Russischer Kahn mit zwei Atomreaktoren: Das schwimmende AKW ist unterwegs

Nach mehreren Pannen hat die „Akademik Lomonosow“ St. Petersburg verlassen. In Murmansk soll das Schiff mit radioaktivem Brennstoff beladen werden.

Das russische schwimmende AKW Akademik Lomonosov wird von Schleppern nach Musmansk gezogen

Noch ohne Brenstoff: Das russische schwimmende AKW Akademik Lomonosov Foto: reuters

KIEW taz | Am Samstag hat das schwimmende russische Atomkraftwerk, die Akademik Lomonosow, den Hafen von St. Petersburg verlassen. Ungefähr am 16. Mai soll es im Hafen von Murmansk einlaufen, wo es mit radioaktivem Brennstoff beladen werden soll. Danach wird der Kahn 6.000 Kilometer durch das Eismeer von einem Schlepper zum Hafen der fernöstlichen russischen Kleinstadt Pewek gezogen, wo man im Juni 2019 mit seinem Eintreffen rechnet.

Der 144 Meter lange und 30 Meter breite Kahn, der zwei Atomreaktoren mit einer Leistung von jeweils 35 Megawatt mit sich führt und 500 Millionen Euro kostet, soll Anfang 2020 den ersten Strom für die 5.000 Einwohner von Pewek liefern.

Eigentlich hätte der Frachtkahn mit dem AKW an Bord schon im letzten Jahr St. Petersburg verlassen sollen. Doch verschiedene Pannen hatten den Zeitplan durcheinandergebracht.

Im Juli 2017 konnte ein Brand auf der Akademik Lomonosow direkt auf der Werft von St. Petersburg auf einer 16 Quadratmeter großen Fläche erst nach 70 Minuten unter Kontrolle gebracht werden. 70 Feuerwehrleute des Katastrophenministeriums und 14 Geräte und Fahrzeuge seien bei den Löscharbeiten zum Einsatz gekommen, so das Katastrophenministerium. 248 Personen, so die russische Nachrichtenagentur Interfax, seien wegen der Rauchentwicklung evakuiert worden.

In der Folge hatten Bürger von St. Petersburg und Anrainerstaaten gegen den Kahn protestiert. Norwegen und Finnland fühlten sich bedroht durch einen atomar beladenen Kahn, der in unmittelbarer Nähe von finnischer und norwegischer Küste durch das Meer gezogen werden sollte. Auch in St. Petersburg hatten elf Tausend Bewohner eine Petition gegen das schwimmende AKW unterschrieben. Wenig später ließ der Betreiber verlauten, dass man den Kahn erst in Murmansk mit radioaktivem Brennstoff beladen werde.

„Gefährliches Abenteuer“

Das Feuer im Juli war nicht der einzige Störfall. Im November 2017 hatten sich, so das St. Petersburger Internetportal fontanka.ru, Anrainer über eine ungewöhnliche Rauchentwicklung beim schwimmenden Kraftwerk im Herzen von St. Petersburg beschwert. Doch da hatte die Werft abgewiegelt. Das Rohr des Rauchabzugs des Heizkessels sei etwas unglücklich konstruiert, so die Werksleitung. Deswegen wirke der Rauchabzug mitunter wie eine starke Rauchentwicklung.

In Murmansk sieht man dem Kommen der Akademik Lomonosow mit gemischten Gefühlen entgegen. „In Russland haben 70 Prozent aller AKWs ihre ursprünglich angelegte Laufzeit überschritten. Und auch das schwimmende Atomkraftwerk ist ein gefährliches Abenteuer“, erklärte der Murmansker Umweltschützer Vitalij Servetnik, der gleichzeitig Co-Vorsitzender der russlandweit tätigen Sozial-Ökologischen Union ist, gegenüber der taz. Was hier geschehe, sei ein Experiment. Er sei gegen die Beladung des Kahnes mit radioaktivem Material in seiner Heimatstadt Murmansk.

„Das schwimmende AKW ist ein gefährliches Projekt. Frachtkähne mit flachem Boden, die Reaktoren mit sich führen, sind bei Stürmen besonders gefährdet und sie können eine leichte Beute für Piraten werden“, warnt Raschid Alimow vom Greenpeace-Büro in St. Petersburg gegenüber der taz.

Der russischen Atomwirtschaft dürfte es indes nicht nur um die Verfügbarkeit von Strom für die Bevölkerung von Pewek und Ölbohrinseln gehen. Ein funktionierendes schwimmendes AKW soll vielmehr Prototyp einer Serienproduktion schwimmender Atomkraftwerke sein. Man träumt von verkauften schwimmenden AKWs in alle Welt. Im März, so das in Paris erscheinende Internetportal sudantribune.com, habe der sudanesische Minister für Wasser- und Stromwirtschaft, Muataz Musa, berichtet, Russland werde ein schwimmendes AKW an den Sudan liefern.

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