Steckdosen-Kraftwerk blockiert: Hamburg bremst Energiewende aus

Das kürzlich rekommunalisierte Stromnetz Hamburg sperrt sich dagegen, kleine Solaranlagen per Schuko-Stecker ans Hausnetz anschließen zu lassen.

Balkonschmuck für Technikfans: das aktuelle Modell des Simon Foto: Oekostrom AG

HAMBURG taz | So einfach könnte der persönliche Beitrag zur Energiewende sein: Man kauft ein kleines Solarmodul und steckt es in eine stinknormale Steckdose. Statt Strom daraus abzuzapfen, wird er bei Sonnenschein eingespeist und der Gefrierschrank mit selbst gemachtem Strom betrieben.

Der Öko-Versorger Greenpeace Energy hat jetzt versucht, so ein Gerät namens „Simon“ beim Stromnetz Hamburg anzumelden. Doch der erst vor Kurzem zum Zwecke der Energiewende rekommunalisierte Netzbetreiber wiegelte ab: Der Betrieb eines solchen Solarmoduls stehe „im Widerspruch zu den in Deutschland allgemein anerkannten Regeln der Technik“, insbesondere einer einschlägigen Norm des Verbandes der Elektrotechnik (VDE).

„Leider konnten wir uns mit Stromnetz Hamburg nicht auf den kontrollierten Testbetrieb eines Simon einigen“, schreibt Greenpeace Energy. Dabei belegten mehrere Gutachten, dass das kleine Solarmodul sicher angeschlossen werden könne. Und die ermittelten Daten, so die Hoffnung, hätten die Debatte um die geltenden Einspeiseregeln voranbringen könnten.

Stromnetz Hamburg müsste das ein Anliegen sein. Denn der Volksentscheid für einen Rückkauf der Hamburger Energienetze war 2013 mit den Argument geworben worden, es solle „eine sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltgerechte Energieversorgung“ gewährleistet werden.

Das Solarmodul „Simon“ wird von einer Tochter der Oekostrom AG vertrieben, dem österreichischen Pendant zu Greenpeace Energy.

Die Anlage wiegt 14 Kilogramm; sie misst rund 140 mal 70 Zentimeter und schafft 150 Watt.

Für knapp 600 Euro plus 30 Euro Versandkosten lässt sie sich bestellen.

Stromnetz Hamburg gehört der Stadt und stellt Leitungen für die im Wettbewerb befindlichen Versorger bereit.

Greenpeace Energy ist eine Genossenschaft, mit der Greenpeace versucht, den Wettbewerb auf dem Strommarkt für die Energiewende zu nutzen.

„Die Idee ist gar nicht so schlecht“, sagt Stromnetz-Sprecherin Annette Polkehn-Appel über den Simon, „nur muss sie sicher sein.“ Es gebe Hinweise, dass es für die Nutzer gefährlich sein könnte, so eine Anlage mir nichts, dir nichts anzustöpseln. „Letztlich sind wir nicht die richtigen Ansprechpartner“, sagt Polkehn-Appel, die Normen setze der Elektrotechnikverband.

Dieser warnt in einem besonderen „Faktenpapier“ vor „Erzeugungsanlagen mit Steckern“. Schutzeinrichtungen wie Sicherungen könnten beeinträchtigt werden, „da sie den in die Steckdose rückgespeisten Strom nicht erkennen und auf ihn nicht ordnungsgemäß reagieren können.“

Namenspatron Simon Niederkirchner von der Firma Homemade Energy, die den Simon vertreibt, hält mit verschiedenen Gutachten des TÜVs Austria und der deutschen SGS, einer Kooperationspartnerin des TÜVs Saar, dagegen. „Wir haben uns jeden Einwand angeschaut“, versichert Niederkirchner. Es sei kein Strom auf dem Stecker, wenn dieser gezogen werde; die Sicherung im Stromkreis funktioniere auch bei Stromeinspeisung und eine Überhitzung der Leitung sei ebenfalls nicht zu befürchten.

Angesichts der geringen Leistung der Anlage könnten bis zu vier Geräte gefahrlos eingesteckt werden. Ein Panel leistet 150 Watt – soviel brauchte früher fast schon manche Glühbirne. Heute lässt sich ein Fernseh-Flachbildschirm damit betreiben. „Die Vorgabe war von Anfang an: Das muss sicher sein“, sagt Niederkirchner.

Seit dem 1. Juli kann das Gerät in Österreich problemlos angeschlossen werden. Dort gilt jetzt eine Bagatellgrenze von 600 Watt. So viel Strom-Leistung wird in der Regel von einem Haushalt selbst gebraucht. Mehr als 10.000 Menschen hätten bereits von dem Angebot Gebrauch gemacht, sagt Niederkirchner. Energetisch rechne es sich in zwei bis fünf Jahren. Finanziell dauert es deutlich länger. Das sei den Käufern, die etwas für die Umwelt tun wollten, aber egal, sagt Niederkirchner. Für diese laute die Frage eher: „Kaufe ich mir das neue I-Phone oder gebe ich ein Statement ab, wie die Energieversorgung der Zukunft aussehen soll.“

Schon immer sei der Ausbau der Erneuerbaren Energien zu einem großen Teil von Privatleuten vorangetrieben worden, sagt Nils Müller, Vorstand von Greenpeace Energy. Er fordert deshalb, dass der VDE sich bewegen müsse: „Regeln, die ihren Sinn verloren haben und der Energiewende schaden, gehören abgeschafft.“ Stromnetz-Sprecherin Polkehn-Appel verspricht: „Wir bringen dieses Thema in die Gremien des VDE.“

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