Rückschlag für den HSV: Schwach und schwindelig

Nach der 1:2-Niederlage gegen Hannover 96 sind die Hamburger in höchster Abstiegsgefahr. Eine Demütigung erster Güte.

Hat immerhin ein Tor geschossen: Hakan Calhanoglu vom HSV sitzt nach Spielende deprimiert auf dem Rasen. Bild: dpa

HAMBURG taz | Seine Gabe zum charmanten Plaudern war ihm vollends abhandengekommen. Die Rückkehr von Mirko Slomka zu jenem Verein, den er vier Jahre lang als seine absolute Herzensangelegenheit bezeichnet hat, endete mit einer Demütigung erster Güte.

Natürlich war der Trainer des Hamburger SV gebeten worden, die besonderen Umstände dieser 1:2 (0:1)-Niederlage zu erklären. „Ich bin enttäuscht.“ Aha. Geht es auch mit mehr Worten? „Was soll ich noch sagen?“, raunzte der 46-Jährige.

Das kuriose Wiedersehen an alter Wirkungsstätte hatte vorab für ein großes Tamtam gesorgt. Zertrümmert Slomka sein eigenes Lebenswerk? Macht er Hannover zum Absteiger? Was furchtbar dramatisiert wurde, endete simpel. Slomkas HSV spielt auswärts genauso schwach wie sein früheres 96-Team. Und genau deshalb nähert sich der äußerst ehrgeizige Trainer zielstrebig der Zweiten Liga an.

Es muss sich um eine besondere Form von Schwindelgefühl gehandelt haben, unter dem die Profis des HSV auf dem Weg zu ihrer nächsten Auswärtsniederlage gelitten haben. Denn vom Anpfiff an mussten sie ratlos mit ansehen, wie der Gegner Zweikämpfe gewann, die Partie dominierte und einen Torschuss nach dem anderen abfeuerte.

„Wir waren einfach beeindruckt“, gestand Slomka, der das Auftreten seines eigenen Teams als unterirdisch einstufte und die Leistung eines früheren Weggefährten tüchtig loben musste. Lars Stindl zeigte als Kapitän von Hannover 96 einen Auftritt, der innerhalb kürzester Zeit für so manch harmlosen Auftritt der Niedersachsen entschädigte.

Der Mittelfeldspieler hatte in der 9. Minute die Führung für Hannover erzielt und sein leidenschaftlich kämpfendes Team nach dem glücklichen Ausgleich für den HSV per Freistoß von Hakan Calhanoglu (48.) noch zum verdienten Sieg geführt. Vier Minuten vor Spielende gelang Stürmer Didier Ya Konan – natürlich und ausgerechnet nach Vorarbeit des früheren HSV-Angreifers Artjoms Rudnevs – das verdiente, umjubelte 2:1.

Die Kluft zwischen der herausragenden Leistung von Stindl und dem kollektiven Versagen der Hamburger Spieler wirft vier Spieltage vor dem Saisonende in der Fußball-Bundesliga äußerst unangenehme Fragen auf: Warum der HSV auswärts einfach nicht zu soliden Leistungen in der Lage ist, sollten vor allem die Entscheider des Traditionsvereins erklären.

Slomka monierte, dass sein Team eigenmächtig versucht habe, mit langen Bälle, aber ohne Aggressivität in den Zweikämpfen zum Erfolg zu kommen. Sportchef Oliver Kreuzer bemängelte den fehlenden Mut einer Mannschaft, in der lediglich Torhüter René Adler eine gute Leistung gezeigt hatte.

„Wenn du in der Liga bleiben willst, musst du auswärts auch mal punkten“, sagte Kreuzer. Er hat sich längst damit abgefunden, dass der stolze, schlappe HSV bis zum allerletzten Spieltag um seinen Verbleib in der Bundesliga bangen muss.

Auf der Suche nach neuer Hoffnung und sachdienlichen Hinweisen, wie Hamburg eigentlich noch zu retten ist, dürfte an diesem 30. Spieltag wirklich niemand fündig geworden sein. „Wir waren heute nicht präsent auf dem Platz. Und zwar über 90 Minuten“, sagte Rechtsverteidiger Heiko Westermann. In seinem Fall hatte das Versagen auch muskuläre Gründe. Er musste wie Kapitän Rafael van der Vaart vorzeitig ausgewechselt werden.

Aber das Duo hatte bis dahin eben auch gezeigt, wie man ein elementar wichtiges Bundesligaspiel einfach nicht bestreiten darf. Wo auch immer der Ball hinkullerte: Stindl war schneller und kein HSV-Spieler in Sicht. Der 96-Kapitän hatte doppelte so viele Schüsse auf das gegnerische Tor wie die gesamte Hamburger Mannschaft.

„Lars ist mit allem, was er hat, vorne weg gegangen. Es war beeindruckend, wie er die Rolle als Kapitän angenommen hat“, sagte 96-Sportdirektor Dirk Dufner.

In der Tabelle trennen Hannover und Hamburg nun wieder fünf Punkte. Im Wettstreit darüber, wer im spannungsgeladenen Abstimmungskampf die bessere Figur abgibt, ist der HSV eingeknickt. Slomka darf nun innerhalb kürzester Zeit versuchen, etwas aufzurichten, das am Boden liegt und ihn gründlich im Stich gelassen hat.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.