Steuerpolitik der Parteien: Alle versprechen mehr Geld

Steuersenkungen versprechen alle großen Parteien. Wer profitiert bei welcher am meisten? Wer soll draufzahlen, und wer geht leer aus?

zwei Hände mit einer großen Menge Zweieuromünzen

Wer kriegt's? Foto: dpa

Geld für die reiche Mitte

Das will die Union: Die CDU/CSU möchte den Solidaritätszuschlag für alle ab dem Jahr 2020 schrittweise abschaffen. Die Einkommensteuer soll um gut 15 Milliarden Euro sinken. „Diese Entlastung soll in erster Linie der Mitte unserer Gesellschaft, also Familien mit Kindern, Arbeitnehmern, Handwerk und Mittelstand, zugute kommen“, verspricht die Union.

Sie will den „Mittelstandsbauch“ im Steuertarif verringern. Der Spitzensteuersatz soll künftig erst bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 60.000 Euro einsetzen, der Kinderfreibetrag in zwei Schritten auf das Niveau des Erwachsenenfreibetrags angehoben und das Kindergeld entsprechend erhöht werden. In einem ersten Schritt will die Union das Kindergeld um 25 Euro je Kind im Monat erhöhen.

Wer profitiert? Familien profitieren von der Erhöhung des Kindergeldes. Vor allem Gutverdiener gewinnen, denn die Anhebung der Grenze für den Spitzensteuersatz auf 60.000 Euro zu versteuerndes Einkommen trifft vor allem Hochverdiener. Auch Vermögende und Erben profitieren, denn jegliche höhere Steuern auf Erbschaften und Besitz lehnt die Union ab.

Der Spitzensteuersatz ist ein Grenzsteuersatz, er bezeichnet den Steuersatz, der für die Einkommensteile in dieser höchsten Proportionalzone zu zahlen ist. Der Spitzensteuersatz liegt derzeit für einen Alleinstehenden bei 42 Prozent für die Einkommensteile über einem zu versteuernden Einkommen von 54.058 Euro im Jahr.

Der Steuersatz steigt durch die Progression in Abhängigkeit vom zu versteuernden Einkommen. So liegt der Eingangssteuersatz ab einem zu versteuernden Einkommen von 8820 Euro nur bei 14 Prozent.

Entscheidend ist der durchschnittliche Steuersatz, also der Anteil, der wirklich an Steuern entrichtet werden muss. Wer als Single ein zu versteuerndes Einkommen von 60.000 Euro im Jahr hat, zahlt im Schnitt nur 27,9 Prozent an Steuern.

Die Steuer wird ohnehin nicht auf das Bruttoeinkommen, sondern auf das zu versteuernde Einkommen fällig. Dies liegt deutlich unter dem Brutto, weil man zur Ermittlung dieses zu versteuernden Einkommens Werbungskosten, Sonderausgaben, Kinderfreibeträge und anderes abzieht. Bei einem alleinstehenden Single mit einem Bruttoeinkommen von 62.000 Euro kann das zu versteuernde Einkommen nur 54.000 Euro betragen, erreicht also nicht die Zone für den Spitzensteuersatz.

Der Durchschnittsbruttoverdienst eines Vollzeitbeschäftigten im produzierenden Gewerbe beträgt 4.071 Euro im Monat.(Quellen: Bundesfinanzministerium, Statistisches Bundesamt).

Wer geht leer aus? Hartz-IV-Empfänger, denn das Kindergeld wird bei ihnen verrechnet. Auch Niedriglöhner ohne Kinder haben wenig bis nichts von den Reformvorschlägen.

Barbara Dribbusch

***

Mehr Geld für breite Mitte

Das will die SPD: „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit mittleren und kleinen Einkommen“ sollen „bei Steuern und Abgaben entlastet“ werden.

Abgelehnt wird: „Steuerentlastungen mit der Gießkanne“, also auch für Großverdiener, werde es nicht geben, heißt es im Wahlprogramm der Sozialdemokraten.

