Spitzenspiel in der Fußball-Bundesliga: Maximaler Erfolg, maximale Kritik

Bayern-Trainer Kovac begründet das 5:0 gegen Borussia Dortmund mit seiner taktischen Umstellung. Die Gunst der Stunde nutzt er für eine Medienschelte.

Jubelnde Fußballspieler

Entfesselte Bayern-Profis: Jubelschreie von Robert Lewandowski und Thiago (hinten) Foto: dpa

MÜNCHEN taz | Richtig spannend war dieses 5:0 nur in der ersten Viertelstunde – und dann erst wieder eine halbe Stunde nach Abpfiff. Fangen wir vorne an: Nach den frühen Toren der maximal engagierten Ex-Dortmunder Mats Hummels und Robert Lewandowski war absehbar, dass diese merkwürdig blutleere BVB-Truppe den diesmal hochmotivierten Bayern aber so was von gar nichts würden anhaben können. Schwer nachvollziehbar, wie man als Tabellenführer diesen schicken Platz dermaßen ergeben hergeben kann. Wie kann man als Abwehrspieler so oft davon überrascht sein, dass Hummels bei jeder Bayern-Ecke am ersten Pfosten zum Kopfball hochsteigt? Ein Laufweg, so klassisch wie die Willy-Sagnol-Gedächtnisflanke aus dem Halbfeld.

Hatten die Dortmunder nicht auf dem Schirm, so wie der ganze Vortrag der Elf von Lucien Favre („Das war eine Lehrstunde“) alles andere als meisterlich geriet. Zwar haben die Münchner bloß einen Punkt Vorsprung, das womöglich etwas schwerere Restprogramm (vorletztes Spiel in Leipzig, dann daheim gegen Frankfurt), dafür aber das mittlerweile um 15 Tore bessere Torverhältnis und natürlich das sogenannte Momentum. So demoralisiert wie Favre nach der Klatsche wirkte und sprach, ist dem BVB ein Comeback erst mal nicht zuzutrauen.

Genug vom Sport. Kommen wir zu Nico Kovac. Gut eine halbe Stunde nach Schlusspfiff saß der Bayern-Coach mit dem BVB-Coach in der Pressekonferenz. Wer hätte vor der Partie gedacht, dass er bei der Gelegenheit dem Titel-Kontrahenten den ein oder anderen tröstenden Klaps mitgeben würde? Kovac fühlte mit Favre, weil er weiß, was nun auf den Schweizer zu kommt: Kritik in verschärfter Form. So wie Kovac sie seit dem Ende der ersten schönen Siegesserie im Herbst ebenfalls in unregelmäßigen Abständen abbekommt.

Die Kritik kommt von „den Medien“, zuweilen auch aus dem Spielerkreis (selbst nach dem 5:0 moserte Hummels: „Das passive Verteidigen liegt uns nicht so. Wenn wir aktiv sind, ist das eine ganz andere Klasse.“), und sie kommt auch nur nachlässig als Ultimatum getarnt vom Klubpräsidenten: „Am Samstag, 18.30 Uhr, darf es keine Ausreden geben. Da muss geliefert werden“, hatte Uli Hoeneß vorab gemahnt und damit sicher nicht nur die Spieler gemeint.

Schon vor seinem ersten Arbeitstag als Trainer an der Säbener Straße musste Kovac Geschichten mit dem Tenor lesen: ‚Kann der Bayern?‘ Die Antwort steht noch aus. Auch die Frage ‚Kann der auch Umbruch?‘ steht mit einem Fragezeichen in der Tiefe des Raumes. Bislang hat sich der früher auf dem Feld so giftige Kroate im Umgang mit den Medien gut im Griff, aber ausgerechnet in der Stunde seines bislang größten Sieges, brach dann doch so einiges aus ihm heraus. Im ersten TV-Interview nach dem Spiel hatte er das Thema noch kurz und knapp verhandelt: „Alle auf einen, aber das ist schon okay – ich bin stark genug.“

Wort zum Sonntag

Später legte er nach: „Wenn du gewinnst, hast du nichts richtig gemacht, und wenn du verlierst, hast du alles falsch gemacht. Das ist bei Trainern so. Wir sind die, die immer alles abbekommen. Dem stellen wir uns. Ob das so sein muss, nicht nur bei mir, stelle ich mal infrage. Anscheinend ist das so in der heutigen Zeit so. Viele geben sich damit zufrieden. Ich nicht! Weil ich glaube, dass wir alle Menschen sind. Jeder muss an sich den Anspruch haben: ‚Was ich nicht möchte, was mir einer antut, das tue ich auch keinem anderen an.‘ Das ist das ‚Wort zum Sonntag‘“.

