Sotschi 2014 – Biathlon 10 km Sprint: Der Triumph des alten Mannes

Im Sprintrennen über 10 Kilometer siegt der 40-jährige Biathlet Ole Einar Björndalen aufgrund einer wahnsinnigen Laufleistung. Die Deutschen enttäuschen.

Eine Klasse für sich: Ole Einar Björndalen. Bild: dpa

Die Startbedingungen: Frankreich und Norwegen stellen die Favoriten bei der ersten Biathlon-Entscheidung dieser Olympiade. Martin Fourcade hat in dieser Disziplin beim Probelauf vor einem Jahr gewonnen. Emil Hegle Svensson ist sein schärfster Konkurrent. Ungewöhnlich: die Biathlon-Wettbewerbe beginnen mit dem Sprint und nicht – wie üblich – mit dem 20 Kilometer-Rennen, das normalerweise dem besten Schützen im Feld die aussichtsreichsten Chancen bietet.

Aber alle Scheiben muss man auch heute im Stadion „Lara“ treffen, will man vorne dabei sein will. Der Anlauf zum Schießstand ist flach, die Gefahr groß, dass der Puls zu sehr absinkt. Das Wetter ist ideal, aber die Strecke ist schwer und damit von allen als olympiareif bezeichnet worden, auch wenn einige Kurven noch einmal entschärft worden sind. Medaillenchancen werden auch den besten Deutschen eingeräumt.

Simon Schempp, der den letzten Sprint vor Olympia in Antholz gewonnen hat, könnte ebenso vorne mitmischen wie Arnd Pfeifer, der in dieser Disziplin bereits Weltmeister wurde. Für eine Überraschung gut ist natürlich auch immer der Altmeister aller Klassen, Ole Einar Björndalen. Der 40-jährige dürfte in Sotschi seine letzten olympischen Spiele bestreiten. Im norwegischen Lager könnten auch die Gebrüder Bö bei einem guten Schießergebnis weit vorne landen.

Überraschungen sind in dieser Disziplin eigentlich auch bei Oympia eher selten. Die coolste Haltung vorab zeigt der Deutsche Eric Lesser, als er sagt, das sei ein völlig normales Rennen, halt nur mit fünf Ringen davor. Mal sehen, wie cool er bleibt. Österreicher und Russen gelten derzeit als jene Athleten, deren Chancen am schwersten einzuschätzen sind. Doch der Heimnimbus dürfte zumindest bei letzteren einige zusätzliche Energien freisetzen. Allerdings hatten die Russen zuletzt einige Schwächen beim Schießen gezeigt. Und im Laufen zuletzt geschwächelt. Die Österreicher kommen dann wohl eher als Wundertüten daher.

Die Entscheidung: Es entwickelt sich ein unglaubliches spannendes Rennen – nicht zuletzt weil einiger Favoriten enttäuschen: Der Franzose Martin Fourcade leistet sich schon beim Liegendschießen einen Fehler. Davon wird er sich nicht mehr erholen. Er wird Sechster. Völlig überraschend ist, dass sogar der Kanadier Jean-Philippe LeGuellec am Ende vor ihm liegt. Noch überraschender aber ist der neunte Platz von Norweger Emil Hegle Svendsen. Wie sein vor ihm gestartete Landsmann Ole Einar Björndalen leistet er sich einen Fehler beim Schießen im Stehen. Am Ende liegt er fast eine halbe Minute hinter Björndalen.

Der 40-Jährige schafft es zudem, den Österreicher Dominik Landertinger im Ziel noch abzufangen. Er muss eine sensationelle letzte Runde gelaufen sein. Im Interview wird er später sagen, dass die Renneinteilung sein großes Plus war und dass die Skier hervorragend präpariert waren. „Und ich bin in einer ganz guten Form“, fügt er schmunzelnd hinzu. Bjoerndalen gewinnt sein siebtes Gold bei seinen sechsten Olympischen Spielen. Das ist der Triumph eines großen alten Mannes.

Sensationell ist aber auch der dritte Plaz für den Tschechen Jan Soukop. In allen Zwischenzeiten bis nach dem zweiten Schießen und sogar der letzten Zeitnahme vor dem Ziel liegt er noch in Front. Aber auf den letzten Metern muss er der Strecke doch noch Tribut zollen. Er wird Dritter. Enttäuschung auf der ganzen Linie herrscht jetzt in Frankreich und vor allem in Deutschland.

In Frankreich wegen der verpassten Medaille und in Deutschland wegen des durchweg schwachen Abschneidens der gesamten Mannschaft. Auf Platz 15 ist Simon Schempp der bestplatzierte Deutsche, ihm folgt Eric Lesser auf Platz 21. Arnd Pfeifer (Platz 34) schießt insgesamt drei Fehler und sucht nach Erklärungen für sein schwaches Abschneiden. Bei Stephan Christoph (Platz 58) hatte man den Eindruck, dass er sich nicht richtig traut. Mit zwei Fehlern und einer schwachen Laufleistung landet er weit hinten.

Das Drama: Die herbeste Enttäuschung des Tages dürfte die russische Mannschaft verzeichnen. Außer Anton Shipulin kann sich niemand auch nur in der Nähe der Medaillen platzieren. Zumindest ist Shipulin länger nah dran. Am Ende landet er mit 0,7 Sekunden hinter Soukop auf dem vierten Platz. Das ist bitter für die Heimmannschaft, die jetzt alle Hoffnung auf die Verfolgung setzen muss. Und die wird in zwei Tagen garantiert noch einmal superspannend.

Die Schlussfolgerung: Die Favoritenstürze machen die kommenden Rennen deutlich spannender, als man das hätte erwarten können. Aus einem Kreis von 15 bis 20 Läufern kann quasi jeder die Nase einmal vorne haben. Diejenigen, die jetzt hinten gelandet sind, werden bestimmt die Messer wetzen, allen voran Fourcade und Svendsen. Aber auch die Deutschen sollten sich auf Wiedergutmachung einstellen. Besser man wiederholt den Negativrekord von Vancover 2010 nicht. Da blieb das deutsche Team ohne Medaille.

Und sonst? Biathlon ist ein Wahnsinnssport, bei dem man schon vom Zuschauern Herzrasen bekommt. Aber dass der Älteste im Felde aufgrund seiner großartigen Laufleistung gewinnt, ist die größte Sensation des ersten Tages der Spiele in Sotschi.

Proteste an der Strecke: Keine.

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