Religionen in der Grundschule getrennt zu unterrichten und erst anschließend zusammenzuführen. Zudem werde man den neuen Unterricht schrittweise an Modellschulen einführen, um Praxiserfahrung zu sammeln.

Kirchen sind zufrieden

Die evangelische Kirche in Hamburg begrüßte den Vertrag. Verloren habe man nichts, sagte Mathias Benckert, Pastor und Pressesprecher der Nordkirche, in der die Kirchen von Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern aufgegangen sind. „Der Unterricht bleibt ja in evangelischer Verantwortung“, so Benckert. Die Inhalte würden jetzt aber gemeinsam mit den muslimischen Verbänden bestimmt. Und evangelische Inhalte seien weiter Bestandteil des Unterricht. „Das Ziel ist aber wie bisher nicht Bibelfestigkeit, sondern die Auseinandersetzung mit religiösen Themen.“

Wie schon Yoldas hob auch Benckert hervor, dass das Fach zur Toleranz erziehen könne. Dennoch sei eine gemeinsame Religionskunde in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern derzeit kein Thema. „Dort gibt es eine andere Tradition.“ In Hamburg hatte die evangelische Kirche Mitte der 90er Jahre damit begonnen, die anderen Religionen gleichwertig im Unterricht zu behandeln.

Auch Bremen will einen überkonfessionellen Unterricht anbieten, dessen Curriculum von den Religionsgemeinschaften in einem noch zu gründenden Beirat mitbestimmt wird. Im Unterschied zu Hamburg hat dort aber der Staat die Verantwortung für das Fach und nicht die Kirche. Gleichwohl ist in der Landesverfassung festgelegt, dass der „bekenntnismäßig nicht gebundene Unterricht in Biblischer Geschichte auf allgemein christlicher Grundlage“ stattfinden soll. Diese Formulierung wollten die Bremer Grünen ursprünglich streichen, um zu zeigen, dass alle Religionen gleich wichtig sind. Sie scheiterten mit diesem Vorhaben aber an der SPD.

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