Seelsorger bei den Paralympics: Tankstelle für die Verlierer

Auch Olympiahelden brauchen Gottes Hilfe. Im „Interfaith Centre“ wird jeder betreut. Den Athleten wird erklärt, dass der wahre Sinn des Lebens nicht in einer Medaille liegt.

Der brasilianische Schwimmer Daniel Dias. Wenn es in London mit Gold nicht klappt, könnte er einen Seelsorger um Trost fragen Bild: dapd

BERLIN taz | Die Religion hat für Olympia schon immer eine große Rolle gespielt. Im antiken Griechenland wurden die Olympischen Spiele zu Ehren von Göttern ausgetragen. Die Athleten selbst wurden zu Göttern. Später wurden die Spiele von den Römern verboten, weil ihnen ihr heidnisch-religiöser Charakter missfiel. Heute ist für viele Sport selbst zu einer Religion geworden. Die Sieger werden verehrt wie göttliche Helden.

Im Londoner Olympiadorf wurde eigens für die Teilnehmer ein interreligiöses Seelsorgezentrum eingerichtet. „Im Interfaith Centre sind alle Glaubensrichtungen willkommen, wir unterstützen alle Teilnehmer und betreuen sowohl Gläubige wie auch Nichtgläubige“, so Julie Burley, Sprecherin des Organisationskomitees der Olympischen Spiele im Gespräch mit der taz.

Insgesamt sind für Olympia fast 200 Seelsorger verschiedener Glaubensgemeinschaften in London angereist, um ihre Dienste während der regulären Spiele anzubieten. Für Paralympics sind es 64.

Wie sich Religion und der Kampfgeist vertragen sollen, leuchtet im ersten Moment nicht unbedingt ein. Gilt doch beispielsweise für die christliche Kirche der Glaubenssatz der Nächstenliebe: „Dabei sein ist alles“. Siegeshymnen, Konkurrenzkampf und allein das Ziel zu gewinnen, gelten als verpönt.

Exotische Rolle

Getreu ihrer Tradition, bedingungslosen, seelischen Beistand zu leisten, schlägt sich daher vor allem die katholische Kirche auf die Seite der „Verlierer“, der viert- und letztplatzierten und spendet ihnen Trost. Die Athleten werden von den Seelsorgern an den wahren Sinn des Lebens erinnert und daran, dass dieser sich nicht durch den Gewinn einer Medaille bei Olympia erschließen lässt.

Der Evangelische Pastor Christian Bode ist sich seiner exotischen Rolle in einem System, das auf Leistung und Medaillen ausgerichtet ist, durchaus bewusst. Gemeinsam mit einem Kollegen der katholischen Kirche wird er das deutsche Paralympische Team mit seinen 150 Sportlern und 97 Betreuern bei den Wettkämpfen und im olympischen Dorf begleiten.

Bode ist selber sportbegeistert, läuft Marathon und spielt Tischtennis. Für die Paralympics in Peking hat er das deutsche Team sogar selbst trainiert. Die Voraussetzungen seien ähnlich wie bei den Olympischen Spielen und die Kriterien für Sportler mit Behinderung sogar viel härter. Nur wer unter den zehn Weltbesten sei, dürfe nach London reisen.

Der Seelsorger weiß aus eigener Erfahrung wie bitter es ist, frühzeitig aus dem olympischen Wettkampf auszuscheiden, nachdem man über Monate und Jahre auf diesen Traum hingearbeitet hat. In solchen Momenten möchte der Seelsorger den Athleten eine Stütze sein. „Wir sind dann so etwas wie eine Tankstelle, wo man jenseits der Wettkampfdynamik auftanken kann.“ Er will ganz nah bei den Sportlern sein.

Hilfe statt Vorurteile

Auch Julie Burley sieht keinen großen Unterschied zwischen den Olympischen Spielen und den Paralympics: „Unsere Arbeit bleibt die gleiche. Wir werden auf dem gleichen Level weiterhin Seelsorge anbieten und Ansprechpartner sein für Athleten, Beamte und Medienvertreter.“ Sie geht sehr professionell mit ihrer Aufgabe um: „Dieses Projekt ist von großem Ausmaß und sehr komplex. Wir haben es mit vielen Athleten aus unterschiedlichsten Verhältnissen zu tun.“

Daher sei es wichtig, dass alle Glaubensgemeinschaften gut zusammen arbeiteten und sich mit gegenseitigem Respekt begegneten, so Burley. „Ich hoffe, dass alle von unserem Angebot profitieren können. Nach den Spielen werden wir unsere Ergebnisse zusammentragen. Wir wollen dazulernen und diese Erfahrungen für spätere Sportereignisse nutzen“.

Auch für die Seelsorger hört die Arbeit nicht mit Olympia auf. Einige betreuen die Sportler nach ihrer Heimreise in den eigenen Ländern weiter.

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