Rot-rote Koalition in Brandenburg: Regierung mit „einem Sarrazin“

In Potsdam besiegeln SPD und Linke die Neuauflage von Rot-Rot. Innenminister wird ein Rechter, für Agrar ist ein Genosse der Hühnerbarone vorgesehen.

Dietmar Woidke (l., SPD-Ministerpräsident) und Christian Görke (Finanzminister, Linkspartei) bei der Unterzeichnung der Koalitionsvertrags. Bild: imago/Michael Müller

POTSDAM/BERLIN taz Nun ist es amtlich. Am Montagnachmittag haben SPD und Linke die Neuauflage von Rot-Rot in Brandenburg besiegelt. Die beiden Parteichefs Dietmar Woidke und Christian Görke unterzeichneten in Potsdam den Koalitionsvertrag. Neben der personellen Stärkung von Schulen und Kitas legt der Vertrag fest, die Zahl Polizisten im Land nicht so weit abzusenken, wie das bislang geplant war. Ziel ist es zudem, den Haushalt wie bisher ohne neue Kredite zu finanzieren.

Im neuen Kabinett gibt es tiefgreifende Veränderungen. Die Linkspartei, die bei der Wahl im September von 27,2 auf 18,6 Prozent abgesackt war, musste ein Ministerium abgeben. Der Wahlsieger SPD besetzt nun sechs Ministerien, dem Koalitionspartner bleiben nur noch drei statt wie bislang vier Ressorts.

Auf Seiten der SPD bleibt lediglich die parteilose Wissenschafts- und Kulturministerin Sabine Kunst an ihrem Platz. Neuer Wirtschaftsminister wird der bisherige Staatskanzleichef Albrecht Gerber; neue Infrastrukturministerin die bisherige Staatssekretärin des Ministeriums, Kathrin Schneider. Beide sind SPD-Mitglieder. Das Innen- und das Agrarressort gehen ebenfalls an Sozialdemokraten.

Die Linke behält das Finanz- und das Justizministerium sowie das Arbeits- und Sozialministerium. Dieses wichtige Ressort übernimmt künftig Diana Golze. Die 39-Jährige wechselt vom Bundestag in den Potsdamer Landtag. In Berlin hatte sie sich als kinder- und jugendpolitische Sprecherin ihrer Fraktion einen Namen gemacht.

Koalitionsziel: weniger Landkreise

Für Irritationen sorgt vor allem eine Personalentscheidung. Ministerpräsident Woidke hat Karl-Heinz Schröter als neuen Innenminister nominiert. Schröter war bislang SPD-Landrat von Oberhavel. Dort fiel er durch Kompromisslosigkeit, mitunter auch Herablassung gegenüber Grünen und Linken auf. Einig schien er hingegen meist mit der CDU, vor allem was die restriktive Flüchtlingspolitik in dem Berlin-nahen Landkreis anging.

Trotz der Weisung aus dem Innenministerium, den Flüchtlingen in Brandenburg die ihnen gesetzlich zustehenden Leistungen in bar auszuzahlen, hielt Schröter am Gutscheinsystem fest. Nun wird Schröter selbst Innenminister. Axel Vogel, Fraktionschef der Grünen im Potsdamer Landtag, nennt die Personalie gegenüber der taz „hochdramatisch“. Der Oberhaveler Linke-Politiker Peter Ligner nennt Schröter einen „innenpolitischen Sarrazin“.

Schröters Ruf als politischer Hardliner ist es wohl, der ihn qualifiziert. Der Vorsitzende des Brandenburger Landkreistages soll die angekündigte Gebietsreform durchsetzen. Aus 14 Landkreisen und vier kreisfreien Städten sollen künftig zehn Kreise werden. Dass Schröter sich bislang eigentlich gegen diese Schrumpfkur eingesetzt hatte, schien kein Hindernis zu sein.

Noch eine weitere Ressortentscheidung sorgt für Unruhe. Durch das Zusammenlegen seines Landwirtschaftsministeriums mit dem Umweltressort erhält SPD-Mann Jörg Vogelsänger künftig deutlich mehr Gestaltungsmacht. Der Fünfzigjährige gilt als großer Verfechter der Interessen der industriellen Landwirtschaft. Das beunruhigt die Grünen. Durch die Ressortfusion werde Vogelsänger künftig „nicht nur für die Fördermittelvergabe an Schweinemäster und Hühnerbarone zuständig, sondern gleichzeitig auch noch für die Genehmigungsverfahren von Stallanlagen“, kritisiert Fraktionschef Vogel.

SPD und Linke können nur hoffen, dass ihnen in den kommenden fünf Jahren tiefgreifender Streit erspart bleibt. Mit 47 Stimmen verfügt Rot-Rot über eine sehr knappe Mehrheit im 88-köpfigen Landesparlament.

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