SPÖ öffnet sich zur FPÖ: Tabubruch in Österreich

Mit der ÖVP wollen weder SPÖ noch die FPÖ koalieren. Jetzt hat Kanzler Christian Kern die Option mit den Rechten für grundsätzlich möglich erklärt.

Christian Kerns Gesicht ist halb verborgen von den Schultern eines Mannes, der ihm gegenübersteht

Österreichs Bundeskanzler Christian Kern guckt auf die dunkle Seite der Macht Foto: reuters

WIEN taz | Österreichs Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat am Mittwoch den lange erwarteten Tabubruch verkündet: eine Koalition mit der FPÖ ist nicht mehr prinzipiell ausgeschlossen. Die mehr als 30 Jahre gültige Vranitzky-Doktrin wurde in Form eines Kriterienkatalogs entsorgt.

Seit Wochen eierte die SPÖ herum. Alle Welt wusste, dass an einer Neudefinition des Verhältnisses zur FPÖ debattiert wurde. Aber von verschiedenen Funktionären wurden die unterschiedlichsten Varianten ins Leben gesetzt: Eine Mitgliederbefragung vor den Wahlen, eine Abstimmung, wenn eine Koalition unmittelbar bevorsteht oder eine Öffnung ohne Befragung der Basis.

Während Wiens Bürgermeister Michael Häupl nach wie vor nicht mit den Rechten in Berührung kommen will, koaliert Hans Nießl im Burgenland seit zwei Jahren mit der FPÖ und wirkt dabei sehr glücklich. Er will, dass diese Option auch auf Bundesebene zu einer echten Alternative zur quälenden Zusammenarbeit mit der konservativen ÖVP wird.

Und FPÖ-Chef Heinz Christian Strache, der sich ständig über die „Ausgrenzung“ durch die SPÖ beschwerte, hat immer wieder angedeutet, dass ihm die Sozialdemokarten lieber wären als die Konservativen. Seit die ÖVP unter ihrem neuen designierten Chef Sebastian Kurz vor einem Monat die Koalition platzen ließ und Neuwahlen für den 15. Oktober angesetzt wurden, wurde der Druck größer, endlich Farbe zu bekennen.

Herausgekommen ist eine Lösung mit viel Elastizität. Unter Federführung von Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser ist ein Kriterienkatalog erstellt worden. Er soll für alle potentiellen Partner gelten. Dazu gibt es sieben Wahlansagen und eine Mitgliederbefragung nach der Wahl. Die FPÖ könne nun nicht mehr sagen, sie würde ausgegrenzt, sondern selbst entscheiden, “ob sie auf das Spielfeld zurückkehrt“, so Kanzler Christian Kern am Mittwochnachmittag.

Aus heutiger Sicht kein Partner

Der Kriterienkatalog enthält sehr allgemeine Grundsätze, denen wohl auch die FPÖ folgen kann: ein Bekenntnis zu Österreich und zu den Menschenrechten, eine klare Orientierung Österreichs in Richtung Europäische Union, Priorität der sozialen Sicherheit, die Gleichberechtigung der Geschlechter sowie Bildung und die „Freiheit der Kunst“.

Der Knackpunkt wird aber in den konkreten Ansagen für den Wahlkampf liegen, die die SPÖ mit einem künftigen Partner durchsetzen will. Da finden sich etwa die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer und ein steuerfreier Mindestlohn von 1500 Euro, die auch mit der ÖVP nicht zu machen sein werden. Ob die FPÖ aus heutiger Sicht als Partner in Frage käme, hat Kern im Fernsehinterview nach einigem Drängen mit Nein beantwortet.

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