SPD-Wahlkampf in Berlin: Michael Müller und die zwölf Apostel

Der Regierende Bürgermeister agiert mit heiklen Bild-Botschaften. Politisch wird er dafür immer klarer: Die CDU ist für ihn kein Partner mehr.

Michael Müller und

Michael Müller und die Bezirks-Bürgermeisterkandidaten. Ganz rechts fehlt: Christian Hanke aus Mitte Foto: dpa

BERLIN taz | Eine goldene Regeln für wahlkämpfende Politiker lautet: Vermeide Bilder, die fehlgedeutet werden können. Der Spitzenkandidat auf einer Leiter – ein No-Go, wenn man die Karriereleiter nicht ganz schnell wieder herunterklettern will. Platz nehmen im Strandkorb oder tiefen Sessel – lieber nicht, wenn man nicht als besonders träge und satt erscheinen möchte. Selbiges gilt auch für Essensbilder aller Art. In hochprofessionellen, von Werbeagenturen in Szene gesetzten Wahlkämpfen, die mehr auf Bilder als auf Inhalte setzen, sind solcherlei Fauxpas inzwischen selten geworden.

Sollte man meinen. Doch die Berliner SPD tut sich im diesjährigen Werben um die Wählerstimmen diesbezüglich ein bisschen schwer. Erst fährt der Regierende Bürgermeister Michael Müller auf einem hundertfach plakatierten Poster auf einer Rolltreppe – immerhin nach oben –, lässt aber den Interpretationsspielraum zu: Für die SPD-Bonzen geht es bergauf, während es für alle anderen, in diesem Fall eine Frau mit Kopftuch, bergab geht.

Am Montagmorgen nahm Müller im nicht gerade für die sozialdemokratische Urklientel ausgelegten Café Einstein (Caffè Latte: 5,20 Euro) Platz, umgeben von den zwölf SPD-Bezirksbürgermeister-Kandidaten, je sechs zu seiner linken und rechten Seite.

Das Motiv von 13 Personen, die nebeneinander an einer mit Getränken und Essen bestückten Tafel sitzen, wirkt wie eine Neuinterpretation von Leonardo da Vincis „Das Abendmahl“. Die Unterschiede finden sich im Detail: dunkle Anzüge statt bunter Gewänder, Wasser statt Wein, Lachs-Sandwiches statt Brot und Meeresfrüchten.

Kulturell mag der Bezug zu Jesus und seinen zwölf Aposteln schmückend für die SPD sein. Politisch ist die Message aber heikel. Das Meisterwerk zeigt Jesus am Vorabend seiner Kreuzigung, als er sagte: „Einer von euch wird mich verraten.“ Nun, den möglichen Verräter unter den neun Bürgermeistern und drei, die es werden wollen, zu suchen, wäre der Interpretation zu viel – zu einig zeigte sich die sozialdemokratische Funktionärsriege.

SPD will Bezirksmacht

Die Bezirksvertreter lobten die gute Zusammenarbeit mit dem Regierenden Bürgermeister und betonten ihre Anstrengungen bei Schulsanierungen, Integration, Wohnungsbau und Wirtschaftsförderung. Ihre gemeinsame Aussage, von Müller formuliert: „Es ist nicht egal, wer in den Bezirksämtern regiert.“

Explizit ging Müller auf die Gefahr ein, dass auch die AfD künftig Stadträte stellen könnte und dann etwa für die Sozial-, Bildungs- oder Jugendpolitik zuständig wäre. Bei 12 bis 14 Prozent der Wählerstimmen in den Bezirken ließe sich dies nicht mehr vermeiden.

Verrat witterten die Genossen dann doch noch, aber aufseiten der CDU. Müller wiederholte seine Kritik am Noch-Koalitionspartner, der etwa bei den Themen gleichgeschlechtliche Partnerschaft, Flüchtlingsaufnahme oder innere Sicherheit eine Haltung zeige, „die wir nicht teilen“, wie er sagte. Und er fügte hinzu: „Die Arbeit mit der CDU ist schwer oder wird sogar schwieriger.“ Klarer Kurs auf Rot-Rot-Grün.

Zum Abschluss zog der Tross für ein gemeinsames Bild vors Brandenburger Tor. Dass sich erst am Samstag die AfD hier in Szene gesetzt hatte, soll das schöne Wahlkampfbild nicht schmälern.

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