Schweizer Bahntaktsystem als Vorbild: Deutscher Zugverkehr bald in-takt?

Eine Studie zeigt jetzt: Ein integrierter Taktfahrplan im deutschen Bahnverkehr ist machbar. Allerdings frühestens im Jahr 2030.

Einen Schienenarbeiter bei der Arbeit

Erst wenn alle umgestiegen sind, geht es weiter. Foto: reuters

BERLIN taz | Wer schon einmal am Bahnhof in Basel oder Zürich im Fernzug saß und sich wunderte, dass die Fahrt minutenlang nicht fortgesetzt wurde, kennt es: das berühmte Schweizer Bahntaktsystem.

An wichtigen Knotenpunkten warten die Züge aufeinander, wofür im Fahrplan ausreichend Pufferzeiten eingebaut sind – was manche Deutsche im Zug während der Standzeiten ungeduldig werden lässt.

Der Vorteil dieses Systems: Lange Wartezeiten beim Umsteigen entfallen, und viele Reisende erreichen schneller ihr Ziel. Kein Wunder, dass Bahnfans dieses Modell gern auf Deutschland übertragen würden.

Aber das ist schwieriger, als es auf den ersten Blick scheint: Deutschland ist viel größer als die Schweiz; zudem gibt es im Fernverkehr häufig sehr weite Reise- und sehr lange Umsteigewege.

Das Bundesverkehrsministerium hat nun jedoch eine Machbarkeitsstudie zum Deutschland-Takt im Schienenverkehr veröffentlicht, die das Iges-Verkehrsinstitut und die Universität Braunschweig erstellte. Ergebnis der 127 Seiten langen Studie: Ein Deutschland-Takt sei technisch-betrieblich machbar, und es stelle sich ein „nennenswerter positiver Effekt auf die Reisezeiten“ ein.

Gleichwohl lässt sich dieser 60-Minuten-/30-Minuten-Takt der Fernverkehrszüge, von dem sowohl umsteigende als auch durchfahrende Passagiere profitieren sollen, nach Ansicht der Autoren nicht von heute auf morgen realisieren, auch nicht in einem großen Schritt zu einem Fahrplanwechsel.

„Die Einführung eines Deutschland-Taktes ist ein mehrjähriger Prozess, der in Abhängigkeit von Infrastrukturmaßnahmen und betrieblichen Konzepten nur sukzessive geplant und umgesetzt werden kann.“

Acht bis 12 Millionen Stunden weniger Reisezeit pro Jahr

Aber das kann sich lohnen, so die Autoren der Studie. Schließlich zeigten die Szenarien zum Deutschland-Takt, dass eine „erhebliche Fahrzeitverringerung und ein deutlicher Nachfragezuwachs durch die Vertaktung realisiert werden können“.

Die Reisezeitverringerungen liegen demnach deutschlandweit je nach Szenario zwischen acht und zwölf Millionen Stunden pro Jahr, und die Nachfrage könne um neun bis zwölf Millionen Fahrten erhöht werden.

Diese Werte seien jedoch nur untere Schätzwerte, so die Autoren, da zahlreiche Reiserelationen aus Datenmangel nicht bewertet werden konnten; zudem bestünden weitere Optimierungspotenziale bei der Verknüpfung von Fern- und Nahverkehr.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schienenpersonennahverkehr begrüßte die Studie. „Der Deutschland-Takt hat das Potenzial, den gesamten deutschen Schienenverkehr weiter zu stärken und dem Ausbau des Bahnverkehrs ein neues Leitbild zu geben“, sagte AG-Vize Bernhard Wewers.

Die nächsten Schritte zur Umsetzung, etwa im Baubereich, müssten nun zügig angegangen werden, damit bis zum Jahr 2030 ein erster Fahrplan im Deutschland-Takt umgesetzt werden könne. Dies werde Menschen für die Bahn begeistern.

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