Schüsse auf türkischen Gebiet: In der Zwickmühle

Nach Schüssen an der syrischen Grenze steht der türkische Präsident Erdogan weiterhin unter Druck. Derweil fliehen immer mehr Menschen in die Türkei.

Türkische Soldaten kontrollieren syrische Flüchtlinge. Bild: dapd

ISTANBUL taz | Für den türkischen Ministerpräsidenten ging es um eine „klare Grenzverletzung“: Dienstag früh um vier Uhr Ortszeit schwappten die Kämpfe zwischen syrischen Aufständischen und der Armee auf türkisches Gebiet über. Mindestens drei Personen wurden getötet, 19 verletzt.

Schüsse durchdrangen die Container der Flüchtlinge, etwa 100 Syrer flohen über vermintes Gebiet in die Türkei. Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu unterbrach daraufhin seinen Chinabesuch mit Erdogan und flog eiligst zurück.

Erdogan sagte auf einer Pressekonferenz in Peking: „Das syrische Regime sollte uns nicht dazu zwingen hinüberzugehen.“ Neue Maßnahmen seien dringend erforderlich. An die 25.000 syrische Flüchtlinge kosteten die Türkei bereits 150 Millionen Dollar.

Was die neuen Maßnahmen beinhalten könnten, ist noch ungewiss. Von einer Pufferzone auf syrischem Gebiet ist schon länger die Rede. Dafür müssten türkische Truppen ein bestimmtes Gebiet räumen lassen.

Die türkische Öffentlichkeit und die Opposition im Parlament sehen die Sache jedenfalls kritisch. Sowohl die Nationalisten als auch die Sozialdemokraten beschuldigen Ministerpräsident Erdogan, er mache sich zum Handlanger der westlichen Interessen.

Angst vor Krieg

Auf der Straße ist Syrien zum Hauptgesprächsthema avanciert. „Werden wir in einen Krieg hineingezogen?“, fragen sich die Türken und missbilligen mehrheitlich eine eventuelle militärische Verwicklung in Syrien. Erdogan verweist noch immer auf die Vereinten Nationen als Lösungsinstanz.

Der UN-Sonderbeauftragte für Syrien, Kofi Annan, besuchte am Dienstag das türkische Flüchtlingslager Yayladagi an der syrischen Grenze und lobte den Zustand als gut. In Syrien gehe einiges schief. „Anders kann man die steigenden Flüchtlingszahlen nicht erklären.“

„Kollaboration mit dem Feind“

Wenn deren Zahl, wie Erdogan in Peking prophezeite, bald über 100.000 steigen sollte, werden Hilfsorganisationen überfordert sein.

Zudem ist die Sorge vor einer Koppelung des Syrienproblems an einen eventuellen militärischen Konflikt mit dem Iran sehr groß. Auch deshalb bekommt Erdogan dieser Tage starken Gegenwind aus dem ehemaligen eigenen Lager: Radikale Islamisten werfen seiner Regierung „Kollaboration mit dem Feind“ vor, der sich auf einen Angriff auf den Iran vorbereite.

So bleibt dem Ministerpräsidenten nichts weiter übrig, als sich an die Vereinten Nationen zu wenden. Einen Brief an vier ständige Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates hat Außenminister Davutoglu schon aufgesetzt.

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