Streit um Gemeinschaftsgarten in Berlin: Grüner Wedding, guter Wedding?

Das „Himmelbeet“ soll einem Fußballprojekt für benachteiligte Kinder Platz machen. Der Bezirk will gern beides. Wie soll das gehen?

Zwischen bepflanzten Holzkästen stehen Menschen mit bunten Buchstaben auf gebastelten Schildern. Die Buchstaben ergeben die Worte "Himmelbeet muss bleiben! Hier ist Platz für alle!".

Kein Platzproblem, sagen die Gärtner*innen vom Gemeinschaftsgarten Himmelbeet im Wedding Foto: Mike Boerger

Rote-Bete-Suppe, Gartenstulle mit Hummus oder veganer Apfelrosenkuchen – die Gerichte auf der Tageskarte des Himmelbeet-Cafés werden teils aus dem zubereitet, was gleich nebenan wächst.

Schon seit 2013 werden im interkulturellen Garten „Himmelbeet“ auf einer Brachfläche mitten im Wedding an der Ecke Schulstraße und Ruheplatzstraße 300 Hochbeete, mit Erde gefüllte Kästen aus Holzpaletten, bepflanzt. Ein Teil des erntefrischen Obsts und Gemüses landet in den Kochtöpfen des nachhaltigen Cafés, das selbst aus Europaletten gebaut wurde und in dem möglichst wenig Verpackungsmüll verursacht werden soll. Doch seit einiger Zeit klebt inmitten der Tafel mit den Tagesgerichten ein Zettel mit der Aufschrift „Himmelbeet in Gefahr“.

Erst vor drei Wochen eröffnete der Gemeinschaftsgarten seine fünfte Saison mit einem Nachbarschaftsfest. Die Freude wurde jedoch von der Sorge getrübt, dass dies vorerst die letzte Saison für das Kiezprojekt sein könnte.

Denn die Gärtner*innen sehen die Existenz des Himmelbeets durch ein Vorhaben bedroht, das den Namen „Safe-Hub“, sicherer Ort, trägt. Verantwortlich für dieses Projekt sind der in München ansässige Verein „Amandla EduFootball“ und die Stiftung des ehemaligen Nationaltorhüters Oliver Kahn. Sie wollen im Wedding ein Fußballprojekt umsetzen, mit dem sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche gefördert werden sollen. Vorbild dafür sind drei Safe-Hubs, die der Verein bereits in Südafrika realisiert hat. Das Projekt soll von der Oliver-Kahn-Stiftung und anderen Investoren finanziert werden.

Deshalb startete das Gartenteam die Onlinepetition „Himmelbeet muss bleiben“. Diese wurde inzwischen von über 40.000 Unterstützer*innen unterschrieben.

Ein Leuchtturm für den Wedding

Getragen wird das gemeinnützige Projekt Himmelbeet von zwölf Personen, die sich um das Tagesgeschäft kümmern. Altersmäßig und von den Hintergründen sei das Team bunt gemischt, erzählt Johannes Rupp, einer der Ehrenamtlichen.

Bürgermeister Stephan von Dassel

„Natürlich gibt es Nutzungs­konkurrenzen“

Interessierte Hobbygärtner-*innen können die Kästen entweder saisonweise für einen kleinen Betrag pachten oder auf Gemeinschaftsbeeten kostenlos mitgärtnern. Unter den Pächter*innen finden sich unter anderem Student*innen, Familien und Senior*innen. Ausgewählte soziale Initiativen bekommen kostenfrei Beete zur Verfügung gestellt. So sollen Projekte mit Geflüchtetenorganisationen und Behindertenwerkstätten ermöglicht werden.

Offiziell gilt der Gemeinschaftsgarten als Zwischennutzung. Für das bezirkseigene Grundstück ist Carsten Spallek (CDU), der Stadtrat für Schule und Sport im Bezirk Mitte, zuständig. Seine Vorgängerin hatte dem Verein Amandla im Dezember 2015 versichert, dass „die Zielsetzung des Bildungs- und Beratungszentrums sowie die Schaffung eines vielseitigen Sport- und Freizeitangebotes von uns voll umfänglich unterstützt“ würde.

Drei Fußballplätze und ein einstöckiges Bildungszentrum sollen auf der insgesamt 6.000 Quadratmeter großen Fläche nahe dem Leopoldplatz entstehen, auf der auch das Himmelbeet angesiedelt ist. Eine Projektbeschreibung des Vereins Amandla von April 2016 erklärt, warum der Wedding als Standort ausgewählt wurde: Soziale Herausforderungen wie die hohe Kinderarmut, Jugendarbeitslosigkeit und Integrationsprobleme hätten zu der Entscheidung beigetragen.

Seit zwei Jahren wurden immer wieder Gespräche über eine gemeinschaftliche Flächennutzung zwischen Himmelbeet, Amandla und Spallek geführt. Doch in seiner Onlinekampagne beklagt das Team vom Himmelbeet, dass es von den letzten Verhandlungen ausgeschlossen worden sei und dass Spallek dem Verein Amandla in einer Absichtserklärung vom 7. April eine Fläche von 4.100 Quadratmeter zum 1. Januar 2018 zugesichert habe.

