Röttgens Wahlkampf in NRW: Mann ohne Currywurst

Norbert Röttgen könnte am Sonntag das bislang schlechteste CDU-Ergebnis in Nordrhein-Westfalen einfahren. Jetzt soll ihm die Bundeskanzlerin helfen.

Röttgen redet lieber mit Parteifreunden – aber manchmal findet er auch ins Volk. Bild: reuters

LANGENFELD/ARNSBERG taz | Kürzlich wirkte Norbert Röttgen noch euphorisch. Mitte April saß er mit Journalisten im Wahlkampfbus. Röttgens CDU-Landesverband lud zum Straßenwahlkampf – und der Spitzenkandidat erklärte sich schon zum Sieger der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 13. Mai.

Eine Umfrage für das ZDF-Politbarometer sah Röttgens CDU nur noch 3 Prozentpunkte hinter den Sozialdemokraten von Hannelore Kraft. „Der Erfolg unseres Wahlkampfs ist erkennbar: Unsere Werte steigen, die anderen fallen“, verkündete er.

Seither wiederholt der 46-Jährige Rheinländer aus Meckenheim bei Bonn seine Kernbotschaften roboterhaft: Krafts Politik sei inhaltsleer, die der Slogan „SPD ist Currywurst“ wirke demoralisierend auf die GenossInnen. Kraft sei „Schuldenkönigin“, führe NRW in „griechische Verhältnisse“. Er dagegen werde „Politik aus den Augen unserer Kinder machen“ und die „Energiewende nach NRW bringen“.

Doch die Euphorie des Bundesumweltministers, seine an Arroganz grenzende Selbstsicherheit wirken wenig glaubwürdig. Merkwürdig distanziert ist sein Wahlkampf: Statt auf die WählerInnen zuzugehen, redet der Jurist lieber vor Parteifreunden – auf dem Programm stehen zuerst die Kommunalpolitiker, dann die CDU-Mittelstandsvereinigung.

Bürgerkontakt hat der Herausforderer erst am Nachmittag – und scheint abwesend: Bei einem sorgfältig inszenierten Gang über den Markt des rheinischen Städtchens Langenfeld überreicht ihm ein Markthändler einen Obstkorb. In der Mitte prangt eine Ananas. „Alles aus der Region?“, fragt Röttgen.

Schwitzen beim TV-Duell

Nur unkonzentriert – oder doch schon hochnervös? Beim Fernsehduell gegen Kraft schwitzt Röttgen so stark, dass dies später sogar zum Thema wird. Der Berliner Minister sei – wieder einmal – verspätet aufgetaucht, habe sich nicht an die Studiotemperatur in der Kölner Vulkanhalle gewöhnen können, heißt es danach erklärend.

Auch inhaltlich kann Röttgen nicht punkten. Wo genau er die vielfach beschworenen Milliarden einsparen will, sagt er nicht. Die versprochene finanzielle Entlastung der Jungen wird damit zur leeren Stanze. Unglaubwürdig scheint auch der Versuch, die Energiewende für sich zu vereinnahmen: Röttgens Landesgeneral Oliver Wittke tönte nach der gewonnenen Wahl 2005, die Windkraft sei „das Erste, was wir kaputtmachen werden“ – auf der aktuellen Landesliste kandidiert Wittke trotzdem auf Platz vier.

Und zur Urananreicherungsanlage Gronau, die jedes zehnte Atomkraftwerk weltweit mit Brennstoff beliefert, will der Bundesminister für Reaktorsicherheit am liebsten gar nichts sagen. Auch nach dem deutschen Atomausstieg habe er kein „moralisches Problem“ mit dem massiven Export von Atombrennstoff, macht er dann klar.

Entsprechend mies sind die aktuellen Umfragen. Röttgen könnte in NRW das schlechteste CDU-Ergebnis aller Zeiten einfahren. Eine Infratest-Umfrage gibt den Christdemokraten gerade noch 30 Prozent. Sein Kalkül, den Vorsitz des größten CDU-Landesverbands in Berlin als Hausmacht zu nutzen, ohne sich in NRW beweisen zu müssen, ist schon jetzt gescheitert.

Merkel wirkt Müde

Retten soll Röttgen, der sich zum Merkel-Nachfolger aufbauen wollte, jetzt Angela Merkel selbst: Immer wieder schleppt Röttgen die Kanzlerin auf Nordrhein-Westfalens Marktplätze. Merkel wirkt dabei müde. Beobachter gewinnen den Eindruck, sie könnte die Wahl schon abgeschrieben haben.

Im konservativen Arnsberg im Sauerland etwa sind am vergangenen Donnerstag zwar rund 2.000 Menschen gekommen, um die Chefin der Bundesregierung zu sehen – doch kaum jemand klatscht, als Merkel die Globalisierung, die Bevölkerungsexplosion in China für den immer schärferen Konkurrenzdruck auf dem deutschen Arbeitsmarkt verantwortlich macht.

Abgehoben beschwört Röttgen sein „Ethos“ der Schuldenfreiheit und muss hinnehmen, dass ihm die Kanzlerin sogar widerspricht: „Nicht nur eine Partei“ habe die Republik „seit den sechziger Jahren“ verschuldet. Es folgt die Nationalhymne. Die Christdemokraten um Röttgen und Merkel stehen auf der Bühne stramm. Nicht wenige Besucher stöhnen auf – und gehen.

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