Seehofers verpatzte Revolte: Die Show des Messdieners

Seehofer wollte mit Euroskepsis Stimmung machen. Doch das gelang nicht – weil seine Parteifreunde zu seiner antieuropäischen Rebellion schwiegen.

"Gespräch mit großer Freundschaft"? Nun ja... Seehofer und Merkel in Kloster Banz. Bild: reuters

Die Regie lässt keinen Zweifel, wer auf dem CSU-Parteitag im Mittelpunkt stehen soll. Horst Seehofer beginnt das Treffen am Freitag mit einem Eröffnungsstatement. Abends lädt er zur Geburtstagsfeier, schließlich ist er gerade 60 geworden. Am Samstag schließlich hält er, vor seiner Wiederwahl zum Parteivorsitzenden, die Hauptrede.

Es gibt nur zwei Dinge, die das Bild stören können. Zum einen ist es der Auftritt der Bundeskanzlerin am Freitagnachmittag. Im Vorjahr hatte Angela Merkel die CSU-Delegierten zu solchen Begeisterungsstürmen hingerissen, dass die damalige Parteispitze um Erwin Huber und Günther Beckstein hinterher noch grauer aussah als ohnehin schon. Zum anderen ist es der Umstand, dass sich Seehofer erstmals auf einem regulären Parteitag der Wiederwahl stellen muss - und dabei auch die Stimmen jener braucht, denen er in seiner kurzen Amtszeit schon auf die Füße getreten ist. Also brauchte Seehofer ein Thema, mit dem er die Kanzlerin ärgern und zudem demonstrieren konnte, dass die CSU unter seiner Ägide auf dem Berliner Parkett wieder so wichtig ist wie unter dem längst verklärten Vorgänger Franz Josef Strauß.

Den willkommenen Anlass bot das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Lissabon-Vertrag, das zusätzliche Mitspracherechte von Bundestag und Bundesrat einforderte. Kaum hatten die Karlsruher Richter gesprochen, war Seehofer schon mit dem Plädoyer gegen ein "Eilverfahren" zur Stelle, der CSU-Europapolitiker Thomas Silberhorn sekundierte mit der Forderung nach einem "Maximum" bei der nötigen Gesetzesänderung.

Auffälliger war allerdings, wer in der Debatte schwieg. Auch noch, nachdem Seehofer die antieuropäische Rebellion bei einem Treffen am vergangenen Wochenende zur offiziellen Parteilinie erklärt hatte. Es waren außer Seehofer und seinem Generalsekretär zunächst fast alle. Der Berliner Landesgruppenchef Peter Ramsauer tat die weitgehenden Vorschläge seines Abgeordneten Silberhorn als bloße "Denkansätze" ab, der Chef der CSU-Europaabgeordneten rebellierte sogar offen. Der Rahmen schien also abgesteckt, als Seehofer und Merkel am Dienstag im oberfränkischen Kloster Banz erschienen. Die barocke Anlage dient den CSU-Bundestagsabgeordneten als traditioneller Schauplatz ihrer Sommerklausur - die in den zurückliegenden Jahren des christsozialen Niedergangs allerdings stets an Bedeutung verlor.

In Berlin hatte sich der CSU-Vorsitzende zuletzt darüber beklagt, dass er nur noch als Merkels "Messdiener" auftreten dürfe. Das war auf dem Kongress, auf dem die Unionsparteien vor zwei Wochen in Berlin ihr Programm für die Bundestagswahl präsentierten. Am Abend desselben Tages hätte Seehofer auf der Jubiläumsfeier der Deutschen Journalistenschule in München ebenfalls in Merkels Vorprogramm auftreten sollen. Den Termin sagte er kurzfristig ab.

In Banz dagegen war die CSU die Gastgeberin, oder besser: Ramsauers Landesgruppe. Seehofer konnte also fast zeitgleich mit Merkel mit dem Hubschrauber einfliegen, was ihm das gleiche staatsmännische Gewicht verlieh. "Wir werden das Gespräch mit großer Freundschaft führen", sagte Merkel mit der ihr eigenen Distanz. "Wir haben ein sehr gutes Verhältnis untereinander, ich würde sogar fast sagen: ein freundschaftliches Verhältnis", sagte Seehofer mit der ihm eigenen Hinterfotzigkeit.

Während die beiden noch redeten, hatte Guttenberg seine Tageslosung vor der Klostertür schon ausgegeben. Er entstieg einem Audi, zog sich in aller Ruhe das Sakko an - und erklärte dann, das neue Begleitgesetz zum Lissabon-Vertrag müsse "die Handlungsfähigkeit der Regierung gewährleisten". Als wäre das noch nicht genug des Stichelns gegen den eigenen Parteivorsitzenden, fügte er hinzu: "Wir sind ja eine CSU, die intern auch Diskussionen aushält."

Ungewohnt geschlossen gingen zeitgleich auch die CDU-Ministerpräsidenten gegen die Schwesterpartei vor. Der Hesse Roland Koch sagte spitz, antieuropäische Affekte solle man der Linkspartei überlassen. Und der Nordrhein-Westfale Jürgen Rüttgers griff in einem Zeitungsbeitrag sogar die Verfassungsrichter an. Man solle ihrem Wort nicht folgen, sondern per Verfassungsänderung den Weg zu "Vereinigten Staaten von Europa" weisen.

Am Mittwochmittag, nach weiteren Diskussionen in der Landesgruppe, präsentierte Ramsauer dann einen 14-Punkte-Plan. Darin finden sich die unbestrittenen Wünsche des Verfassungsgerichts, Unrealistisches wie die Forderung nach Volksabstimmungen über europäische Fragen. Als ernsthaftes Thema für einen Streit mit der CDU bleibt nur noch ein von der CSU gewünschtes Recht des Bundestags, Beschlüsse über europäische Einzelfragen zu fassen, die für die Regierung verbindlich sind - "grundsätzlich", wie es einschränkend heißt. Ein imperatives Mandat ist damit vom Tisch.

Nach ernsthaftem Krawall sieht das nicht mehr aus. "Dem Duktus nach" herrsche in der CSU Einigkeit über das Papier, sagt Ramsauer vage. Auch von einer Verzögerung über den Termin der Bundestagswahl hinaus ist nicht die Rede. "Zwei, drei Wochen" solle es noch dauern bis zu einer Einigung in der Koalition, am 8. September wolle man das Gesetz planmäßig beschließen.

Der Parteivorsitzende selbst sagte dazu lieber nichts mehr. Am Mittwoch war er längst wieder nach München abgereist, am Abend zuvor, nach der Diskussion in der Landesruppe, überließ er die Pressearbeit Merkel und Ramsauer. Seehofer schwieg so lange, sogar auf Fragen, bis Merkel das Wort ergreifen musste. Ein Kompromiss, mit Merkel gar? Das ist nicht Seehofers Sache. Das überlässt er dann lieber anderen.

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