Wer profitiert? Die Sätze der Einkommensteuer sollen für Jahreseinkommen zwischen etwa 20.000 und 60.000 Euro sinken. Weil jedoch höhere Einkommen ebenfalls von der Entlastung der Mitte profitieren, zahlen auch Leute weniger Steuern, die bis zu 100.000 Euro im Jahr verdienen (gut 8.000 pro Monat). Diese zählt die SPD noch zur Mittelschicht.

Außerdem „wollen wir Niedrigverdiener zusätzlich entlasten, die bis zu 1.300 Euro monatlich“ einnehmen, sagt SPD-Finanzpolitiker Lothar Binding. Deshalb sollen die Sozialabgaben ab 851 Euro Bruttolohn nur allmählich ansteigen und erst ab 1.300 Euro die volle Höhe von knapp 20 Prozent des Bruttolohns erreichen. Auf die konkreten Schritte des Anstiegs hat sich die SPD noch festgelegt.

Wer geht leer aus? Singles mit Einkommen ab etwa 100.000 Euro jährlich (Paare 200.000) sollen einen höheren Spitzensteuersatz von 45 Prozent (heute 42) entrichten. Ab 250.000 Euro (Singles) wird der Satz nochmals angehoben auf 48 Prozent.

Hannes Koch

***

Mehr Geld für viele

Das will die Linkspartei: Die Linke will Normalverdiener entlasten und Spitzenverdiener belasten. Vermögen ab einer Million Euro will sie mit fünf Prozent besteuern. Das soll 80 Milliarden Euro im Jahr bringen. Bei der Erbschaftsteuer werden Schlupflöcher gestopft und die Sätze erhöht. Bringt fünf Milliarden. Die Unternehmensteuer soll von 15 auf 25 Prozent steigen. Eine Finanztransaktionsteuer soll mindestens 30 Milliarden Euro erzielen.

Bei der Einkommensteuer steigt der Grundfreibetrag von 8.820 auf 12.600 Euro im Jahr. Ab einem Bruttoverdienst von 81.000 Euro fällt für Singles ein Spitzensteuersatz von 53 Prozent an. Zudem wird die Reichensteuer verschärft, die ab 250.000 Euro anfällt: Sie steigt von 45 auf 60 Prozent. Bei einem zu versteuernden Einkommen von über einer Million Euro werden 75 Prozent fällig.

Abgelehnt wird: die derzeit gültige Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge. Sie beträgt 25 Prozent, sodass Aktionäre oft weniger Steuern zahlen als Arbeitnehmer.

Wer profitiert? Alle Singles, die weniger als 7.100 Euro brutto im Monat haben. Auch Eheleute profitieren, allerdings soll das Ehegattensplitting durch ein familienfreundlicheres Modell ersetzt werden.

Wer geht leer aus? Spitzenverdiener, Vermögende sowie Erben von Betrieben und großen Beträgen.

Ulrike Herrmann

***

Geld für Familien

Das wollen die Grünen: Leute mit „kleinen und mittleren Einkommen“ sollen weniger Steuern zahlen, Wohlhabende und Reiche dagegen mehr.

Abgelehnt wird: Steuerentlastungen für alle, wie sie die Union vorschlägt.

Wer profitiert? Die Grünen wollen den Grundfreibetrag für alle Steuerzahler erhöhen, wobei sie keine Zahl nennen. Zu versteuernde Einkommen oberhalb von 100.000 Euro (Singles) sollen einen höheren Spitzensteuersatz entrichten. Auch die Sozialabgaben für Niedrigverdiener sollen sinken.

Ein weiteres Ziel lautet: Familien mit Kindern fördern. Jedes Kind soll einen Anspruch auf rund 300 Euro staatlicher Überweisung monatlich erhalten. Kinder armer Eltern sollen 400 Euro bekommen. Das bisherige Kindergeld und der steuerliche Kinderfreibetrag werden abgeschafft. Außerdem wollen die Grünen aus dem bisherigen Ehegattensplitting aussteigen, bereits Verheiratete sollen zwischen diesem und dem neuen Familienbudget wählen können. Die Vorteile für Familien mit Kindern beziffern die Grünen auf 12 Milliarden Euro pro Jahr.

