Steuerfahnder über Kampf gegen Betrüger: „Ein ewiges Hinterherhinken“

Es gibt zu wenig Personal, kritisiert Steuerfahnder Thomas Eigenthaler. Vor allem IT-Experten fehlten den Finanzämtern.

Briefkasten eines Finanzamtes

Rund 3.500 Steuerfahnder arbeiten für die Finanzämter Foto: dpa

taz: Herr Eigenthaler, sind die Steuerfahnder überfordert?

Thomas Eigenthaler: Nein, das sind sie nicht. Die Phänomene sind für die Steuerfahnder nicht neu. Aber die Unternehmen werden immer findiger. Sie werden von einem Heer von Anwälten und Steuerberatern dabei unterstützt, auch das letzte Steuerschlupfloch auf der Welt zu erkunden. Wir können das Notwendigste machen. Aber wir können nicht hinter jeden Steuerzahler einen Steuerfahnder stellen.

Wie viele Fahnder gibt es derzeit?

Rund 3.500 Steuerfahnder sind bundesweit im Einsatz. Hauptgeschäft der Finanzämter ist es, Steuererklärungen zu bearbeiten. Um Steuerkriminalität kümmern sich nur drei bis vier Prozent der Beschäftigten. Wenn viele Unternehmen eingeschaltet sind und ganze Kaskaden an Briefkastenfirmen auftauchen, dann sitzen die Kollegen Monate an den Fällen und kommen oft nur millimeterweise voran.

Wie arbeitet ein Steuerfahnder?

Es kommt darauf an, wie eine Information eingeht. Manchmal werden den Fahndern Daten angeboten. Ein Beispiel waren die Informationen zu Banken in der Schweiz. Es kann aber auch sein, dass das Finanzamt einen Tipp aus dem persönlichen Umfeld bekommt, etwa von einem enttäuschten Geschäftspartner. In anderen Fällen gehen die Fahnder konzentriert Blatt für Blatt die Unterlagen eines Unternehmens durch. Oder die Medien liefern einen Verdacht. Berichte über die Yacht eines Geschäftsmanns lassen auch die Finanzbehörden stutzig werden.

kennt sich aus mit der Verwaltung. Er ist Vorsitzender der Steuergewerkschaft.

Wie sieht die technische Ausstattung aus?

Über die taktischen Aspekte der Straffahndung kann ich nichts sagen. Aber wir laufen der Entwicklung immer ein Stück weit hinterher. Es gibt einen Spruch unter den Fahndern: Der Steuerhinterzieher fährt im Ferrari, das Finanzamt mit dem Fahrrad hinterher. Dieser Spruch gilt immer noch.

Was brauchen die Beamten?

Die Daten auszuwerten kostet sehr viel Zeit. Wir brauchen mehr Personal und vor allem Experten, die sich mit IT auskennen. Das heißt: Die Zahl der Fahnder darf gerne verdoppelt werden. Das ist ja auch kein laufendes vorhersehbares Geschäft, sondern Informationen zu Steuersündern laufen oft unverhofft ein. Dann muss eine Bank durchsucht werden oder die Daten einer Steuer-CD geprüft. Das kann man nicht planen.

Auch deutsche Banken stehen nun im Fokus der „Paradise Papers“. Medienberichten zufolge sollen sie mit illegalen Online-Casinos Geschäfte machen und damit gegen deutsche Gesetze verstoßen. Geldinstitute wie die HypoVereinsbank oder die Postbank wiesen die Vorwürfe über die angebliche Verstrickung zurück. Die Strafverfolgungsbehörden gehen den Vorwürfen nach.

Welche Fähigkeiten müssen Fahnder mitbringen?

Sie müssen sehr genau arbeiten. Sie brauchen Rechtswissen und sollten komplizierte Geschäftsvorgänge verstehen können. Früher hatten die Leute Bargeld und Belege im Schuhkarton versteckt. Heute laufen die Geschäfte international und digital. Der gesamte Onlinehandel, der zu großen Teilen am Finanzamt vorbei geführt wird, wenn es sich um ausländische Händler handelt, ist ein großes Problem. Oder die Manipulation von Registrierkassen durch Software – das sind alles Phänomene, für die man Spezialkenntnisse braucht.

Was muss die Politik tun?

Jedes Jahr gibt es ein neues Leak. Panama Papers, Lux Leaks, Swiss Leaks, Berichte über die Steuerparadiese Zypern, Malta, Madeira – wir können davon ausgehen, dass wir auch im nächsten Jahr wieder eine ähnliche Enthüllung haben werden. Ich erwarte von der Politik, dass nicht die geschont werden, die hohe Vermögen über die Grenzen schieben können. Wir sind als kleine Steuerzahler an Steuergerechtigkeit interessiert. Wer Vermögen hat, der muss sich seiner Verantwortung bewusst und auch moralisch ein Vorbild sein.

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