Schiedsverfahren mit Maut-Betreiber: Schon der Prozess kostet Millionen

Vorgeschmack auf TTIP und Ceta: Die Bundesregierung zahlt im Streit mit Toll Collect jedes Jahr 20 Millionen Euro an Anwälte.

Mautbrücke auf der Autobahn

Wenn es hier blitzt, klngelt bei Toll Collect die Kasse: Mautbrücke auf der Autobahn Foto: ap

BERLIN taz | Der Streit zwischen der Bundesregierung und Toll Collect, dem Betreiber des deutschen Mautsystems, kostet die Steuerzahler jedes Jahr über 21 Millionen Euro. Sie fließen überwiegend an Anwälte sowie zu einem geringen Teil an Berater und Sachverständige. Das geht aus einer Aufstellung des Bundesverkehrsministeriums auf Anfrage der Grünen hervor, die der taz vorliegt.

Mit dem Konsortium aus Telekom und Daimler, das im Auftrag der Bundesregierung die Mautbrücken betreibt und die Maut erhebt, gab es von Anfang an Streit ums Geld. Denn das für 2003 geplante Mautsystem konnte erst 2005 mit großer Verspätung starten. Die Bundesregierung verlangt von Toll Collect 7,5 Milliarden Euro für entgangene Einnahmen plus Zinsen und Vertragsstrafen; Toll Collect fordert im Gegenzug von der Regierung rund 1,4 Milliarden wegen angeblich unberechtigter Abzüge.

Verhandelt wird der Streit nicht vor einem ordentlichen Gericht, sondern im Rahmen eines nichtöffentlichen Schiedsverfahrens. Das ist offenbar im Vertrag zwischen Toll Collect und der Bundesregierung so geregelt; doch weil dieser 17.000-seitige Vertrag geheim ist, ist auch über das Schiedsverfahren selbst bis auf die Kosten und die Dauer praktisch nichts bekannt.

Es läuft seit mittlerweile elf Jahren; insgesamt sind bis Mitte 2016 laut Bundesverkehrsministerium Ausgaben von 185 Millionen Euro für den Bund angefallen. Sven-Christian Kindler, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, hält diese Entwicklung gerade vor dem Hintergrund der geplanten Freihandelsabkommen mit den USA für bedenklich.

Sven Kindler, Grüne

„Ein Privatgericht entscheidet hinter verschlossenen Türen über Milliarden an Steuergeldern“

„Das Mautschiedsverfahren zeigt deutlich, welch große Gefahr die geplanten Schiedsgerichte bei Ceta und TTIP für die Demokratie und den Bundeshaushalt darstellen“, sagte Kindler der taz. „Ein Privatgericht soll hinter verschlossenen Türen über Milliarden an Steuergeldern entscheiden.“ Für Parlament sowie Bürgerinnen und Bürger sei der Prozess undurchschaubar. „Das droht nun auch bei Ceta und TTIP, nur noch zwei bis drei Nummern größer“, so Kindler.

Auch die Freihandelsabkommen sehen Schiedsgerichte vor, vor denen Konzerne den Staat auf Schadenersatz verklagen können, wenn sie sich durch politische Entscheidungen benachteiligt sehen. Anders als im Fall von Toll Collect ist beim fertig verhandelten Ceta-Abkommen mit Kanada bei den Schiedsgerichten zumindest vorgesehen, dass die Richter öffentlich ernannt werden und dauerhaft tätig sind.

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