Wer geht leer aus? Leute mit hohen Einkommen und Vermögen. Die Grünen wollen sich für eine „Vermögensteuer für Superreiche“ und eine gerechtere Erbschaftsteuer einsetzen, die Firmenerben stärker heranzieht.

Hannes Koch

***

Viel Geld für Reiche

Das will die FDP: Die FDP will Steuergeschenke von 30 Milliarden Euro jährlich verteilen. Bei den konkreten Maßnahmen legt sie sich jedoch meist nicht auf genaue Zahlen fest, sondern formuliert die Ziele nur allgemein.

Dazu gehört: Der Spitzensteuersatz soll später greifen, die Kinderfreibeträge sollen steigen, die „kalte Progression“ abgeschafft werden und der Solidaritätszuschlag auslaufen. Bei der Grunderwerbsteuer soll es einen Freibetrag von bis zu 500.000 Euro geben, wenn Privatpersonen ein Haus kaufen.

Abgelehnt wird: eine Vermögensteuer, eine Reform der Erbschaftsteuer, eine Abschaffung des Ehegattensplittings und eine Finanztransaktionsteuer.

Wer profitiert? Belohnt werden vor allem die Spitzenverdiener, denn sie zahlen schon jetzt den höchsten Steuersatz und erreichen auch beim Soli die höchsten Beträge. Gleichzeitig profitieren sie am stärksten, wenn die Freibeträge für Kinder steigen. Auch von der Steuerfreiheit beim Grunderwerb würde nur profitieren, wer sich ein Haus leisten kann.

Wer geht leer aus? Die FDP tut zwar so, als würde sie vor allem an die „Mittelschicht und die kleineren Einkommen“ denken. Doch Geringverdiener haben von den FDP-Vorschlägen nur wenig, denn sie zahlen kaum Einkommensteuern. Die große Belastung fällt durch die Sozialbeiträge an – wo sich nichts ändern soll.

Ulrike Herrmann

***

Viel mehr Geld für alle

Das will die AfD: Die AfD will die Mehrwertsteuer von 19 auf 12 Prozent reduzieren. Bei der Einkommensteuer soll es keine Progression mehr geben, sondern „Steuerstufen“. Allerdings fehlt ein Hinweis, wie hoch der Steuersatz bei welcher Einkommensstufe sein soll. Der steuerfreie Grundfreibetrag soll auf die Pfändungsgrenze angehoben werden – das steuerfreie Jahreseinkommen soll also von derzeit 8.820 auf 13.605,60 Euro steigen. Das Ehegattensplitting soll zum Familiensplitting werden, aber dazu fehlen Details. Außerdem soll die Erbschaftsteuer abgeschafft werden.

Abgelehnt wird: eine Vermögensteuer.

Wer profitiert? Alle. Denn die Mehrwertsteuer zahlt bekanntlich jeder. Zudem würde es auch den Niedrigverdienern nutzen, wenn der Grundfreibetrag steigt.

Wer geht leer aus? Niemand. Aber das ist genau das Problem am Steuerkonzept der AfD: Es ist schlicht nicht finanzierbar. So würde es etwa 56 Milliarden Euro kosten, die Mehrwertsteuer um sieben Prozentpunkte zu senken. Enorm teuer wäre es auch, den steuerlichen Grundfreibetrag anzuheben. Eine Gegenfinanzierung ist jedoch bei der AfD nicht vorgesehen. Denn auch die Reichen sollen entlastet werden – indem etwa die Erbschaftsteuer entfällt. Fazit: Die AfD hat eigentlich kein Steuerkonzept.

Ulrike Herrmann

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bei wieviel Prozent liegen die Parteien? Wer hat welche Wahlkreise geholt?

▶ Alle Zahlen auf einen Blick

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.