Streit um Ex-Wirtschaftsmanager: Ein EU-Kommissar, der provoziert

Der designierte Finanzmarkt-Regulierer Jonathan Hill stößt bei der Anhörung im EU-Parlament auf Kritik. Einige halten ihn für einen Lobbyisten.

Kein Sympathieträger in Brüssel: der kommende EU-Kommissar für Finanzstabilität, Jonathan Hill. Bild: dpa

BERLIN taz | Er gilt als der größte Wackelkandidat der neuen EU-Kommission, die Grünen halten die Nominierung von Jonathan Hill sogar für eine „Provokation“. Doch bei seiner Anhörung im Europaparlament präsentierte sich der Brite, der für die Finanzmärkte und ihre Regulierung zuständig sein soll, als Unschuld vom Lande. „Ich bin Sohn eines Kleinunternehmers und will dafür sorgen, dass die Finanzmärkte nicht einigen wenigen, sondern allen dienen“, beteuerte Hill gleich zum Auftakt der Anhörung am Mittwoch.

Er habe keine Anteile an Firmen in der City of London – Europas größtem Finanzplatz – und sitze auch in keinem Aufsichtsrat, betonte der Brite. Doch genau das ist strittig. Schließlich diente Hill, der als EU-Skeptiker gilt, in der City als Lobbyist und Strippenzieher. Der konservative Politiker ist ehemaliger Wirtschaftsmanager und Gründer einer PR-Firma mit gutem Draht zu vielen britischen Bankern und Börsenhändlern; zu seinen Kunden gehörte die Großbank HSBC.

Abgesehen von britischen Konservativen und deutschen Christdemokraten stieß Hills Nominierung bei allen Parteien auf Widerstand. Um ein Debakel zu vermeiden, sah sich der neue Kommissionschef Jean-Claude Juncker sogar gezwungen, dem Briten die Aufsicht über Banker-Gehälter und also auch die millionenschweren Boni zu entziehen. Fraglich, ob das ausreicht, um die Bedenken im Parlament zu zerstreuen. „//twitter.com/sven_giegold:Failed – gescheitert“, twitterte der grüne Finanzexperte Sven Giegold, nachdem er Hill direkt gefragt hatte, welche Firmeninteressen er vertreten hat. Der Kommissar in spe antwortete ausweichend, nannte keine Namen.

Kritik kam auch von der Linken. „Hills schriftliche Antworten zeigen, dass er mit der Bankenregulierung fertig ist“, kritisierte der EU-Abgeordnete Fabio De Masi. „Die ’too big to fail‘-Banken zocken dank impliziter Staatsgarantien weiter im Casino“, so der deutsch-italienische Wirtschaftspolitiker. Mit Hill werde die Dominanz des Finanzsektors verfestigt, er sei „Kommissar der City of London“.

Als Problem könnte sich auch erweisen, dass Hill seine Pläne nur vage beschreiben konnte. Der Brite will die Bankenunion vollenden, er nennt sie sogar „zentral“ – doch Großbritannien und die anderen Nichteuroländer machen bisher gar nicht mit. Er soll auch eine neue „Kapitalmarktunion“ aufbauen – doch was das sein soll, konnte er nicht erklären. Es gehe darum, Investitionen zu erleichtern. Zunächst will Hill jedoch Bilanz ziehen: „Ich fange bescheiden an, nicht mit einer großartigen Vision.“

Bei einer weiteren Anhörung schlug sich die designierte EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen wacker: Die Belgierin forderte die USA auf, sich vor dem Abschluss des Freihandelsabkommens TTIP zu Arbeitnehmerstandards zu bekennen. „Wir wollen keine Abstriche an unseren Standards zugunsten von mehr Investitionen.“

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