Dabei waren Himmelbeet, Amandla und das Bezirksamt erst Anfang März als eins von zwölf Modellvorhaben für das bundesweite Forschungsprogramm „Green Urban Labs“ ausgewählt worden. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung nominierte Projekte, die sich mit dem Zugang zu urbanem Grün und Umweltgerechtigkeit beschäftigen.

Das Himmelbeet ist ein ökologisch nachhaltiger Gemeinschaftsgarten im Wedding. Getragen wird das gemeinnützige Projekt von zwölf Personen, die sich um das Tagesgeschäft kümmern. Zum Team gehören außerdem ehrenamtlich tätige Gesellschafter*innen. Unterstützt wird die Arbeit durch den 2015 gegründeten Förderverein. Ziel des Projekts ist es, Menschen über das Thema Gärtnern zu­sammenzubringen und so einen barrierefreien Ort der Teilhabe und des Miteinanders zu schaffen.

Amandla EduFootball ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Südafrika und Deutschland. Seit seiner Gründung 2007 zielt der Verein darauf ab, Bildungs- und Freizeitangebote für benachteiligte Kinder und Jugendliche in sozialen Brennpunkten zu schaffen. Finanziert werden die Projekte aus Stiftungsmitteln, Fördergeldern und durch Spenden. Das Weddinger Projekt ist das erste des Vereins in Deutschland. (roe)

„Das ist eine einmalige Chance für den Bezirk und für Berlin, bundesweite Sichtbarkeit zu kriegen und hier einen Leuchtturm zu schaffen“, sagt Johannes Rupp. Die mit dem Forschungsprogramm verbundenen Fördermittel könnten dafür eingesetzt werden, ein Konzept für die gemeinsame Nutzung der Fläche zu entwickeln. „Wir wollen hier keinen Rabatz machen. Wir wollen die Fläche gemeinschaftlich gestalten“, erklärt Rupp die Entscheidung des Teams, mit der Petition an die Öffentlichkeit zu treten. Doch mit der Absichtserklärung seien Fakten geschaffen worden, „und wir werden nicht gehört“.

Bedeckter Himmel über dem Beet

Vergangenen Freitag fand ein Schlichtungsgespräch statt, an dem Vertreter*innen vom Himmelbeet und von Amandla, der Bezirksbürgermeister von Mitte Stephan von Dassel (Grüne) und Bezirksstadtrat Spallek teilnahmen. Bei einer Pressekonferenz im Anschluss erklärte der Bezirksbürgermeister, dass in Medienberichten ein falscher Eindruck vermittelt worden sei.

Deshalb sei mit Himmelbeet und Amandla Stillschweigen über die laufenden Verhandlungen vereinbart worden. „Natürlich gibt es Nutzungskonkurrenzen“, so von Dassel. Nun müsse geschaut werden, was für die Parteien verhandelbar sei. Zu einer Einigung sei es bisher noch nicht gekommen. Eine Fortsetzung des Schlichtungsgesprächs ist an diesem Freitag geplant.

Er sei zuversichtlich, dass eine gemeinsame Lösung gefunden werden könne, sagte der Bezirksbürgermeister. Dem Himmelbeet sei angeboten worden, auf den Teil der Brachfläche zu ziehen, auf dem der Bezirk eigentlich eine Turnhalle errichten wollte. „Das bedeutet allerdings einen Umzug für Himmelbeet.“

„Wir wollen die Fläche nicht für uns alleine, wir wollen einen Kompromiss“, sagt auch Sophie Scheytt. Die 25-jährige Juristin und Himmelbeet-Pächterin schätzt die Situation dennoch weniger zuversichtlich als der Bezirksbürgermeister ein. Am Samstag nach dem Schlichtungsgespräch habe sie das Himmelbeet-Team sehr besorgt erlebt.

Dabei liege die Lösung auf der Hand: Der Bezirk müsse den Fördermittel-Antrag für die Teilnahme am Modellvorhaben „Green Urban Labs“ einreichen. Dann könnte ein unabhängiges Architekturbüro damit beauftragt werden, einen Kompromiss zu finden. Dieser kann in Scheytts Augen jedoch nicht in der Nutzung der Turnhallen-Fläche bestehen, weil dies langfristig einen weiteren Umzug für das Himmelbeet bedeuten würde. Außerdem sei das Grundstück dort zu schattig zum Gärtnern.

Erst eisiger Wind mit Nieselregen, dann Sonne, plötzlich Hagel, wieder Sonnenschein und zum Schluss ein Regenschauer. Das Wetter spiegelt derzeit die Ungewissheit der Himmelbeet-Gärtner*innen wider.

„Für mich ist das Himmelbeet ein Projekt, das den Bezirk aufwertet. Hier im Wedding gibt es davon nicht viel“, erklärt Ärztin und Pächterin Anne Naab. „Das sind hier alles Leute, die das neben ihrer Arbeit freiwillig machen. Ich verstehe gar nicht, wieso man ein laufendes Projekt, das sich selber trägt, infrage stellt.“ Vielleicht wird das geplante Gespräch am Freitag für mehr Klarheit sorgen.

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