Sicherungsverwahrte: Ich nehm meinen, behalt deinen

Hamburg setzt bei der Unterbringung ehemaliger Sicherungsverwahrter auf eine Kooperation. Doch für die anderen Nordländer ist das Angebot wenig attraktiv

Hier, im Vorort Jenfeld sollen nach dem Willen des Hamburger Senats ehemalige Sicherungsverwahrte einziehen - doch die lehnen das ab. Bild: dpa

Hamburg taz | Angesichts der Probleme um die Unterbringung dreier ehemaliger Sicherungsverwahrter in Hamburg setzt Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) auf eine Kooperation von ganz Norddeutschland. Scholzens Rechnung ist dabei folgende: Hamburg als dicht besiedelter Stadtstaat tue sich dabei schwer, geeignete Orte für entlassene Sicherungsverwahrte zu finden. Flächenländer, die über andere Kapazitäten verfügten, könnten hingegen Interesse daran haben, Sicherungsverwahrte in der Hamburger Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel unterzubringen.

Doch diese Rechnung könnte an ihren diversen Konditionalen scheitern. Denn das Interesse der anderen Nordländer an der Aufnahme ehemaliger Sicherungsverwahrter aus Hamburg scheint gering. Seit Sommer beraten Niedersachsen (das dabei Bremen mit vertritt), Schleswig-Holstein, Brandenburg, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern, das die Initiative dazu ergriffen hatte, über einen gemeinsamen Umgang mit Sicherungsverwahrten.

Typisch scheint die Haltung Schleswig-Holsteins. Man habe seine Sicherungsverwahrten, so heißt es aus dem Justizministerium, "sehr gut" untergebracht. Als "finanziell angespanntes" Bundesland habe man aber ein Interesse daran, die durch die Gerichtsentscheidungen entstandenen neuen Anforderungen an Sicherungsverwahrung in einer Länderkooperation zu meistern.

Nach einem Urteil des Europäischen Menschengerichtshofs vom Mai 2010 mussten einige Straftäter in Deutschland aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden. Ein Konzept zum Umgang mit entlassenen Sicherungsverwahrten hat bislang nur Hamburg erarbeitet.

In Hamburg sind nach dem Urteil zwei Sicherungsverwahrte entlassen worden, gegen die Entlassung eines dritten hat die Staatsanwaltschaft gerade Beschwerde eingereicht.

In Bremen gibt es drei Sicherungsverwahrte, die in Niedersachsen inhaftiert sind. Mit Entlassungen ist in den nächsten zwei bis drei Jahren nicht zu rechnen.

In Niedersachsen sind derzeit 37 Menschen in Sicherungsverwahrung, seit dem Urteil sind fünf entlassen worden.

In Schleswig-Holstein gibt es momentan zwölf Sicherungsverwahrte.

Es geht also beispielsweise um Therapieangebote oder neue Anforderungen an die Größe des Wohnraums. In dieser Betrachtung tauchen die entlassenen Sicherungsverwahrten jedoch nicht auf - und der Sprecher der Bremer Justizbehörde verweist zurecht darauf, dass sie sozusagen eine unzuverlässige Größe sind. Als freie Bürger dürfen sie ihren Wohnort frei wählen. Sollte sich also jemand, der aus der Sicherungsverwahrung in Niedersachsen oder Hamburg entlassen wird, für einen Wohnsitz in München entscheiden, wird eine Kooperation mit Bremen wenig nützen.

Recht deutlich formuliert es der Sprecher der niedersächsischen Justizbehörde: "Ich könnte nicht sagen, dass wir ein Interesse daran hätten, entlassene Sicherungsverwahrte aus anderen Bundesländern aufzunehmen." Kein Wunder, denn Niedersachsen ist nicht auf eine Auswärts-Unterbringung seiner Sicherungsverwahrten angewiesen. Das Land plant gerade eine neue Justizvollzugsanstalt (JVA) in Rosdorf, wo sogar rund neun Plätze für Sicherungsverwahrte aus anderen Bundesländern vorgesehen sind.

Weil Niedersachsen eher Mühe hat, die eigenen Haftplätze zu belegen, hat das Land gerade die Vollzugsgemeinschaft mit Bremen gekündigt. Damit ist die Zukunft der Bremer Sicherungsverwahrten unklar. Sicher ist, dass ab Ende 2012 die niedersächsischen Häftlinge, die bislang in der Bremer Justizvollzugsanstalt einsaßen, in Niedersachsen untergebracht werden. Im Gegenzug will Bremen seine langjährigen Häftlinge, die bislang in Niedersachsen inhaftiert waren, in der eigenen JVA unterbringen. Für die Sicherungsverwahrten wäre ein Neubau notwendig - aber für das klamme Bremen zu teuer und für die geringe Anzahl zu aufwendig. Niedersachsen hat nun angeboten, die Bremer Sicherungsverwahrten gegen Erstattung der Kosten weiterhin bei sich aufzunehmen. Noch wird verhandelt.

Wenig überraschend ist die Unterbringungs auch eine Kostenfrage. Ein Sicherungsverwahrter soll nach niedersächsischem Angebot 400 bis 450 Prozent des regulären Tageshaftkostensatzes kosten, bislang zahlte Bremen lediglich einen Aufschlag von 25 Prozent. Noch wird verhandelt.

In Hamburg bleibt die Situation derweil verfahren. Inzwischen habe alle drei Sicherungsverwahrten, denen der Umzug nach Jenfeld angeboten wurde, ihre Ablehnung formuliert. Bürgermeister Scholz dagegen hat bekräftigt, dass es kein weiteres Angebot geben werde.

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