Sexuelle Übergriffe bei Hilfsorganisation: „Es bricht mir das Herz“

Für das britische Hilfswerk Oxfam sind die sogenannten Haiti-Enthüllungen ein GAU. Denn es ist nicht das erste Mal.

Winnie Byanyima

Ein paar privilegierte Männer haben die Befugnis, die sie von Oxfam erhielten, dazu benutzt, Frauen ohne Macht zu misshandeln, bilanziert die Chefin von Oxfam International, Winnie Byanyima Foto: reuters

LONDON taz | Bein Hilfswerk Oxfam ist es aufgrund der Presseenthüllungen über Partys mit Prostituierten und sexuelle Belästigung in Haiti zu einem ersten Rücktritt gekommen. „Es tut mir schrecklich leid, dass wir Oxfams Unterstützern, dem Entwicklungshilfesektor und vor allem den verletzlichen Menschen, die uns vertrauten, solchen Schaden und Leid zugefügt haben“, erklärte Penny Lawrence, stellvertretende Geschäftsführerin von Oxfam in Großbritannien, in ihrer Rücktrittserklärung. Sie schäme sich und übernehme die volle Verantwortung.

Auch die Leiterin von Oxfam International, Winnie Byanyima aus Uganda, teilte mit, dass sie sich tief verletzt fühle. „In Haiti haben ein paar privilegierte Männer die Personen misshandelt, denen sie helfen sollten. Dass sie die Befugnis, die sie von Oxfam erhielten, dazu benutzten, Frauen ohne Macht zu misshandeln, bricht mir das Herz.“

Lawrence’ Rücktritt folgte auf ein Treffen des britischen Oxfam-Vorstands mit Entwicklungsministerin Penny Mor­daunt. Mordaunt kündigte eine Untersuchung an, um Schutzmaßnahmen gegen Ausbeutung, auch sexuelle Ausbeutung, in gemeinnützigen Vereinen generell überprüfen zu lassen.

Auch die staatliche Prüfungsstelle für wohltätige Vereine, die „Charity Commission“, startete eine Untersuchung. Es ist die zweite Oxfam-Untersuchung der Behörde innerhalb weniger Monate. Im Dezember waren die Ergebnisse einer Untersuchung von „Oxfams Handhabung zahlreicher beunruhigender Anschuldigungen über Brüche der Schutzvorkehrungen durch hochgestellte Mitarbeiter, inklusive Anschuldigungen sexueller Belästigung“, vorgestellt worden.

Damals hatte die Charity Commission Schwächen in Oxfams Management festgestellt. „Mehr Ressourcen für adäquate Balance zwischen proaktiven und präventiven Maßnahmen und für die Untersuchung individueller Anschuldigung“ empfahl der Abschlussbericht.

Oxfam reagierte nicht

Oxfams Probleme sind also älter als die Haiti-Enthüllungen. Helen Evans, Oxfams ehemalige Beauftragte für Schutzbestimmungen, trennte sich bereits im Jahr 2015 von der Organisation – aus Frustration darüber, dass das Management ihrer Meinung nach nicht ausreichend auf die Arbeit ihres Teams einging.

Es habe nicht nur die in den Medien gemeldeten Fälle in Haiti und in Tschad gegeben, sondern auch im Südsudan, enthüllte sie jetzt: In dem Bürgerkriegsland hätten laut einer Untersuchung ihres Teams sieben Prozent der Oxfam-Angestellten Vergewaltigung oder versuchte Vergewaltigung erlitten.

Nächster Vorwurf: Belästigung minderjähriger Freiwilliger in Oxfam-Läden

Außerdem stellte Evans sexuelle Belästigung minderjähriger Freiwilliger in Oxfam-Läden in Großbritannien fest. Die Oxfam-Shops, wo der Verein durch den Verkauf größtenteils gebrauchter Gegenstände und Kleider Gelder sammelt, gehören zum Inventar fast jeder britischen Einkaufsstraße.

Nicht nur die britische Regierung warnt nun, dass Oxfam und andere wohltätige Organisationen beweisen müssten, dass sie staatliche Zuschüsse verdienten. Auch die Europäische Kommission, die Oxfam mit über 30 Millionen Euro pro Jahr unterstützt, verlangte maximale Transparenz.

Stimmen vom rechten Flügel der regierenden Konservativen in Großbritannien hatten bereits vor der Oxfam-Affäre gefordert, dass die britische Entwicklungshilfe gekürzt werden solle. Der konservative Premierminister David Cameron hatte einst Großbritannien zum Vorreiter bei der Einhaltung des internationalen Ziels gemacht, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Entwicklungshilfe zu stecken.

Seine Nachfolgerin Theresa May hält daran fest. Der rechtskonservative Abgeordnete Jacob Rees-Mogg, er wird als potenzieller Anwärter auf die Führung der Tories gehandelt, hat hingegen eine Petition für Kürzungen im Entwicklungsetat bei 10 Downing Street eingereicht.

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