Sprachregelungen für AfD-Mitglieder: Abschied vom „Quoten-N****“

Die AfD in Niedersachsen und Hamburg will ihre Mitglieder „für die Rechtslage sensibilisieren“, um einer Verfassungsschutz-Überwachung zu entgehen.

Demonstranten am Rande einer AfD-Veranstaltung zeigen Schilder mit der Aufschrift „Rassismus“ und „Fremdenfeindlich“.

Damit AfDler beim Rechtsabbiegen nicht beim Verfassungsschutz landen: Hilfreiche Wegweiser von Demonstrant*innen am Rande einer AfD-Veranstaltung Foto: dpa

HAMBURG taz | Trotz der jüngsten Wahlerfolge geht in der AfD die Angst um – die Angst vor der Beobachtung durch den Verfassungsschutz. In einem mehrseitigen Papier legt der stellvertretende AfD-Landesvorsitzende in Niedersachsen, Klaus Wichmann, darum nochmals dar, was die Parteianhänger gerne sagen dürfen – und was besser nicht.

Mit dem Ratgeber, sagt Wichmann, sollten die Parteianhänger „für die Rechtslage sensibilisiert“ werden. So sollten sie etwa bei Aussagen im Zusammenhang mit der Menschenwürde vorsichtig sein. Nicht zu empfehlen sei es, einer Gruppe die Menschenwürde pauschal abzusprechen. So sei es zum Beispiel besser, eine abwertende Aussage nicht auf „alle Muslime“ zu beziehen, sondern „auf den hohen Anteil von Straftätern unter zugewanderten Muslimen“.

Sätze wie „Farbige sind Tiere“ sollten die Mitglieder und Sympathisanten der AfD künftig lieber nicht mehr sagen. Auch die Forderung „Steinmeier und alle seine Gehilfen an die Wand stellen!“ sei problematisch. Ein solche Aussage zum Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (SPD), erklärt Wichmann seinen Mitgliedern, sei eine „reine Stimmungsmache“.

Der Ratgeber weist zudem darauf hin, dass die Facebook-Accounts der Partei und ihrer Mandats- und Amtsträger genau überwacht werden müssten: „Denn alles, was auf Seiten oder Accounts der Partei geäußert wird, wird der Partei als eigene Äußerung zugerechnet.“ Das gelte auch für Kommentare von außen.

Nicht zu empfehlen sei es, einer Gruppe die Menschenwürde pauschal abzusprechen, heißt es im Ratgeber der AfD Niedersachsen

Die Bemühungen dürften der Beobachtung des Landesjugendverbandes der Partei, der „Jungen Alternative“ (JA), durch das niedersächsische Landesamt geschuldet sein. Auch in Bremen beobachtet der Verfassungsschutz die JA bereits.

Im niedersächsischen Landesverband sollen jetzt Schulungen folgen. In Hamburg hatte die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung schon Anfang dieses Monats ein Seminar zum Thema „Patriotismus und Rechtsextremismus“ ausgerichtet. Auf der Internetseite der Stiftung war die Veranstaltung nicht angekündigt. Hans Hausberger von der Stiftung legte in dem Seminar dar, was gesagt werden darf und was nicht. In internen Unterlagen, die der taz vorliegen, warnt Hausberger, dass die Beobachtung durch den Verfassungsschutz für die AfD eine „existentielle Bedrohung“ darstelle.

Allerdings habe es die Partei auch selbst in der Hand, ob ihr von „interessierter Seite ein Strick gedreht werden kann oder nicht“. Die eigenen Werte müssten AfDler hierfür nicht „verraten“ , beruhigt Hausberger. Er führt aber Aussagen an, die „absolut inakzeptabel“ seien. Jede Ablehnung und „Verächtlichmachung“ der freiheitlich-demokratischen Grundordnung müsse unterbleiben. Ebenso gehe es gar nicht, zu verkünden, dass die repräsentative Demokratie das sei, „was wir leider noch haben“, oder von einer „verfaulten Demokratie“ und einem „rettenden Führerstaat“ zu sprechen.

Umstrittene Tabus

„Absolut inakzeptabel“ sei auch die „Infragestellung der Menschenrechte“. Auch dürfe die Religionsausübung nicht abgelehnt werden. „Inakzeptabel“ seien bestimmte Begriffe wie „Biodeutscher“ und „Quoten-N****“, ebenso die Aussage, geflüchtete Menschen würden „schlagen, vergewaltigen, messern und morden“ und das sei „in der DNA dieser Asylforderer“ angelegt. Zu unterlassen seien auch „Beschönigungen des Nationalsozialismus“ und Relativierungen seiner Verbrechen sowie Antisemitismus.

Die Nähe zu „extremistischen Gruppen“, warnen Hausberger und auch Wichmann, müsse dringend gemieden werden. In der aktuellen Ausgabe der Compact sagt der Brandenburgische AfD-Fraktions- und Landesvorsitzende Andreas Kalbitz allerdings, Empfehlungen wie „Distanz zu Pegida“ seien falsch. Kalbitz, der selbst mal Gast bei der verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ war, warnt in dem weit rechten Magazin, von „der inhaltlichen Substanz“ der AfD sei „bald nichts mehr übrig“, wenn man der Gegenseite immer mehr nachgebe.

Für Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) ist das Papier selbstentlarvend. Die AfD habe dieses Gedankengut nun mal in sich. Die Partei hätte sagen müssen: „Wir wollen solche Äußerungen nicht hören, weil sie nicht unseren Gedanken entsprechen“ – und nicht um einer Überwachung auszuweichen.

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