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Ricarda Lang gibt Antworten Warum haben Linke keinen Humor?

Ricarda Lang, Bundesvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, füllt den taz FUTURZWEI-Fragebogen aus.

Ricarda Lang, 29, ist Bundesvorsitzende der Grünen und Bundestagsabgeordnete. Sie ist in Nürtingen aufgewachsen. Paula Winkler / Ostkreuz

taz FUTURZWEI | Was hat Ihr Denken beeinflusst, Ricarda Lang?

Auf jeden Fall meine Kindheit, insbesondere meine Mutter, die mir ein starkes Streben nach Gerechtigkeit mitgegeben hat. Und ideengeschichtlich ist es, zum Beispiel, die Französische Revolution mit ihrem Versprechen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit – auch Schwesterlichkeit – dessen tatsächliche Verwirklichung für alle Menschen das Ziel bleibt.

Wer hat Ihr Denken beeinflusst?

Die erste Denkerin, die mich wirklich beeinflusst hat, war Simone de Beauvoir, dadurch, wie sie es schafft, gesellschaftliche Missstände aufzuzeigen, dabei aber nie Opfer wird. Als ich das erste Mal ein Buch von ihr las, war das wie ein Befreiungsschlag. Im Moment sind es vor allem Ökonomen wie Isabella Weber oder Adam Tooze.

Ihre Lieblingsdenkerin, die sonst niemand kennt?

Hedwig Dohm kennen auf jeden Fall noch zu wenige.

An welchem gefährlichen Gedanken denken Sie rum?

Die Rückkehr von »It’s the economy, stupid«. Dass wir beim Klimaschutz aufhören sollten, über das Klima zu reden. Und stattdessen über das, worum es wirklich geht, den Schutz von Wohlstand, Freiheit, Menschen.

Welche Diskussion ist komplett festgefahren?

Die Wachstumsdebatte, solange sie sich mehr oder weniger zwischen einem einfachen Ja und Nein abspielt.

Welche Position langweilt sie?

Sprachkritik.

Welche drei Menschen der Zeitgeschichte würden Sie zu einem Abendessen einladen wollen?

Zählt Teddy Roosevelt noch als Zeitgeschichte? Sonst Jane Goodall, Philip Pullman und Francia Márquez. Und irgendjemand, der besser kocht als ich.

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Wen finden Sie gut, obwohl Ihre Peergroup ihn oder sie blöd findet?

Blöd finden wahrscheinlich nicht, aber in meiner Peergroup weniger verbreitet: Dietrich Bonhoeffer. Seine Texte zu Schuld und Verantwortung haben mich gerade in Bezug auf schwierige Entscheidungen rund um Putins Angriffskrieg auf die Ukraine sehr bewegt. Und bei Musik mochte ich schon immer nur Dinge, die alle um mich rum uncool fanden: James Blunt, Céline Dion und Radio Paradiso.

Welche drei Bücher würden Sie als Deutschlehrerin lesen lassen?

Der Tod in Venedig von Thomas Mann, Menschenkind von Toni Morrison und Mein Lied geht weiter (Gedichtband) von Mascha Kaléko.

Welche Künstler/-innen sind auf der Höhe der entscheidenden Fragen?

Christopher Nolan, eigentlich immer, zuletzt mit Oppenheimer, Édouard Louis als Wortkünstler, und wenn es um Liebe geht, Taylor Swift.

Die überschätzteste Figur der Gegenwart überhaupt.

Elon Musk, der auf jeden Fall die Frage aufwirft, wie viel Macht ein Mann allein aufgrund seines Reichtums haben sollte.

Warum scheuen Linke den Humor?

Das Gegenteil beweise ich gerne mal bei einem Bier im Wesereck.

Wissen Sie, was Sie hoffen?

Im Moment ja. Ich hoffe aber, dass ich in Zukunft Dinge hoffen werde, die ich heute noch nicht weiß.

Findet Sie das Glück?

Meistens mache ich mich selbst auf die Suche.

Wem wären Sie lieber nie begegnet?

Sobald ich diese Frage ehrlich beantworte, wird sie zu persönlich.

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Wer Ernst machen will, muss verstehen, warum wir nicht gegen die Klimakrise handeln, obwohl wir alles wissen: Ohne Kulturwandel kein Weltretten.

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Wann haben Sie aufgehört zu glauben, dass Sie klüger werden (oder glauben Sie es noch)?

Wer glaubt, dass er nicht mehr klüger werden kann, wird vermutlich von Tag zu Tag dümmer. Der Verstand ist ein Werkzeug, das rosten kann.

Wenn Sie Macht hätten zu befehlen, was Ihnen heute richtig scheint, würden Sie es befehlen gegen den Widerspruch der Mehrheit? Ja oder nein?

Von Befehlen halte ich wenig. Zumal ich davon überzeugt bin, dass sich das Richtige langfristig nur trägt, wenn es von der Gesellschaft getragen wird. Wenn es aber darum geht, demokratisch legitimiert Macht in der repräsentativen Demokratie auszuüben, dann ist das meine Aufgabe. Wir brauchen Politiker, die auch mal ins Risiko gehen und bereit sind, aus Fehlern zu lernen. Was uns nicht davon entbindet, immer wieder um Mehrheiten zu kämpfen. Verantwortungsvolle Politik heißt nicht nur, das Mögliche zu tun, sondern das Nötige möglich zu machen.

Wenn Sie und alle, die Sie kennen, tot sind – interessiert Sie dann die Weiterexistenz der Menschheit noch?

Klar. Ich bin Universalistin. Und genau deshalb Klimaschützerin.

Lernen Sie von einer Liebesbeziehung für die nächste?

Da bin ich altmodisch und hoffe, dass ich innerhalb einer Beziehung lerne und bereit bin, daran zu arbeiten.

Worum geht es im Leben eigentlich?

Freiheit. Nicht als Ablehnung des Gesellschaftlichen. Sondern verwirklicht in Solidarität.

Gibt es zu viel des Guten?

Wenn es dadurch beliebig wird, ja.

Wie alt möchten Sie werden?

Das Wichtigste ist für mich, dass ich nicht zynisch werde. Das trifft hoffentlich möglichst lange zu.

Es gibt nur Gangster oder Trottel. Was sind Sie dann?

Als Gangster wäre ich auf jeden Fall ein Trottel.

Dieser Beitrag ist im September 2023 im Magazin taz FUTURZWEI N°26 erschienen.