Ruanda-Völkermordprozess in Frankfurt: Erschöpfte Augenzeugen

Die ruandischen Zeugen im Prozess gegen Exbürgermeister Rwabukombe scheinen immer wieder überfordert. Jetzt will die Verteidigung nach Ruanda reisen.

Überlebende des Völkermordes an Tutsi (Bild von 1997). Bild: ap

FRANKFURT taz | Eigentlich wäre er ein willkommener Zeuge für die Verteidigung. Denn der ehemalige ruandische Consellier sagt an diesem Mittwoch vor dem Oberlandesgericht Frankfurt aus, dass der Angeklagte Onesphore Rwabukombe nicht alle Tutsi gehasst habe. Manche habe der damalige Bürgermeister von Muvumba sogar geschützt.

Als am 10. April 1994 der Völkermord schon begonnen hatte, habe Rwabukombe seine Bürger zur Ruhe aufgerufen. Sie sollten sich nicht einmischen, habe er in einem Flüchtlingslager gesagt. Schließlich würden sie sich in der Gemeinde Murambi, in der sie vor dem Krieg Zuflucht gesucht hatten, nicht auskennen. "Wenn sie Streit wegen Feldern haben", habe Rwabukombe gesagt, "dann haben wir damit nichts zu tun." Und wenn es um die Herkunft gehe, "wisst ihr nicht, wer Hutu und wer Tutsi ist".

Doch wirklich konkret wird der Zeuge nicht. Oft weicht er aus. Etwa wenn es darum geht, ob Rwabukombe mit Jean-Baptiste Gatete zusammengearbeitet hat, der bis 1993 Bürgermeister von Murambi gewesen war und mittlerweile vom Ruanda-Tribunal der UNO wegen Völkermord verurteilt wurde. Dann wiederholt der Consellier, der als Ortsvorsteher früher Rwabukombe unterstand, die Frage des Staatsanwalts zunächst, um sie dann doch nicht zu beantworten. Der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel ist daher skeptisch: "Das ist typisch für eine ausweichende Aussage", sagt er. "Ich erwarte keine wahrheitsgemäße Aussage von diesem Zeugen."

Offen bleibt, warum der Consellier viele Fragen nicht beantwortet. Will er Rwabukombe schützen? Hat er Angst davor, ihn zu entlasten? Oder fürchtet er, sich selbst zu belasten? Das Gericht findet darauf keine Antwort. Vielleicht ist der 67-Jährige auch schlicht mit der Situation überfordert. Ein anderer Zeuge, der für diesen Prozesstag ebenfalls extra aus Ruanda angereist ist, kann gar nicht aussagen. Erst klagt er über Kopfschmerzen, später muss er sich laut dem Gericht gar übergeben. Nun soll er kommende Woche vernommen werden.

Ein weiterer Zeuge wirkt an diesem Mittwoch 8. Juni ebenfalls etwas überfordert, wenn er Widersprüche erklären soll, die sich zwischen seiner Aussage vor Gericht und dem auftun, was er 2009 BKA-Beamten gesagt hat. Zuvor hat er Rwabukombe belastet. Doch die wirklich schwerwiegenden Anschuldigungen hat er nur von anderen gehört. Etwa, dass der Bürgermeister einen anderen Consellier bedroht haben soll, weil der Tutsi versteckte. Oder dass Rwabukombe bei einer Versammlung anwesend war, bei der Bürgermeister und Milizen-Führer beschlossen haben sollen, die Tutsi in der Kirche von Kiziguro zu töten.

Bislang ist das Massaker von Kiziguro der einzige Hauptpunkt der Anklage, der in Frankfurt ausgiebig verhandelt wurde. Von den beiden anderen Massakern, die Rwabukombe vorgeworfen werden, haben bislang keine Zeugen direkt berichten können. Vergangene Woche sagte eine Zeugin aus, sie habe gesehen, wie Rwabukombe am 11. April 1994 in Kiziguro Befehle erteilte. Weil die 34-Jährige nach viereinhalb Stunden sichtlich erschöpft war, hatte der Richter ihre Vernehmung unterbrochen.

Am Dienstag 7. Juni befragen nun Rwabukombes Verteidigerinnen die Zeugin. Doch dabei suchen sie nicht nach Widersprüchen in der Zeugenaussage, sondern erfragen vor allem den Lebenslauf der Hauptbelastungszeugin. Wann sie wo zur Schule gegangen sei, wie ihre Lehrer hießen, auf welchem Weg ihre Eltern geflohen seien.

Sagebiel geht dazwischen: "Was hat das denn mit der Anklage zu tun? Sie war doch bei der Flucht ihrer Eltern gar nicht zugegen." Anwältin Kersten Woweries verteidigt sich: "Sie ist eine zentrale Zeugin." Sagebiel schüttelt den Kopf: "Sie stochern doch sehr im Nebel. Ich kann mir ja vorstellen, dass sie vielleicht Zeugen finden wollen, die sagen, die Zeugin sei mit ihren Eltern geflohen. Aber das ist doch sehr weitläufig." Die Eltern der Zeugin hatten Kiziguro bereits vor dem Massaker verlassen.

Das Gericht hat den Verteidigerinnen bereits zugesagt, deren Kosten für eine Reise nach Ruanda zu übernehmen. Vermutlich im Juli, wenn während der Sommerferien eine längere Verhandlungspause ansteht, werden die beiden Anwältinnen dort nach weiteren Zeugen suchen. Sollten sie welche finden, dürfte das den Prozess deutlich verlängern.

Am Mittwoch beantragen sie schon mal, den früheren Priester der Kirche von Kiziguro zu laden. Der Spanier hatte die Kirche aber schon vor dem Massaker verlassen. Die Anwältinnen wollen ihn nur zu einer Mauer befragen, die zwischen der Zeugin und Rwabukombe stand. Die Zeugin sagt, dass sie darüber hinweg schauen konnte. Laut der Bundesanwaltschaft steht die Kirche auf einem Hügel, der Höhenunterschied ermögliche diesen Blickwinkel. Doch die Richter kennen den Tatort nur von Fotos. Als es der Zeugin vergangene Woche immer schwerer fiel, diesen vermeintlichen Widerspruch aufzuklären, riet sie den Richtern: "Am besten fahren Sie hin und schauen selbst." Doch eine Ortsbegehung ist bislang nicht vorgesehen.

In der kommenden Woche werden vorerst zum letzten Mal Zeugen aus Ruanda nach Frankfurt reisen - darunter auch ein weiterer Überlebender des Massakers von Kiziguro. Die übrigen Ruander, die bislang als Zeugen vernommen werden sollen, sitzen im Gefängnis. Sie will das Gericht per Video-Konferenz vernehmen.

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