Rote Flora spricht mit Anwohnern: Militanz in Maßen

Die Rote Flora diskutiert mit dem Schanzenviertel über die G20-Krawalle. Die Versammelten machten sich Sorgen um die Gewalt der Polizei.

Flora-Sprecher Andreas Blechschmidt vor der Roten Flora

Flora-Sprecher Andreas Blechschmidt vor dem Gebäude Foto: dpa

HAMBURG taz | Eine „außerordentliche Stadtteilversammlung“ in Hamburg-St. Pauli hat sich am Donnerstagabend per Akklamation gegen die „Schließung der Roten Flora und anderer linken Zentren“ gewandt. Grundsätzliche Ablehnung politischer Militanz wurde nicht geäußert, allerdings müsse kontrolliert damit umgegangen werden: Es sei unverantwortlich, Barrikaden in der Nähe von Wohnhäusern anzuzünden und Feuer in einem Supermarkt zu legen, über dem Menschen wohnten.

Zu der Stadtteilversammlung im „Ballsaal“ des Millerntor­stadions waren mehr als 1.000 Menschen gekommen. Eingeladen hatte eine Reihe linker Ini­tia­tiven aus dem Stadtteil. Grund dafür war der politische Druck, dem sich das autonome Kulturzentrum Rote Flora wegen der Krawalle im Schanzenviertel ausgesetzt sieht. Nicht nur die CDU, auch die zusammen mit den Grünen regierende SPD ist flügelübergreifend der Meinung, dass die Gewalt Konsequenzen haben müsse.

Noch in der Krawallnacht hatte sich Flora-Sprecher An­dreas Blechschmidt von den Exzessen distanziert. Das wiederum wurde konterkariert durch eine Äußerung des Flora-Anwalts Andreas Beuth, der „gewisse Sympathien für solche Aktionen, aber doch nicht im eigenen Viertel, wo wir wohnen“, äußerte und sich hernach missverstanden wissen wollte.

Zugleich musste sich Blechschmidt von Teilen der Szene vorwerfen lassen, die Flora wolle sich lieb Kind machen, indem sie sich entsolidarisiere. Die Flora, hieß es auf der Versammlung am Donnerstag, habe kein Camp und keine Demonstration organisiert – das habe sich lediglich personell überschnitten.

Die Rechtsbrüche der Polizei

Das Problem, wie exzessive Gewalt von links diskutiert werden kann, ohne die Szene zu spalten, grundierte einen großen Teil der diszipliniert geführten Debatte. Er habe keine Lust, noch einmal Demonstranten daran hindern zu müssen, eine Tankstelle in Brand zu setzen, sagte ein Anwohner. In solchen Aktionen stecke „ein großes Entsolidarisierungspotenzial, das von links ausgeht“. Die große Mehrheit der Versammelten machte sich allerdings deutlich mehr Sorgen über die Gewalt und die Rechtsbrüche der Polizei als über die Gewalt der Demonstranten.

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Mehrfach wurde die Ansicht geäußert, der Senat habe die Lage bewusst eskalieren lassen, um die linke Szene zu diskreditieren und die Inhalte des Protests in den Hintergrund treten zu lassen. Obwohl die ModeratorInnen ausdrücklich dazu aufforderten, abweichende Meinungen zu äußern, bekannte sich fast jeder erst einmal dazu, „links“ zu sein. Es gab Leute, die sich freuten, dass dem Staat kurzzeitig das Gewaltmonopol entrissen wurde und andere, die sehnsüchtig darauf warteten, dass die Wasserwerfer endlich die Barrikaden löschen würden.

AnwohnerInnen äußerten sich teilweise bedrückt und verängstigt über die massive Polizeipräsenz vor und während des Gipfels, insbesondere durch die ständig kreisenden Hubschrauber. Andere freuten sich über die leeren Straßen und das nachbarschaftliche Miteinander. Viele äußerten sich begeistert darüber, dass es gelungen sei, viele Tausende Menschen für die Demonstrationen und Blockaden zu mobilisieren.

VertreterInnen der Stadtteil­initiativen versuchten, den Schwung zu nutzen und Leute für die weitere politische Arbeit zu mobilisieren. Dazu könne es gehören, die Erlebnisse während des Gipfels zusammenzutragen und auch einen eigenen Untersuchungsausschuss auf die Beine zu stellen – parallel zu dem Sonderausschuss, den die Hamburgische Bürgerschaft nach der Sommerpause plant.

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