Siedlungsbau im Schnellverfahren: Flüchtlingen droht die grüne Wiese

Senat will auf der Basis von Ausnahmegenehmigungen in allen Bezirken „Flüchtlingsunterkünfte mit der Perspektive Wohnen“ errichten

Soll schneller gehen: Rot-Grün will Expresswohnungsbau voran treiben. Foto: dpa

HAMBURG taz | Der rot-grüne Senat will ohne langwierige Bebauungsplanverfahren Flüchtlingssiedlungen auf die grüne Wiese stellen. Eine Ausnahmeregelung dafür ist vor einem Jahr auf Initiative Hamburgs ins Bundesbaugesetz aufgenommen worden. Mit der Express-Bebauung versucht der Senat der drängenden Nachfrage durch Schutzsuchende zu begegnen. Sobald im Nachhinein normales Baurecht geschaffen ist, sollen diese Wohnungen dann auch an andere Sozialwohnungsberechtigte vermietet werden.

„Wir wollen Flüchtlinge, die eine langfristige Bleibeperspektive haben, schnellstmöglich gut integrieren“, sagt Stadtentwicklungssenator Dorothee Stapelfeldt (SPD). „Deswegen haben wir die Bezirke gebeten, uns Flächen für Flüchtlingsunterbringung mit der Perspektive Wohnen zu nennen.“ Im vierten Quartal 2015 wolle der Senat ein Konzept vorstellen, wie bis Ende 2016 mehrere tausend Wohnungen zusätzlich entstehen könnten.

Bis einschließlich August hat Hamburg mehr als 10.000 Flüchtlinge aufgenommen. Im gesamten vergangenen Jahr waren es 6.600, im Jahr davor 3.600. Die meisten von ihnen waren auf eine öffentliche Unterbringung angewiesen. Mit den Plänen, über die die taz vorige Woche zum ersten Mal berichtete, will der Senat einen Übergang zum richtigen Wohnen bewerkstelligen.

Dafür hat der Senat jeden Bezirk gebeten, Wohnungsbauflächen im Umfang von acht Hektar vorzuschlagen, auf denen jeweils Wohnungen für 2.000 bis 3.000 Menschen entstehen sollen. Nach Auskunft von Stapelfeldts Sprecher Magnus Kutz sind dort drei- bis vierstöckige Wohngebäude, zum Teil aber auch Reihenhäuser vorgesehen.

Dass das so schnell geht, liegt daran, dass der Senat nach Paragraph 246 Baugesetzbuch eine Sonderregelung für Flüchtlingsunterkünfte in Anspruch nehmen und Bebauungspläne ohne die sonst vorgesehenen Genehmigungen und Zustimmungen festsetzen kann. Die Behörde strebt an, zu 100 Prozent Sozialwohnungen zu bauen. Sobald der Bebauungsplan genehmigt sei, solle im Wege der „Belegungssteuerung“ ein Teil der Flüchtlinge aus- und andere Wohnberechtigte mit Paragraf-5-Schein einziehen.

Das soll verhindern, dass Ausländerghettos entstehen. Dazu beitragen soll auch die überschaubare Größe der neuen Siedlungen, „die keinen eigenen Nahversorger rechtfertigen würde“, sagt Kutz. Das bewirke automatisch eine Integration in die Nachbarschaft.

Einen ersten Flächenvorschlag hat die rot-grün dominierte Bezirksversammlung Wandsbek vor einer Woche vorgelegt: am Rehagen und an der Glashütter Landstraße in Hummelsbüttel, am Poppenbütteler Berg und auf dem Gelände des ehemaligen Pflegeheims Holstenhof in Jenfeld. Im Gegenzug verlangt der Bezirk eine Verbesserung der Infrastruktur. Zudem müsse der Senat „durch kluge Belegungspolitik dafür Sorge tragen, dass eine soziale Integration in die gewachsenen Strukturen gewährleistet wird“.

Die Bezirks-CDU nannte den Vorschlag ein „Gemisch aus blindem Aktionismus, Uninformiertheit, ideologischer Verbohrtheit und handwerklichen Fehlern“. Es fehle eine Prognose, ob so viele Wohnungen gebraucht würden. Am Rehagen wollten die Grünen zudem in eine von ihnen als „heilig“ angesehene Grünachse bauen.

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