Schadstoffe aus Müllverbrennung: Es bleibt schlechter als nötig

In den neuen Vorgaben für Müllverbrennungsanlagen schreibt die EU den Status Quo fort. Anliegen der Industrie werden stark berücksichtigt.

Ein Arbeiter schaut in einen Müllbunker

Blick in den Müllbunker einer Abfallverbrennungsanlage Foto: Imago/Michael Schick

BERLIN taz | Mehr Stickstoff, Quecksilber und Staub als nötig dürfen Müllverbrennungsanlagen künftig in der EU ausstoßen. Das wirft das Europäische Umweltbüro (EEB) mit Sitz in Brüssel der EU-Kommission vor. Die überarbeiteten Standards für die Anlagen „behalten überwiegend nur den Status quo bei – und in einigen Fällen schwächen sie bestehende Schutzstandards ab“, schreibt das EEB in einem aktuellen Report.

Die Vereinigung europäischer Umweltverbände bezieht sich dabei auf eine Arbeitsgruppe, die noch bis zum Freitag im spanischen Sevilla tagt. Rund 260 Fachleute der EU-Kommission, der Mitgliedsländer, von Industrie und Umweltverbänden überarbeiten dabei ein Dokument, dass den bestmöglichen technischen Standard für Müllverbrennungsanlagen festhält.

Bislang war das sogenannte BREF – Best Available Techniques Reference Document – aus dem Jahr 2006 nur beschreibend. Es hielt die besten anwendbaren Techniken für Abfallverbrennungsanlagen fest. Inzwischen sind BREFs aber rechtlich bindend und gehen in die Gesetzgebung der Nationalstaaten ein. Entsprechend heftig wird über den Inhalt gestritten.

Beispiel Stickoxide: Hier nennt das Dokument von 2006 Grenzwerte von 100 Milligramm pro Kubikmeter. In dem derzeit in Sevilla diskutierten Vorschlag der Kommission sollen es 150 Milligramm pro Kubikmeter werden. Beispiel Quecksilber: Hier nannte die BREF bislang einen Wert von 20 Mikrogramm pro Kubikmeter als erreichbar, künftig sollen es laut EEB 25 Mikrogramm sein. Beim Staub bleiben die Werte gleich, das EEB hält Senkungen für möglich.

Die Anliegen der Industrie würden in dem Prozess unangemessen stark berücksichtigt, sagt ein EEB-Sprecher, unter anderem ein Ergebnis der starken Industriepräsenz in der Arbeitsgruppe. Aber auch Staaten wie Deutschland, Spanien, Portugal, Ungarn und Tschechien wären für schwächere Standards eingetreten, während die Niederlande, Schweden, Österreich und Belgien für Verbesserungen geworben hätten.

Unternehmen liefern Daten

Volker Weiss, Fachgebietsleiter Abfalltechnik im Umweltbundesamt, hält die Kritik des EEB für überzogen. „Das Bundes-Immissionsschutzgesetz mit seiner Verordnung über Abfallverbrennungsanlagen ist eines der strengsten weltweit“, sagt Weiss. Schon jetzt seien Abfallverbrennungsanlagen in Bezug auf Schadstoffe weniger problematisch als andere Industrieanlagen. Weiss relativiert auch den großen Einfluss der Industrie im Überarbeitungsprozess. Der Sevilla-Prozess sei von der EU so angelegt, dass ein Informationsaustausch zwischen den Mitgliedsstaaten, den Industrievertretern der betroffenen Branchen, den NGOs und der Kommission stattfinden soll. „Es ist gar nicht so einfach, an die nötigen Daten aus den Anlagen zu kommen“, so Weiss, „dazu brauchen sie die Unternehmen.“

Georg Mehlhart beobachtet den Sevillaprozess vom Freiburger Ökoinstitut aus – und hält den Einfluss der zahlenmäßig weit unterrepräsentierten Umweltverbände trotzdem für wahrnehmbar. Allerdings: „Aus technischer Sicht wären hier deutlich niedrigere Grenzwerte zum Beispiel für Staub und Stickoxide möglich als bisher“, sagt Mehlhart. Zum Teil beruhen die derzeit vorgeschlagenen neuen Standards auf 15 Jahre alten Analysen und Bewertungen: „Da werden aus alten Messungen neue Standards abgeleitet.“ Und damit für die Zukunft festgeschrieben.

Die Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland (Itad) erwartet hingegen „weitere Verbesserung der Umweltstandards in Europa“. Schließlich würden dem neuen europäischen Dokument die äußerst strengen deutschen Vorgaben zugrunde gelegt, nicht nur in Bezug auf Emissionen, sondern auch etwa für die Ressourceneffizienz. Haben am Freitag alle Interessengruppen ihr jeweiliges Anliegen in die Arbeitsgruppe eingebracht, geht es in den Abstimmungsprozess der EU-Institutionen – und die neuen Standards könnten Ende des Jahres verabschiedet werden.

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