Ruanda-Völkermordprozess in Frankfurt: Völkermord ja, aber auch Täter?

Zwischenbilanz im Prozess gegen Exbürgermeister aus Ruanda: Das Gericht sieht Rwabukombes Schuld als erwiesen an, aber das Ausmaß ist unklar.

Schweigt weiterhin: Der angeklagte Onesphore Rwabukombe. Bild: dapd

FRANKFURT/MAIN taz | Ursprünglich sollte an diesem Tag das Urteil fallen. Doch der Völkermordprozess gegen den ruandischen Ex-Bürgermeister Onesphore Rwabukombe dauert deutlich länger als geplant.

Während der Befragung von mehr als 50 Zeugen haben sich viele neue Spuren ergeben. Das Oberlandesgericht Frankfurt muss dem nun nachgehen. So hat es am Dienstag lediglich eine erste Zwischenbilanz gezogen.

Nach den bislang vorliegenden Zeugenaussagen gehen die fünf Richter des Strafsenats davon aus, dass Rwabukombe anwesend war, als Hutu-Milizen am 11. April 1994 während des Völkermordes an Ruandas Tutsi über 1.200 Menschen massakrierten, die sich in die Kirche des Ortes Kiziguro geflüchtet hatten. Aufgrund seiner Autorität als Bürgermeister habe er mit "hoher Wahrscheinlichkeit" das Geschehen tatsächlich beeinflusst, wie das Gericht nun feststellte.

Anlass für diese Feststellung war die Neufassung des Haftbefehls, die nötig wurde, nachdem sich Freunde Rwabukombes in einem Brief an das Gericht und die Bundesanwaltschaft über die Untersuchungshaft beklagt hatten. Der ehemalige Bürgermeister der ruandischen Gemeinde Muvumba, der seit 2002 in Deutschland lebt, sitzt mittlerweile seit gut einem Jahr und neun Monaten im Gefängnis.

Da bislang wenig bewiesen sei und der Prozess noch Monate dauere, sei die Untersuchungshaft nicht mehr angemessen, fanden seine Freunde. "Wir müssen die Haftfrage ja ständig erörtern", sagte der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel am Dienstag, als er eine Aussetzung der Untersuchungshaft ablehnte. "Heute wollen wir das auch mal in der öffentlichen Verhandlung tun."

Mindestens Beihilfe zum Völkermord

Dabei legte Richter Sagebiel Rwabukombe nahe, endlich sein Schweigen zu brechen: "Das wäre auch eine Chance." Nach derzeitigem Stand müsse Rwabukombe mindestens mit einer Verurteilung wegen Beihilfe zum Völkermord rechnen. "Das wäre eine zeitliche Freiheitsstrafe", sagte Sagebiel. "Ich könnte mir das im einstelligen Bereich vorstellen." Mit der Befragung weiterer Zeugen könne sich das freilich noch ändern. Die Mittäterschaft - und damit eine lebenslange Freiheitsstrafe - stünde weiterhin im Raum.

Die bisherigen Zeugenaussagen dazu bezeichnete Sagebiel allerdings als "vage". Das Umfeld des Angeklagten schätzt die bisherigen Aussagen als äußerst dünn ein. In der Tat sind mittlerweile zwei Anklagepunkte, nämlich Anordnung zweiter Massaker in Kibungo und Kabarondo, mehr oder weniger vom Tisch. Die Bundesanwaltschaft hatte für beide Vorwürfe nur je einen Zeugen. Ein Zeuge widerrief, was er den Beamten während der Ermittlungen gesagt hatte. Der andere Zeuge wirkte nicht glaubwürdig.

Rwabukombes Verteidigerinnen bemängeln zudem immer wieder die Aussagen der drei Zeugen, die den Angeklagten in Kiziguro gesehen haben. Zwei von ihnen sagten, sie hätten gehört, wie der Bürgermeister seine Bürger mit den Worten "Helft! Helft!" oder "Arbeitet! Arbeitet!" zum Morden aufgefordert habe. Die Anwältinnen bemängeln, dass sich die Darstellungen der drei Zeugen in Details unterscheiden, und unterstellen implizit, die ruandische Regierung wolle mit gezielten Falschaussagen fingierter Zeugen Rwabukombe hinter Gittern bringen.

Die Bundesanwaltschaft wertet die Unterschiede aber gerade als Beweis für die Wahrhaftigkeit der Aussagen. Schließlich liegt das Geschehen mehr als 17 Jahre zurück. Es sei normal, dass Erinnerungen abweichen. Die feinen Unterschiede am Rande seien daher unausweichlich.

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