Schon mal nicht schlecht, aber es ging noch weiter. Ob die Mannschaft nun bei Jerome Boatengs Privatparty im P1 mal auf den Putz hauen dürfe? „Lass doch die Leute das machen, was sie machen möchten. Der Junge hat sich entschieden“, sagte Kovac über Boateng, der keine drei Sekunden nach dem Schlusspfiff von der Bank Richtung Kabine abgetaucht war, „es geht nur noch um Nebensächlichkeiten, nur noch um Sensationen“, klagte Kovac. Nach Taktik oder Spieldetails werde gar nicht mehr gefragt, alles auf Sieg oder Niederlage verdichtet. „Das ärgert mich“, so Kovac, „aber nicht nur mich. Da gibt es noch andere Kollegen, die das genauso ärgert. Das muss mal gesagt werden. Ich bin kein Moralapostel. Wir müssen mal wieder klarkommen mit unserem Leben. Das ist nicht in Ordnung, was hier abgeht.“

Oli Kahn über Kovacs Ausbruch

„Er ist ja noch ein bisschen in der Entwicklungsphase. Man sieht schon, dass ihm das zusetzt, was so ein Trainer beim FC Bayern aushalten muss.“

Der Ausbruch hat eine Vorgeschichte. Zwei Tage vor dem Dortmund-Spiel hatte Kovac seine Spieler hart kritisiert: „Wenn Sie Kinder haben, wissen Sie: Es reicht nicht mit einem Mal. Du musst es immer wieder von Neuem sagen, mit Argumenten kommen. Wir sind jetzt ein Dreivierteljahr zusammen. Glauben Sie mir, vom ersten bis zum jetzigen Tag, wahrscheinlich auch morgen und übermorgen, werde ich weiter immer wieder dasselbe erzählen. Ich muss weitermachen, so schwer es manchmal fällt. Der eine versteht es früher, der andere später. Natürlich wird man wahnsinnig, aber es geht weiter.“ Starker Tobak und wenig verwunderlich, dass daraus ein paar kernige Schlagzeilen entstanden.

Im ZDF ordnete der künftige Bayern-Boss Oliver Kahn („Wir sind in guten Gesprächen“) Kovacs Ausbruch ein: „Er ist ja noch ein bisschen in der Entwicklungsphase. Man sieht schon, dass ihm das zusetzt, was so ein Trainer beim FC Bayern aushalten muss.“ Wohl wahr. Es war Kovac wichtig, darauf hinzuweisen, warum seine Mannschaft so grandios gespielt hatte: „Wahrscheinlich haben Sie es gesehen, dass wir das System auf einen Sechser und zwei Achter umgestellt haben. Das war der Schlüssel zum Erfolg.“

Auch den kapitalen Fehler vor dem 2:0 habe man antizipiert: „Wir haben das in der Analyse angesprochen, dass Zagadou immer mal wieder einen Bock drin hat. Die Jungs hören schon auf mich…“ Na, wäre ja noch schöner, wenn die Spieler nicht auf den Trainer hören. Auch nach dem 4:0 wedelte, winkte, pfiff und kurbelte Kovac noch an der Seitenlinie rum wie einst Guardiola, vermittelte somit den Eindruck: ‚Hey, ich arbeite in wirklich jeder Sekunde an der Mannschaft!‘ Diesmal mit maximalem Erfolg. Wobei: Jupp Heynckes hatte den BVB vor Jahresfrist sogar mit 6:0 nach Hause geschickt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.