SPD-Kritik an Seehofers Transitzentren: „Geschlossene Lager, nicht mit uns“

Die SPD will Seehofers Vorgehen bei seinem „Masterplan“ untersuchen lassen. Die Gewerkschaft der Polizei hält die geplanten „Transitzentren“ für nicht umsetzbar.

Kritik an Seehofers Masterplan - Frau mit Brille zwischen anderen Menschen, es ist die SPD-Politikerin Eva Högl

„Das Asylrecht wird nicht eingeschränkt“, sagt Eva Högl (SPD). Und: „Mit uns gibt es keine geschlossenen Lager“ Foto: imago/Stefan Zeitz

HEIDELBERG/BERLIN afp/dpa | Die SPD will einem Medienbericht zufolge das Vorgehen von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bei der Erstellung seines „Masterplans Migration“ untersuchen lassen. „Es ist höchst merkwürdig, wenn ein Papier im Bundesinnenministerium erstellt und dann als CSU-Papier herumgereicht wird“, sagte die SPD-Innenpolitikerin Eva Högl der Rhein-Neckar-Zeitung vom Donnerstag. Die SPD habe den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags mit einer Überprüfung beauftragt. „Das werden wir uns ganz genau anschauen“, kündigte Högl an.

Högl forderte überdies, Flüchtlinge, die bereits in einem anderen EU-Staat Asyl beantragt haben, zügig dorthin abzuschieben. „Für sie muss in Schnellverfahren geklärt werden, wie sie zurückgeführt werden können“, sagte die SPD-Politikerin. Dabei handele es sich aber nur um wenige Fälle. Schon heute gelte das Asylrecht nicht für Menschen, die aus einem EU-Land oder sicheren Drittstaat einreisten. „Das Asylrecht wird also nicht eingeschränkt“, sagte Högl.

Zugleich bekräftigte sie die Ablehnung ihrer Partei gegenüber einer Residenzpflicht in den von der Union geplanten Transitzentren an der deutschen Grenze. „Mit uns gibt es keine geschlossenen Lager“, sagte Högl.

Die Union peilt eine kurze Verweildauer der Flüchtlinge in den geplanten Transitzentren an. Sie sollen dort nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Seehofer nur bis zu 48 Stunden festgehalten werden. Die SPD zeigte sich zuletzt einigungsbereit, äußerte aber auch Skepsis. Am Donnerstagabend wollen die Spitzen von Union und SPD weiter darüber verhandeln.

Polizeigewerkschaft zweifelt an Lager-Plänen

Nach Einschätzung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sind die von CDU und CSU geplanten Transitzentren für Migranten rechtlich fragwürdig und nicht praktikabel. „Was hier abgeliefert wird ist Stückwerk, weil es andere deutsche Grenzen nicht betrachtet und dafür keine Konzepte liefert“, bemängelt der stellvertretende Bundesvorsitzende Jörg Radek. „Wir haben bei Migranten immer eine Ausweichbewegung. Die Konsequenz wird wahrscheinlich sein, dass nach zwei oder drei Monaten die Transitzentren in Bayern leer bleiben und es dafür anderenorts einen Anstieg gibt.“

Für sinnvoller hält Radek den Vorschlag eine Schleierfahndung hinter den Grenzen

Eine GdP-Analyse, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, moniert unter anderem einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsprinzip: Migranten würden an der bayerisch-österreichischen Grenze festgehalten, während sie andere deutsche Grenzen ungehindert passieren könnten. Für sinnvoller hält Radek einen anderen Vorschlag sowohl von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch von CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer – eine Schleierfahndung hinter den Grenzen.

Auch das Konstrukt der „Fiktion der Nichteinreise“ (laut CDU/CSU-Papier) ist nach Einschätzung der GdP juristisch nicht haltbar. Die innerhalb der Union vereinbarten Transitzentren sollen ähnlich funktionieren wie der Transitbereich beim so genannten Flughafenverfahren: Dort werden Migranten noch vor der offiziellen Einreise nach Deutschland festgehalten und müssen ein beschleunigtes Asylverfahren durchlaufen.

Auf Menschen, die auf dem Landweg oder mit dem Flugzeug aus anderen Schengen-Staaten einreisen, lässt sich diese Regelung laut GdP aber nicht übertragen. Die Gewerkschaft verweist auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2015, wonach die Grenzen Deutschlands zu anderen Schengen-Staaten als überschritten gälten, sobald der Reisende sie physisch passiert hat. Bei Flügen aus anderen Schengen-Staaten gilt demnach der Flughafen als Grenze.

Nicht Aufgabe der Bundespolizei

Die Bundespolizei dürfe zudem nicht für den Betrieb von Transitzentren eingesetzt werden, so die GdP. Hier seien laut Rechtsprechung das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sowie die Länder zuständig. Außerdem dürften die Beamten Menschen nur bis zum Folgetag festhalten. „Dann stellt sich die Frage: Was ist nach den 24 Stunden?“, sagt Radek. Innerhalb dieses Zeitraums ließen sich, besonders am Wochenende, die nötigen Absprachen zur Zurückweisung von Migranten in andere Länder nicht treffen.

Auch die Feststellung, ob ein Asylbewerber in einem anderen EU-Staat schon ein Asylverfahren durchlaufe, sei „im praktischen Grenzkontrolldienst in der gebotenen Schnelligkeit kaum zu leisten“, heißt es in dem Papier. Den Unionsplänen zufolge sollen aufgegriffene Migranten, die schon in einem anderem EU-Staat einen Asylantrag gestellt haben, in Transitzentren untergebracht werden und von dort zurückgeführt werden.

Die GdP weist auch darauf hin, dass der Europäische Gerichtshof und deutsche Gerichte besonders für Bulgarien, Griechenland und Italien beim Umgang mit Migranten Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention festgestellt haben. Diese Hindernisse bestünden weiter, selbst wenn es Abkommen zur schnelleren Rücknahme von Migranten durch diese Länder gebe. „Das würde zu einer langen und nicht zu rechtfertigenden Festhaltung in den ‚Transitzentren‘ führen“, warnt die GdP.

Schließlich erinnert die Gewerkschaft daran, dass die EU die aktuellen Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Österreich derzeit nur bis Mitte November genehmigt hat.

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