Selbst-Demontage: Scharmützel bei Piraten

Bereits zum dritten Mal versuchen Niedersachsens Piraten, ihre Kandidatenliste für die Landtagswahl 2013 festzulegen. Womöglich ist es die letzte Chance.

Wenn die Piraten sich in Delmenhorst wieder Sandkasten-Spiele leisten, könnte es eng werden mit der Teilnahme an der Landtagswahl. Bild: dpa

HAMBURG taz | Denkbar weit entfernt scheinen Niedersachsens Piraten von der jüngsten Ankündigung ihres Bundesvorsitzenden Bernd Schlömer: Der sieht die Partei im Bund in etwa zwei Jahren regierungsfähig, auf Landesebene vielleicht „auch schon nach der Niedersachsenwahl“ im Januar 2013. Dort versinken die Piraten allerdings im Chaos: Bei einem Parteitag am Wochenende in Delmenhorst wollen die niedersächsischen Piraten ihre Kandidatenliste für die Wahl beschließen – im dritten Versuch.

Jetzt oder nie

Und der muss klappen. „Es gibt keinen Termin danach“, sagt etwa Mainhart Ramaswamy, Mitglied des Landesvorstandes. Er war bei der ersten, inzwischen annullierten Listenwahl im April zum Spitzenkandidaten gekürt worden. In Delmenhorst, wo ursprünglich schon das Wahlprogramm diskutiert werden sollte, tritt Ramaswamy jetzt zum dritten Mal für den Posten an. „Wenn Delmenhorst kippt“, sagt er, „sind wir bei der Landtagswahl nicht dabei.“

Katharina Nocun gilt als besonders aussichtsreiche Bewerberin: Die 25-Jährige bekam im Juli die meisten Stimmen. Die Referentin für digitale Verbraucherrechte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen ist erst seit März Parteimitglied - Spiegel online zählte sie dennoch jüngst zu den zehn einflussreichsten PiratInnen Deutschlands.

Mainhart Ramaswamy, 59, war bereits Spitzenkandidat - bis die Aufstellung annulliert wurde. Der siebenfache Vater ist seit 2009 bei den Piraten und Schatzmeister im Landesvorstand.

Christian Koch hat ebenfalls Chancen auf den Spitzenplatz: Bei der Aufstellung im April lag er stimmengleich mit Ramaswamy, dem er dann den Vortritt ließ. Der 41-Jährige ist seit Gründung der Niedersachsen-Piraten 2007 Mitglied, war damals Landeschef.

Auch Landesparteichef Andreas Neugebauer sieht „tatsächlich ein Problem“, sollte nach dem dritten Versuch keine Liste stehen: Bis 22. Oktober müssen die Piraten ihre Wahlanzeige beim Landeswahlleiter machen, um für die Wahl in fünf Monaten zugelassen zu werden. Und eine formal korrekte Kandidatenliste einreichen, 2.000 Unterstützerunterschriften und ein Wahlprogramm.

Statt sich vor diesem Hintergrund aber zu sortieren, zerlegen sich Niedersachsens Piraten lieber selbst. Das Landesschiedsgericht erklärte die erste Kandidatenkür vom April für nichtig, gleich mehrere Einsprüche hatte es dort gegen die Aufstellung gegeben. Beim zweiten Anlauf, im Juli, gelangte ein zweitägiger Parteitag wegen verschiedener Formfehler erst gar nicht zur finalen Abstimmung. Beschlossen wurde lediglich ein Pool aus 30 Personen, über deren Reihenfolge auf der Landesliste nun abgestimmt werden soll.

Auch das freilich ist ein Beschluss, der vor dem Schiedsgericht angefochten wird – wie fast jede Entscheidung. Noch am Mittwochabend etwa wurde etwa ein Einspruch gegen die Einladungsfrist für den Parteitag abgewiesen. „Es gibt einige wenige, die immer wieder Alarm schlagen“, sagt Landeschef Neugebauer. Das ärgere ihn „maßlos“ – aber der Rechtsweg stehe jedem offen: „Wir sind keine Basta-Partei.“ Neugebauers Erklärung für die Querelen: „Gekränkte Egos“. Die meisten Kritiker seien „Leute, die sich für Listenplätze beworben haben, aber nicht gewählt wurden.“

So wie Carsten Schulz, der mit der Forderung nach Straffreiheit für Holocaustleugner die Debatte über den Umgang mit rechtsextremen Tendenzen mitentfacht hat. Schulz’ Aufstellung als Direktkandidat in Hannover hatte der Landesvorstand annuliert. Dagegen will Schulz nun angehen, gegebenenfalls vor dem Bundesverfassungsgericht. Bei der ersten Listenwahl landete er dann nur noch auf Platz 56. Zuletzt verkündete er, sich als Direktkandidat in Wolfenbüttel zu bewerben.

Der Posten dort ist Anfang August frei geworden: Der bisherige Kandidat zog zurück, nachdem er eine Petition für die Freilassung des Holocaustleugners Horst Mahler unterschrieben hatte und dafür kritisiert wurde. Für den Fall, dass nun Schulz Direktkandidat in Wolfenbüttel wird, hat der Landesvorstand bereits angekündigt, Widerspruch einzulegen, zudem läuft ein Parteiausschlussverfahren gegen Schulz.

So wie gegen den Hannoveraner Volker Schendel. Der einstige Justiziar im Wirtschaftsministerium, heute vornehmlich Esoteriker, gilt ebenfalls als notorischer Anfechter jeglicher Parteibeschlüsse. Während sich Landeschef Neugebauer zu den laufenden Ausschlussverfahren nicht äußern will, hält er am Wahlziel von wenigstens sechs Prozent fest, allen Querelen zum Trotz. Auch in den letzten Umfragen lagen die Piraten in Niedersachsen bei sieben Prozent.

Bescheidene Ziele

Die ehrgeizigen Ziele von Bundeschef Schlömer allerdings weist der Landesvorsitzende zurück: „Man muss ehrlich sein, ich sehe uns auch in zwei Jahren nicht als Regierungspartei“, sagt Neugebauer. Und fügt hinzu: „Das würde uns auch nicht gut tun.“ Fraktionszwang wie üblich im Parlament, nur des Koalitionsfriedens zuliebe, statt freier Entscheidung: „Genau das wollen wir doch nicht.“

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