SPD-Politikerin über Groko-Frauenpolitik: „Eine Frau, die stark auftritt, irritiert“

Elke Ferner, die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, gibt sich mit dem Groko-Vertrag zufrieden.

Porträt Elke Ferner

Elke Ferner freut sich auf die erste Frau an der Spitze der SPD Foto: dpa

taz: Frau Ferner, im Koalitionsvertrag der SPD mit der Union findet sich kein einziger Punkt aus dem Gleichstellungskapitel Ihres Wahlprogramms wieder. Nur das, was die Union ohnehin auch wollte, kam durch. Sind die Frauen so unwichtig in solchen Verhandlungen?

Elke Ferner: Wir haben viel erreicht. Die Grundrente hilft Frauen, beim Gewaltschutz werden wir nun gute Grundlagen schaffen, wir bekommen eine Bundesstiftung für Geschlechterfragen, die haushaltsnahen Dienstleistungen für Familien werden verbessert …

Beim Gewaltschutz gibt es mal wieder einen runden Tisch. Und die spezifischeren Frauenbelange, die im SPD-Gleichstellungskapitel stehen, finden sich nicht wieder: Sie wollten die Frauenquoten für die Wirtschaft ausweiten, Sie wollten, dass Verbände statt einzelner Frauen bei Diskriminierungen klagen können …

Demokratie lebt vom Kompromiss. Natürlich hätten wir uns in manchen Punkten mehr vorstellen können. Ich finde, wir haben viel erreicht und können jetzt wichtige Themen angehen.

Die ganze Republik diskutiert darüber, dass Belästigungen und Sexismus nur dann zurückgehen werden, wenn mehr Frauen an der Macht sind. Aber die künftige Regierung wird dafür keinen Strich tun. Wie erklären Sie sich das?

Die SPD hätte sich da vieles vorstellen können. Aber unsere Verhandlungspartner hatten keine Prokura, in diesen Punkten auch nur ein einziges Zugeständnis zu machen.

Frau Merkel ist völlig unbeeindruckt von dieser Debatte?

Auf jeden Fall kann oder will sie solche Anliegen nicht durchsetzen. Das wird nun unsere Aufgabe in dieser Wahlperiode: in diesen Punkten vorankommen. In der letzten stand auch nicht jedes unserer Vorhaben im Koalitionsvertrag. Die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses für Alleinerziehende etwa.

ist geschäftsführende Parlamentarische Staatssekretärin im Frauenministerium.

Was ist Ihr Eindruck: Werden die weiblichen SPD-Mitglieder diesem Vertrag zustimmen?

Die Frauen wissen sehr genau, dass man mit der Union nicht durchsetzen kann, was man etwa mit den Grünen erreichen könnte. Aber wir alle haben genug Ausdauer. Und das Wichtige ist, zu sehen, dass es nach vorne geht, wenn auch nicht so weit, wie wir uns das gewünscht hätten. Da gibt es ja neuerdings auch ganz andere Richtungen.

Lassen Sie uns über die ­Wahrnehmung von Frauen in der Politik reden. Andrea ­Nahles galt lange Zeit in den Medien als undenkbar für den ­Parteivorsitz. Da wurde ihr „Bätschi“ zitiert und dass sie Kinderlieder im Parlament singt, sie war mal zu links und mal zu rechts. Eine ­Partei­tagsrede später ist „Bätschi“ plötzliche liebenswert und Nahles die starke Frau der SPD.

Andrea Nahles wurde auch schon als Ministerin und als Fraktionschefin als stark wahrgenommen. Zu Recht. Aber es stimmt natürlich: Eine Frau, die stark auftritt, irritiert immer noch. Andrea Nahles hat dieses Stereotyp durchbrochen. Das zeigt, dass es geht.

Die FAZ hat es nicht ganz hinbekommen und Nahles als den einzigen „Mann“ in der SPD-Führung bezeichnet.

Das ist ja der Normalfall, wie Frauen wahrgenommen werden: Starke Frauen sind unweiblich. So weit, so langweilig. Ich warte immer noch auf die Zeit, in der man Frauen dann einfach auch mal als so unterschiedlich wahrnimmt, wie sie nun mal sind.

Mit welchem Gefühl gegenüber Martin Schulz sind Sie heute morgen aufgewacht?

Elke Ferner: Ich finde gut, dass er sich entschieden hat. Und ich bin froh, dass wir nun bald mit Andrea Nahles die erste Parteivorsitzende in unserer 154-jährigen Geschichte haben.

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