Stasi-Spitzel erwirkt einstweilige Verfügung: Dürfen wir wissen, wer "IM Schubert" war?

Ein früherer Stasi-Spitzel hat eine Ausstellung in Sachsen gestoppt. Seit gestern wird über den Präzedenzfall verhandelt.

Muss plötzlich vor Gericht: Edmund Käbisch, Zwickauer Dompfarrer im Ruhestand mit einer Schautafel aus seiner seit drei Jahren laufenden Ausstellung "Christliches Handeln in der DDR". Bild: ap

ZWICKAU taz Tumulte am Landgericht Zwickau: Rund hundert aufgebrachte Bürger versuchen am Dienstag, sich Zugang zum Verhandlungssaal zu verschaffen. Schließlich wird die Verhandlung in einen größeren Saal verlegt. Es ist die Chuzpe eines ehemaligen Inoffiziellen Mitarbeiters der DDR-Staatssicherheit, die das Interesse und die Empörung auslöst.

Nach der Eröffnung der Ausstellung "Christliches Handeln in der DDR" im Februar im sächsischen Reichenbach war es ihm gelungen, diese vorläufig zu stoppen. Per einstweilige Verfügung untersagte das Landgericht die Nennung des Klarnamens von "IM Schubert" auf einer der Tafeln. Die Ausstellung wurde daraufhin abgebaut.

Diesen Präzedenzfall hatte Richterin Gerth nun am Dienstag mündlich zu verhandeln. Sie werde auf keinen Fall noch am selben Tag ein "Stuhlurteil" fällen, hatte sie bereits vorher angekündigt. Die Richterin versuchte auch, den Fall etwas tiefer zu hängen. "Es geht nicht um eine Grundsatzfrage, sondern um eine Einzelfallentscheidung."

Das sieht Martin Böttger, der Leiter der Chemnitzer Stasi-Unterlagenbehörde, anders. Er spricht von einem "beispiellosen Fall".

Die Richterin sagte, es gehe um eine Abwägung zwischen Persönlichkeitsrechten und Meinungsfreiheit. Genau diesen Ermessensspielraum sieht der gleichfalls im Gerichtssaal angereiste sächsische Stasi-Landesbeauftragte auch im Stasi-Unterlagengesetz.

Geistiger Vater der mit der Rolle der Christen in der DDR befassten Ausstellung ist der ehemalige Zwickauer Dompfarrer Edmund Käbisch. Für die Gestaltung arbeitete er neben eigenen Recherchen auch mit Schülern zusammen. Grotesk erscheint, dass die Ausstellung unverändert seit 2005 an mindestens elf Orten Ostdeutschlands und in Passau gezeigt wurde. Darunter waren so exponierte Orte wie das Regierungspräsidium Chemnitz und das Landgericht Zwickau selbst. Nirgendwo stieß sich jemand an der Nennung mehrerer Klarnamen. Erst in Reichenbach fiel "IM Schubert" sein Name auf. Sein Anwalt, Thomas Höllrich, sprach darauf von "Pranger" und "Lynchjustiz". Höllrich sitzt für die Linke im Kreistag. Sein Handy klingelte im Gerichtssaal mit Hymne der Freien Deutschen Jugend: "Bau auf, bau auf".

Richterin Gerth begründete am Dienstag einerseits, warum sie zunächst in der Eilentscheidung den Persönlichkeitsrechten des Klägers den Vorrang gab. Sie ließ aber auch eine Tendenz erkennen. So sei die Verfügung gegen die Stadt Reichenbach wohl aufzuheben, die lediglich die Räume des Rathauses zur Verfügung stellte. "IM Schubert" sei auch nicht besonders herausgehoben worden und habe in drei Jahren keine Übergriffe hinnehmen müssen. Die Aussagen der Ausstellung entsprächen den Tatsachen, und Geschichtsaufarbeitung könne "anhand konkreter Personen" geschehen.

Die Ausstellung wird nun am 15. April erneut im erzgebirgischen Schneeberg gezeigt. Bei "IM Schubert" wird dann eine schwarze Tafel hängen.

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