Ruanda-Völkermordprozess: Mordbefehl "kam vom Bürgermeister"

Zwei Überlebende des Massakers an über 1000 Tutsi in Kiziguro am 11. April 1994 sagen in Frankfurt aus: Der Angeklagte war's. Sie haben ihn gesehen und gehört.

Der Massakerort: Kirche im ruandischen Kiziguro. Bild: taz

FRANKFURT taz | Cyrille K. verdankt sein Leben einem Missgeschick. Als ihn ein Hutu am 11. April 1994 zwang, ihm dabei zu helfen, die Kirche von Kiziguro zu plündern, stolperte der damals 14-jährige ruandische Junge und fiel in einen Wassertank. Dort war er vor den Mördern sicher.

Etwa 3000 Tutsi hatten kurz nach Beginn des ruandischen Völkermords Schutz in der Kirche gesucht. Nur wenige hatten so viel Glück wie Cyrille K., als Milizen die Schutzsuchenden massakrierten. Über tausend Menschen starben an diesem Tag.

Mehr als 17 Jahre später ist er von Kigali nach Frankfurt geflogen, um gegen einen der mutmaßlichen Verwantwortlichen des Massaker von Kiziguro auszusagen. Mit demselben Flugzeug und aus demselben Grund ist auch Celestin T. nach Deutschland gekommen. Beide belasteten diese Woche vor dem Oberlandsgericht Frankfurt den ruandischen Ex-Bürgermeister Onesphore Rwabukombe schwer. Sie sagten, sie hätten selbst gesehen und gehört, wie Rwabukombe während des Massakers Befehle gab. Damit haben jetzt fünf Zeugen den Angeklagten direkt wegen des Massakers belastet.

Rwabukombe war damals Bürgermeister der Gemeinde Muvumba. Während des Bürgerkriegs, der dem Völkermord vorherging, floh er mit den Bürgern seiner Gemeinde nach Murambi. Dort lebten die Flüchtlinge in verschiedenen Lagern, Rwabukombe kümmerte sich als Bürgermeister weiter um sie. Nach dem Völkermord floh Rwabukombe über Tansania und den Kongo nach Deutschland. Deshalb steht er jetzt hier vor Gericht.

Cyrille K. ist davon überzeugt, dass in Murambi der Völkermord weniger schlimm ausgefallen wäre, wenn Rwabukombe und seine Leute sich nicht daran beteiligt hätten. "Die Flüchtlinge waren stärker und schlimmer als die Einheimischen", sagte er aus. Celestin T. bestätigte das. Die Flüchtlinge, also die von anderwso gekommenen Hutu um Rwabukombe, hätten eine wichtige Rolle gespielt. Früher hätten die Einheimischen Tutsi bloß geschlagen. Als die Flüchtlinge kamen und sie unterstützen, habe das Töten angefangen.

Die beiden Zeugen wollten sich kurz nach Beginn des Völkermords in der Kirche in Sicherheit bringen. Bei früheren Auseinandersetzungen oder Verhaftungswellen sei das Gotteshaus immer ein sicherer Ort gewesen. Vier Tage lang trauten sich die Hutu-Extremisten auch offenbar nicht, die Kirche zu stürmen und die Tutsi dort zu töten. Cyrille K. vermutet, man habe die Tutsi dort sammeln wollen, damit keiner entkommt. Am 11. April habe Rwabukombe zusammen mit den Verwaltern von Murambi grünes Licht für den Angriff gegeben.

Laut Celestin T. führten Rwabukombe und die anderen Verwalter ihre Leute auf das Kirchengelände. Diejenigen, die sich in der Kirche versteckt hatten, mussten, wie beide Zeugen aussagten, mit erhobenen Händen auf den Kirchhof kommen. Dort seien Hutu und Tutsi getrennt worden.

Zudem, so Celestin T., sei eine Liste mit Namen verlesen worden. Dann habe der Angeklagte seine Leute dazu aufgefordert, mit der Arbeit zu beginnen. Daraufhin hätten dieses angefangen mit Macheten, Knüppeln und Lanzen Tutsi zu töten. Als erste mussten laut seiner Aussage die sterben, deren Namen auf der Liste standen.

Cyrille K. hat von diesem Mordbefehl nichts mitbekommen. Er habe aber gehört, wie Rwabukombe den Abtransport der Leichen zu einem Loch hinter der Kirche organisiert habe. In dieses Loch, wo die Priester der Kirche früher vergeblich nach Wasser gesucht hatten, wurde auch Celestin T. geworfen. Die Mörder hielten ihn für tot. Fünf Tage lang lag er verletzt in der Grube zwischen den Leichen, bis er gerettet wurde.

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